Gleich am Tag nach der Wahl gingen ukrainische Truppen gegen die Donezker Republik vor. Poroschenko bittet die Amerikaner um Beistand. Im Übrigen will er als Erstes mit Wladimir Putin sprechen.... Gehen wir also einem Ende der ukrainischen Unruhen entgegen? Sehr unwahrscheinlich. Es gibt da einige Aspekte, die einer Stabilisierung, wie Poroschenko sie sich wünscht, entgegenstehen. Der Reihe nach.
Kategorie: Ukraine
Strategischer Kampfplatz Ukraine – auf dem Rücken von wem?
Was lange geköchelt hat, scheint nun überzukochen: die ungelöste soziale Situation im Transformationsland Ukraine, die zugleich strategischer Kampfplatz zur Neuordnung der globalen Machtverläufe ist: Eine um ihre Hegemonie kämpfende USA, eine neo-imperiale Europäische Union, eine konkurrierende Eurasische Union, der lange Arm Chinas – und dies alles in einem reichen, aber in sich zerrissenen Land, das schon immer Durchgangsland zwischen Ost und West und Nord und Süd war.
Hier finden Sie aktuelle und einige ältere Artikel zur Ukraine. Für eine vollständige Übersicht über zurückliegende Texte zur Ukraine gehen Sie bitte in die Suchfunktion. Ich wünsche Ihnen Erfolg beim Recherchieren. Kai Ehlers
Feinderklärung – wofür, bitte?
Nun endlich ist es klar heraus: „Spiegel online“, allen übrigen gleichlautenden Medien voran, hat es soeben verkündet: „Die Europäische Union hat einen Feind, zum ersten Mal in ihrer Geschichte.“
Anlass dieser Feststellung ist der in Kiew von dem US-Historiker Timothy Snyder initiierte Kongress „Thinking together“
Poroschenko, Timoschenko und Co – Anmerkungen zu einem bemerkenswerten Programm
„Sie werden keinen Einfluss auf die Politik haben. Punkt.“ antwortete Petro Poroschenko, ukrainischer Präsidentschaftskandidat, auf die Frage, wie er den Einfluss der Oligarchen in seinem Lande begrenzen wolle. „Das sind diese Leute, die politische Kräfte finanziert haben. Das wird es nicht mehr geben, weil es nicht mehr gesetzlich sein wird, Wenn sie versuchen, das Gesetz zu verletzten, werden sie nach dem Gesetz zur Verantwortung gezogen werden.“ - Wie er das machen will lesen Sie auf den folgenden Seiten.
Roter Faden durch den ukrainischen Dschungel
Auch ein halbes Jahr nach Beginn des Aufruhrs ist die Ukraine ein schönes, mit Naturschätzen gesegnetes, von seinen Möglichkeiten her reiches Land, geografisch, ethnisch, kulturell und politisch vielgestaltig, ein Durchzugsgebiet der Völker und Kulturen seit Beginn der europäischen Siedlungsgeschichte. Unterschiedliche Völker haben die Kultur der Ukraine geprägt, angefangen bei den Hunnen, über die Wikinger, die Mongolen, über Türken, zu Polen und Habsburgern. Zwischendurch waren es immer wieder die Russen; im letzten Jahrhundert kam der Firnis der Sowjetunion dazu. Die Vielgestaltigkeit der Ukraine ist ihre Potenz, als Zerrissenheit, die nach Identität schreit, ist sie zugleich ihr Problem.
Globaler Maidan? – Liste häufig gestellter Fragen
Seit Monaten füllt die Krise um die Ukraine die Nachrichten. Täglich wird die Öffentlichkeit mit neuen Wahrheiten konfrontiert, die einen Tag später schon wieder überholt sind oder sich gar als gefälscht erweisen - wie kürzlich die NATO-Fotos vom angeblichen Aufmarsch russischer Truppen an der Ukrainischen Grenze. Der von den Mainstream-Medien verbreitete Informationsnebel wird immer dichter und giftiger, die Reihe offener Fragen immer länger und drängender. Es wird zu einer Frage des geistigen Selbstschutzes, sich nicht weiter verwirren zu lassen. Die folgende Liste von Fragen und Antworten erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Sie versteht sich nur als kleiner Wegweiser durch den Nebel der Desinformation, der in dem gegenwärtigen Informationskrieg verbreitet wird.
Es folgen Fragen und Antworten...
Brüssel – geopolitische Kameraderie
EU/USA-Gipfel: Hände schütteln, neue Freundschaft, Bündnispflege. Die Mainstream-Medien melden unisono: Obama, Van Rompuy und Barroso einig gegenüber Russland. Lassen wir alle diplomatischen Schnörkel weg, konzentrieren wir uns für einen Moment nur auf die zentrale Botschaft des Tages. Was soll der Öffentlichkeit als Ergebnis der Ukraine/Krim-Krise jetzt verkauft werden?
The week after – update Ukrainischer Perspektiven
Nun hat die Welt also Fakten: Die Krim ist russisch. Der Assoziierungsvertrag zwischen der ukrainischen Übergangsregierung und der Europäischen Union wurde unterzeichnet. Erste OSZE-BeobachterInnen sind in der Ukraine eingetroffen. Ist alles Weitere nunmehr bloße Eingliederungsbürokratie?
Die Krim russisch – was nun?
Die Bevölkerung der Krim hat sich entschieden. Sie will mehrheitlich zu Russland gehören. Der russische Präsident Putin hat das Ergebnis angenommen. Der „Westen“, allen voran die USA und die EU und mit ihnen die Übergangsregierung der Ukraine wollen das Ergebnis nicht akzeptieren – „nie“, wie es aus den USA verlautet. Was nun?
Ukraine: Nationalismus, Spaltung oder Föderation selbstverwalteter Regionen auf demokratischer Basis?
Schafft ein, zwei, drei viele Allmenden
Bericht vom 36. „Forum integrierte Gesellschaft“ am 09.03.2004
Als Tagesordnung war angesetzt: Bildung und Revolution. Das Thema erhielt durch die Ereignisse in und um die Ukraine eine beunruhigende Aktualisierung, Stichwort des Treffens war dann: Rebellion ist gerechtfertigt, aber ohne tiefgreifende demokratische Bildung besteht die Gefahr, dass die berechtigte Rebellion von interessierter Seite benutzt und in die Destruktion geführt wird – wie es in der Ukraine jetzt mit all den Folgeerscheinungen der inneren und äußeren Konfrontationen geschehen ist. Besonders beunruhigt uns die Politik Deutschlands, die als „Führungskraft“ innerhalb der EU erkennbar auf den Umsturz eines demokratisch gewählten Präsidenten hingearbeitet hat und unübersehbar bereit ist mit erklärten Faschisten offen zusammenzuwirken.
Das soll an dieser Stelle jetzt nicht im Detail ausgeführt werden. Bitte schaut für Information und Hintergrundanalysen zum Ukraine/Krim-Konflikt auf die Website www.kai-ehlers.de
Hier nur noch so viel:
Vertreter des „Forums integrierte Gesellschaft“ und das Forum insgesamt sind zur Krise in der und um die Ukraine mit eigenen Veranstaltungen und Veröffentlichungen aktiv geworden. U.a. hat sich aus unserer Sicht eine besondere Klammer zwischen der öffentlich angekündigten Veranstaltung des Forums zu dem Thema „Voran zur Regionalisierung statt zurück zur Nationalisierung“ mit den Vorgängen in der Ukraine ergeben, so dass wir beschlossen haben, beide Themen in einer Veranstaltung zusammen zu führen.
Wir geben Euch den Aufruf zu dieser Veranstaltung hier in den Rundbrief in der Hoffnung Euch damit zu ähnlichen Aktivitäten anregen zu können. (Aufruf weiter unten und im Anhang.) Wenn Ihr Hilfe braucht, wendet Euch an uns. Wir meinen, dass es dringend geboten ist, der Verherrlichung des Ukrainer Umsturzes als demokratische Revolution die Tatsachen entgegenzustellen, die zeigen, wie die Sehnsucht einer Bevölkerung nach Demokratie und Wohlstand durch erklärt antidemokratische Kräfte im Lande selbst, sowie durch die Interventionen der bekannten „global player“ missbraucht worden ist. Dabei nehmen wir, wo nötig und berechtigt, auch Russland nicht aus, sind aber nicht bereit uns der Dämonisierung Russlands, insbesondere ihres Präsidenten Wladimir Putin anzuschließen. Was wir stattdessen brauchen ist eine an Verständigung orientierte Aufklärung.
Das nächste Treffen des Forums ist für Sonntag, d. 06. 04. 2014 angesagt.
Ort: Rummelsburgerstr. 78, U-1 Farmsen. Bitte meldet Euch vorher an.
Thema wird sein: Wie geht es weiter in und um die Ukraine?
Kai Ehlers
Im Namen des Forums integrierte Gesellschaft
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MOTTE – Samstag, 15.03. 2014 um 15.00 Uhr,
Kultur- und Stadtteilzentrum, Eulenstr. 43 (Altona)
aus aktuellem Anlass:
UKRAINE:
Nationalismus, Spaltung
oder Föderation selbstverwalteter Regionen
auf demokratischer Basis?
Die Veranstaltung in der MOTTE ist angekündigt unter dem Thema: „Zurück zur Nation oder voran zur Region?“ Aus aktuellem Anlass wird die Veranstaltung sich mit den Ereignissen um die UKRAINE beschäftigen. In der Ukraine stellt sich die Frage „Zurück zur Nation oder voran zur Region“ exemplarisch und radikal: Nationalismus, Spaltung oder Föderation miteinander kooperierender selbstverwalteter, ggfll. auch autonomer Regionen auf demokratischer Basis? Lautet dort die Frage.
Veranstalter ist das „Forum integrierte Gesellschaft“ in Zusammenwirken mit der „MOTTE“. Einen Einführungsvortrag gibt Kai Ehlers, Russlandforscher. Fragen und weitere Beiträge sind erwünscht.
Eintritt frei
(Bitte Hausschuhe mitbringen)
Apropos Krim: Zurück zum Völkerrecht? Anregungen zur Deeskalation
Die Positionen stehen sich hart gegenüber. Russland verletze mit seinem Vorgehen auf der Krim das Völkerrecht, sagen die einen. Es bleibe alles im Rahmen des Völkerrechts, erwidern die anderen. Aber geht es hier wirklich um Recht der Völker?
Vom europäischen Traum zur Europäischen Union
Krisen kennzeichnen unsere heutige Welt – Afghanistan, Nordafrika, Syrien, Somalia, um nur einige zu nennen. Wir leben mit ihnen. Jetzt aber die Ukraine! Seit Monaten fressen sich die Proteste auf dem „Euromaidan“ ins öffentliche Bewußtsein. Inzwischen beherrscht die Ukrainische Krise die internationale Diplomatie, Weltkriegsszenarien werden entworfen. Was ist an dieser Krise so besonders, dass sie alle anderen Krisenherde derart überragt?
Suchbild Ukraine: Wer findet den Unterschied?
Am Tag des Machtwechsels in der Ukraine konnte man in deutschen Presseorganen folgende Meldungen lesen – und im Übrigen auf den Kanälen des staatlichen Fernsehens hören: „Die Ukraine hat nach den Massenprotesten wirtschaftliche Schwierigkeiten, Russland stoppt dennoch zugesagte Gelder. Jetzt stellt die EU Unterstützung in Aussicht.“ Unisono tönte es so aus den Mainstream-Medien.
Ukrainische Alchemie
Das Schießen auf dem Kiewer Majdan wurde eingestellt. Ein Fahrplan wurde vereinbart, der vom bewaffneten Konflikt zurück in die politische Lösung der ukrainischen Krise führen soll: Bildung einer vorläufigen Regierung der nationalen Rettung binnen zehn Tagen. Rückkehr zur Verfassung von 2004, das heißt, Rückführung von Kompetenzen des Staatspräsidenten zugunsten parlamentarischer Strukturen. Vorgezogene Neuwahlen zum Dezember 2014, statt März 2015... So weit, so erfreulich und aus vollem Herzen zu begrüßen, bis auf eine Kleinigkeit, nämlich, dass die durch ihre Militanz auf dem Majdan hervorgetretene Gruppe "Rechter Sektor" die Vereinbarung mit der Regierung als Betrug betrachte. Sie fordert den sofortigen Rücktritt des Präsidenten und will die "nationale Revolution" bis zum kompletten Sturz der Regierung fortsetzen.
Ukraine – Cui bono?
Was zu befürchten war, ist geschehen: bisher 25 Tote, 250 Schwer-, über tausend Leichtverletzte, zwei Drittel davon auf Seiten des Majdan, ein Drittel bei den Polizeikräften. Das Zahlenverhältnis macht klar: hier wird nicht eine unbewaffnete Demonstration von überlegenen Polizeikräften niedergemacht, hier wird brutal mit der Absicht zu verletzen und sogar zu töten gekämpft.
Ukrainische Perspektiven
Was geschieht heute in der Ukraine? Antworten auf diese Frage fallen schwer. Die Stimmen der Aktivisten auf dem Majdan, die abseits gelegenen, aber nicht minder wichtigen Schauplätze regionaler Proteste, die über die Ereignisse gezogenen medialen, diplomatischen und politischen Schleier internationaler Akteure bilden ein chaotisches, kaum überschaubares Feld. Wer verstehen will, sieht sich gezwungen zu sortieren.
Ukraine: Pragmatische Lösung oder Zeitreise in die Vergangenheit?
Die Ereignisse in der Ukraine treiben einer Eskalation entgegen. Eine friedliche Lösung des Konfliktes zwischen der Majdan-Opposition und Präsident Janukowytsch scheint kaum noch möglich, nachdem das überraschende Angebot des Präsidenten, zwei der drei führenden Vertreter der Opposition, Arseni Jazenju und Vitali Klitschko in die Regierungsverantwortung einzubinden, von den beiden in Übereinstimmung mit dem dritten in der Oppositionstroika, dem Nationalisten Tiagnibok als „vergiftetes Angebot“ (Klitschko) abgelehnt wurde....
Grundeinkommen für die Ukraine?
Wer die Bilder vom Treffen der beiden Präsidenten, Janukowytsch und Putin, gesehen hat, die sich gegenseitig in bester Laune zuzwinkern, der weiß, daß in Moskau etwas vereinbart wurde, was außerhalb der üblichen Spielregeln heutiger Politik liegt.
Aufruhr in der Ukraine
Das zurückliegende Treffen des „Forums integrierte Gesellschaft“ sollte sich mit der Frage beschäftigen, was Regionalisierung im Kaukasus bedeutet. Die aktuellen Ereignisse in der Ukraine haben das Thema ganz und gar in Richtung der ukrainischen Ereignisse verschoben.
Gauck´s „strategischer Fehler“ – geht es wirklich um Sotschi?
Etwas, scheint es, hat Gauck nicht verstanden. ...Wer der Frage nachgeht, was das sein könnte, trifft auf das Problem des Strategiewechsels, der sich in der US-Politik seit Beginn der zweiten Amtszeit Barak Obamas vollzieht...
Ukraine – was heißt hier „Nationaler Verrat“?
Aufruhr in der Ukraine. Hunderttausende auf den Straßen. Julia Timoschenko wirft dem Präsidenten „Verrat der nationalen Interessen der Ukraine“ vor. Was hält davon einer nüchternen Bestandsaufnahme der Situation der Ukraine stand?
Rußland in der Demografiefalle
Rassistische Massenkrawalle in Moskau. Wer verstehen will, was sich abspielt, muß weit hinter die Kulissen der letzten Vorfälle schauen. Da ist zunächst dies: Rußland ist heute, wie die Mehrheit der alten Industrieländer mit dem konfrontiert, was im Fachjargon der internationalen Demographie „disproportionale Bevölkerungsentwicklung“ genannt wird: Schrumpfung im Norden, überproportionale Zuwachsraten im Süden des Globus.
Die Eurasische Union zwischen EU und SOZ
Die Gründung der Eurasischen Union ist die neueste Wendung im Prozess einer ins Globale erweiterten Perestroika. Besorgte Fragen tauchen auf, welche Auswirkungen diese Entwicklung auf die Beziehungen zwischen der Europäischen Union und Rußland, insbesondere auf die zwischen Deutschland und Rußland haben werde...
Rußland: Zwischentöne zur Wahl
Rußland hat gewählt. Eine neue Duma wird zusammentreten. In ihr wird die „Partei der Macht“, Einheitliches Rußland, die Partei Medwedews und Putins mit 238 von 450 Sitzen zwar noch die absolute Mehrheit haben. Ein Weiter-So auf einem von einem willigen Parlament abgestützten Tandem, auf dem Medwedew und Putin nach Belieben die Plätze tauschen, wird es dennoch nicht geben.
EU-Russland-Gipfel: Kriegsbeil begraben – oder nur versteckt?
Die Serie der Überraschungen der Nach-Bush-Ära geht weiter: Nichts Angenehmes war vom EU-Russlandgipfel in Stockholm vom 18. November zu erwarten gewesen
Öl-NATO contra Gas-Russland Im Kampf um die Neuaufteilung der Welt
Kooperation oder Konfrontation mit Russland? Um diese Fragen kreisen die aktuellen politischen Debatten in der Europäischen Union und in der NATO. Zwei Strategien stehen sich gegenüber:
Auf der einen Seite forcieren die USA die Entwicklung der NATO zur Energie-NATO. Angestoßen vom EU-Neumitglied Polen wurde diese Forderung von US-Senator Luger erstmalig auf dem NATO-Gipfel in Riga 2007 öffentlich vorgetragen. Seitdem läuft innerhalb der NATO eine intensive Debatte um diese Frage. Die Entwicklung einer Energie-NATO wäre gleichbedeutend damit, Russland auf einen Rohstoff-Lieferanten zu reduzieren und seinen politischen Einfluss zu isolieren. Die Strategie fügt sich in das unipolare Konzept der US-amerikanischen Hegemonialordnung ein, wie es von Sbigniew Brzezinski in seinem Buch „Die einzige Weltmacht“ entwickelt wird. [2]
Dem steht Russlands Vorschlag gegenüber, über Gasprom eine weltweite kooperative Vernetzung von Energie-Lieferanten und Energieverbrauchen zu schaffen. Der deutsche Außenminister Steinmeier griff diesen Impuls auf der Münchner NATO-Tagung 2007 unter dem Stichwort einer Energie-KSZE auf. Es gehe darum die Kooperation von Rohstofflieferanten und Rohstoffverbrauchern, konkret Russland und EU so weit zu steigern, dass eine untrennbare gegenseitige Abhängigkeit entstehe. Dieses Konzept zielt auf aktive Einbeziehung Russlands. Es fügt sich im Übrigen in die seit Gorbatschow in der russischen Außenpolitik entwickelten Vorstellungen einer multipolaren Weltordnung ein.
Seit der NATO-Sicherheitstagung 2007 in München stehen sich die Forderungen nach einer „Energie-NATO“ und einer „Energie-KSZE“ gegenüber. Die EU ist in der Frage gespalten.
Die Geschichte der genannten Konzepte ist die Geschichte einer Eskalation.
Seit 1991 bemüht sich das „atlantische Bündnis“ unter Führung der USA aggressiv um die Neuaufteilung des zentralasiatisch-kaukasischen Raumes. Dabei ging es vorrangig um Erdöl und Erdgas, die in diesem Raum konzentriert sind. Der führende US-amerikanische Stratege Brzezinski spricht vom „Filetstück“ des „eurasischen Balkans“, auf das die USA sich den Zugriff sichern müssten. Kernstück der daraus entwickelten Strategie wurde der Ausbau eines Transportkorridors, auf dem Öl und Gas südlich des Bauches von Russland von Ost nach West befördert werden könnten, ohne durch russische, aus der Sowjetzeit noch vorhandene Röhren gehen zu müssen. Das bedeutete, Russland von Zentralasien, vom Süd-Kaukasus und vom Iran zu trennen, den russischen Schwarzmeerhafen Novorossisk, sowie die Pipelines durch Tschetschenien zu umgehen.
Die EU beteiligte sich an dieser Strategie mit den Programmen TACIS, INOGATE und TRACECA, über welche Milliarden Euro in den Ausbau der Ost-West-Transport-Infrastruktur von Usbekistan bis Europa flossen. TACIS, das ist die Abkürzung für “Technical assistance to the commonwealth on independent states”, INOGATE für “Interstate Oil and Gas Transport to Europe”, TRACECA für “Transport Corridor Europe-Caucasus-Central Asia”. Die drei Programme sind ausgelegt als Aktionsbündnisse mit den aus der Sowjetunion hervorgegangenen Staaten Zentralasiens, des Kaukasus und des Balkan (selbst Griechenland partizipierte) – nur Russland wurde expressis verbis ausgegrenzt.
Wichtigstes Ergebnis dieser Programme waren drei neue Pipelines, die unter Umgehung der bis dahin genutzten sowjetischen Transportwege gebaut wurden:
– Öl von Baku in Aserbeidschan zum Schwarzmeerhafen Supsa – seit 96 in Betrieb,
– Öl von Baku über Tiblissi nach zum Mittelmehrhafen Ceyhan in der Türkei –
„BTC“ genannt nach den drei Städtenamen, seit 2005 in Betrieb;
– Gas von Baku über Süd-Europa in die EU –“Nabucco“– geplant ab 2012.
Nicht erfolgreich war der US-Plan, eine Pipeline durch Afghanistan in den Persischen Golf zu führen. Der in den 90er Jahren gemachte Ansatz blieb in den Kämpfen mit den Mujaheddin stecken. Auch die neueren Pläne, die von Sbigniew Brzezinski kürzlich wieder ins Gespräch gebracht wurden, werden nur erfolgreich umgesetzt werden können, wenn Afghanistan schnell „befriedet“ wird.
Zeitgleich mit der Entwicklung des Ost-West-Transportkorridors unternahmen westliche Öl-Konzerne den Versuch, den innerrussischen Öl- und Gas-Markt zu „liberalisieren“, „für den Weltmarkt zu öffnen“, kurz, unter Kontrolle westlicher Konzerne zu bringen. Das geschah zum einen über Einflussnahme auf den seit 1991 privatisierten russischen Öl-Markt. Der nach-sowjetische private Öl-Konzern YUKOS wurde in de4 Jahren 2003/2004 bereits von New York aus geleitet. Yukos-Chef Chodorkowski stand vor seiner Verhaftung und vor der gerichtlichen Auflösung des Konzerns kurz vor dem Verkauf von Mehrheitsanteilen an US-Texaco.
Es geschah zum Zweiten über Versuche der EU über Verhandlungen mit Russland für eine Europäische Energiecharta, über ein gesondertes Kooperations- und Partnerschaftsabkommen und über die Entwicklung einer „strategischen Partnerschaft“ zu einer „Liberalisierung“ des Öl- und Gasmarktes zu kommen.
NATO-Erweiterung und EU-Erweiterungen flankierten diese Strategie der Einkreisung Russlands, gepuscht von den USA; die EU konnte, sehr zum Ärger der USA keine klare einheitliche Linie zur Energiepolitik gegenüber Russland finden, sondern schwankte immer wieder zwischen aktiver Beteiligung an der US-Einkreisungspolitik und langfristiger Kooperation im Rahmen einer strategischen Partnerschaft. – was u.a. dazu führte, dass die Nabucco-Pläne nur zögernd voran kamen und kommen.
Russlands Antwort
Nach Auflösung der Sowjetunion und Einleitung der Schock-Therapie der Totalprivatisierung war Russland dieser Strategie zunächst weitgehend ausgeliefert. Aus dem Gas-Ministerium der Sowjetzeit entstand Gasprom als eine undefinierbare Mischung aus alten sowjetischen und neuen privatwirtschaftlich genutzten Strukturen. In der Bevölkerung galt diese Organisation als Selbstbedienungsladen ihrer Funktionäre. Die Ölindustrie wurde zum Privateigentum weniger Oligarchien, verquickt mit ausländischem Kapital. Erst mit der Krise 98, als der IWF sich weigerte Russland mit Krediten aus der Patsche zu helfen, bzw. für Russland unannehmbare Bedingungen stellte, begann Russland sich wieder auf die eigenen Kräfte zu besinnen. Die wesentlichen Schritte sind schnell aufgezählt:
– 2002 Reform Gasproms zum internationalen Multi. Die korrupten Funktionäre der 90 Jahre werden durch Vertraute Putins ersetzt, Gasprom zu einem politischen Instrument des Staates und einer Stütze des russischen Budgets entwickelt.
– 2003/4 mit der Verhaftung Michail Chodorkowskis und der Auflösung des YUKOS-Konzerns nimmt der russische Staat auch die größten Teile der Öl-Wirtschaft wieder unter Kontrolle.
– 2005/6 wird am Plan der Ostseepipeline erkennbar, dass Gasprom die Strategie einer aktiven Vernetzung des russischen Energiemarktes mit der EU verfolgt; mit Kasachstan und Turkmenistan werden alte Verbindungen aktiviert.
– am 23. Juni 2007 schließt sich Gazprom mit dem italienischen Konzern ENI für ein Projekt einer südlichen Pipeline („South-Stream“) zusammen[4]: Sie soll vom russischen Schwarzmeerhafen Dschubga (bei Noworossisk) auf dem Grund des Meeres nach Varna an der Bulgarischen Küste führen. Der Betrieb soll ebenfalls 2013 beginnen[5].
– 2008 geht es Schlag auf Schlag: Vertrag zum Bau der „South-Pipeline“ mit Serbien im Januar 2008[6], mit Ungarn im Februar[7], mit Griechenland im April. Die Ungarn erklären, sie wollten sich sowohl an der “Nabucco“Pipeline als auch an „North-Stream“ beteiligen. Ein Joint Venture von “Nabucco“ und Gasprom unter der Bezeichnung „New Europa Transmission System“ (NETS) könne auch mit zentralasiatischen Staaten und mit Iran Verhandlungen aufnehmen. [8] Im Juli 2008 offeriert Gasprom Gaddafi den Aufkauf von Libyens Gas- und Öl-Industrie zu aktuellen Marktpreisen. [10] Mit Nigeria steht Gazprom in Verhandlungen über eine Gasleitung Richtung Europa. [11] Gasproms Partner Wintershall gewinnt Exportlizenzen in Chile und Argentinien. Zugleich wendet Gazprom sich auch nach Osten[12]: Der Konzern und Südkorea verabschieden eine Absichtserklärung auf Abschluss eines Liefervertrages von Gas mit einer Laufzeit von dreißig Jahren. Die dazu nötige Pipeline soll durch Nordkorea geführt werden. Ebenfalls im Juli 2008 verabreden Alexei Miller und Irans Präsident Ahmadinedschad zukünftige Kooperation. [13] Im Oktober erklärt Gazprom seine Absicht, ein schwimmendes AKW für die Gas-Verflüssigung werde 2011 betriebsbereit sein. [14] Zudem rechne Gasprom damit, so Miller, „unsere Positionen auf den Märkten für Gas-, Strom-, und Kohlenhandel zu festigen“ [15], d.h. ein umfassendes Netz von der Förderung bis zum Endkunden aufzubauen.
Kooperation contra Konfrontation
Zum Gipfel der G8 in St. Petersburg im Mai 2006 legte Russland den Vorschlag vor, eine globale Energiepolitik zu entwickeln. Die teilnehmenden westlichen Staaten, allen voran die USA, aber auch Deutschland brachten schwere Bedenken gegen Russlands „Anmaßung“ vor und kündigten an, ihrerseits Beschlüsse zur Liberalisierung des Energie-Weltmarktes durchsetzen zu wollen. So wurden von dem „Energie-Summit“ harte Konfrontationen erwartet. Im Ergebnis verabschiedete der Gipfel überraschend einen „Aktionsplan“ zur „globalen Energiesicherheit“, in dem alle Widersprüche in einem einstimmigen Programm aufgehoben schienen. Nur ein halbes Jahr später, 26.11.2006 forderte US-Senator Luger beim NATO-Gipfel in Riga die Entwicklung einer Energie-NATO, die nach § 5 des NATO-Bündnisvertrages eingreifen müsse, wenn Gas- oder Öllieferungen mit erpresserischer Absicht unterbrochen würden. Auch eine befürchtete „Gas-OPEC“ geriet ins Schussfeld: „Am 22. Mai 2007 verabschiedete das US-Repräsentantenhaus ein Gesetz (H.R. 2264), mit dem Ländern, die per Kartell die Ölpreisbildung beeinflussen, mit Sanktionen und Klagen in den USA gedroht wird“ – das sog. „NOPEC“-Gesetz.
Die Erfolge Gasproms bei der Aufweichung des „atlantischen“ Transportkorridors dürften auch als Hintergrund für die Eskalationen im Kaukasus im August 2008 zu sehen sein. 17] „Die wachsende Abhängigkeit Europas von Energie und Infrastruktur Russlands“ sei „ein negativer geopolitischer Trend“ war im November 2007 aus der Neo-konservativen Heritage-Foundation zu hören. Er berühre die Interessen der USA in wichtigen geopolitischen Punkten „wie die NATO Ausweitung in die Ukraine und Georgien, die Raketenabwehr, den Kosovo, und den US sowie europäischen Einfluss im nachsowjetischen Raum.“ [18]
Im Juli 2008 erneuerte Richard G. Lugar seine Offensive[20]. Bei einer Anhörung im „Komitee für Auslandsbeziehungen der USA“ beschwor er aufs Neue die europäische Abhängigkeit von Russlands Energieliefungen: Die „atlantische Gemeinschaft“ müsse sich deswegen auf die Fertigstellung des Ost-West-Korridores konzentrieren. Das atlantische Bündnis dürfe „die Fortschritte, die in Aserbeidschan und in Georgien gemacht wurden, nicht für garantiert halten. Um ein Maximum an Nutzen aus der Baku-Tiblissi-Ceyhan und der Süd Kaukasus Pipeline zu holen“ müsse „die transatlantische Gemeinschaft fortfahren die demokratische Transformation im Kaukasus zu unterstützen.“ Und drittens müssten „widerspenstige europäische Regierungen (…) davon überzeugt werden, dass ihrer langfristigen Sicherheit mit der “Nabucco“Pipeline gedient“ werde.
Brzezinski, gleichfalls Teilnehmer des Hearings, assistierte mit der Behauptung, den Behörden der USA lägen Beweise über „Drohungen Russlands gegen Georgien“ (vor), „die nicht durch territoriale Dispute motiviert seien, obwohl es die durchaus gebe, sondern ihre Ursache liege darin, die Kontrolle über die Baku-Ceyhan-Pipeline zu übernehmen.“ [21]
Nur ein paar Wochen später hatte Saakaschwili den georgischen Krieg ausgelöst, den er u.a. damit rechtfertigte, Russland habe die BTC-Pipeline bombardieren wollen.
Nach dem Krieg wurde Brzezinski noch deutlicher: „Unglücklicherweise“, erklärte er in der „Welt“ [22], habe Putin „Russland einen Kurs einschlagen lassen, der in erschreckender Weise dem von Stalin und Hitler in den 1930er Jahren sehr ähnlich“ sei. Wenn Russland diesen Kurs fahre, müsse es isoliert und aufgehalten werden, „indem man eine kollektive, globale Reaktion initialisiert.“ Sanktionen seien nötig. Rücksicht auf Putin sei „kontraproduktiv“.
Unter den Bedingungen der globalen Systemkrise entspannte sich die Konfrontation vorübergehend. Auf der Müncher „Sicherheits“-Tagung 2009 standen andere Themen im Vordergrund, insbesondere der Wiedereintritt der USA ins internationale Bündnissystem. Zudem ist Gasprom durch den Preisverfall bei Öl- und Gas vorübergehend geschwächt. Ein neues Anziehen der Öl- und Gaspreise und damit die Aktualisierung des Wettlaufes um die kaukasischen und zentralasiatischen Ressourcen ist jedoch unausweichlich.
veröffentlicht in: „Neues Deutschland“