Kategorie: Forum Integrierte Gesellschaft

Schafft ein, zwei, drei viele Allmenden
Das „Forum integrierte Gesellschaft“ ist ein offener Gesprächskreis, mit dem Ziel kritische Menschen aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen und mit unterschiedlichen Weltsichten in lebensdienlichen Austausch zueinander zu bringen. Die Treffen finden in lockerer, freundschaftlicher Atmosphäre statt.

Aufgaben Deutschlands, Aufgaben in Deutschland in der allumfassenden Krise!

Schafft ein, zwei, drei viele Allmenden

Bericht vom 57. „Forum integrierte Gesellschaft“

Einladung zum kommenden am 1. Mai.

 

Das „Forum integrierte Gesellschaft“ ist ein offener Gesprächskreis, mit dem Ziel kritische Menschen aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen und mit unterschiedlichen Weltsichten in lebensdienlichen  Austausch zueinander zu bringen. Die Treffen finden in lockerer, freundschaftlicher Atmosphäre statt.

 

Liebe Freundinnen und Freunde des Forums.

 

Der heutige Bericht fällt noch knapper aus als der letzte. Der Grund ist ein doppelter: Eine Berichterstattung zu dem Treffen war wegen längeren Aufenthaltes des Berichterstatters in Russland, zweitens wegen dessen Krankheit nicht zu schaffen. Deshalb jetzt in aller Kürze:

Die Frage des letzten Treffens: „Was kann, was muss unsere Aufgabe in Deutschland angesichts der geistigen Herausforderung durch die globale Krise, durch die europäische Krise, durch Phänomene wie den „IS“ heute sein?

Unsere Annäherung: Konzentration auf eine Erneuerung der „europäischen Werte“  von unten – soll heißen in Auseinandersetzung mit deren Ver- und Missbrauch durch die „Politik“. Wiederanknüpfen an der geistigen Tradition des deutschen Idealismus vor dem Aufbruch Deutschlands zum Inperialismus und vor  dem Weltkriegsjahrhundert, sowie vor  der Verballhornung dieser Werte zu einer von „oben“ und „außen“ gestifteten Formaldemokratie nach 1945, an welcher die Bevölkerung demnächst nur noch per Knopfdruck am Laptop teilnehmen wird…

Diesem Niedergang gilt es entgegenzutreten, die historischen Impulse – grob gesprochen, beide Pole: Goethe hier, Faschismus da – gleichermaßen als Erbe anzunehmen, um so zu einem geistigen Vermögen, einer Vision und daraus hervorgehend zu einem politischen Instrument für die Stärkung, den Aufbau, die Entwicklung einer Gesellschaft selbstbestimmter Individuen zu kommen. (Wer dazu mehr lesen möchte, kann in den Forums-Berichten auf der Website www.kai-ehlers.de der letzten Zeit oder in ihren/seinen eigenen Berichten) ein wenig zurückblättern.)

Vor dem Hintergrund dieses Standes unserer Runde entschlossen wir uns zu einem Sprung in die Praxis über den Forums-Kreis hinaus zu wagen.

So wird das kommende Forum sich mit der in den letzten Monaten vorgestellten Inititiave „VVV“ (Verfassung vom Volk“ beschäftigen (http://www.verfassung-vom-volk.org ). Unser Wunsch ist in Hamburg einen Versuch eines öffentlichen Wirkens mit Ihnen zusammen zu starten. Das Thema „VVV“ wird also auf der kommenden Tagesordnung des Forums stehen.

Treffen zur Erarbeitung um die VVV-Initiative

  1. Mai, 16.00 am bekannten Ort. Achtung:

***** Aus Gesundheitsgründen könnte es so kommen, dass der Termin verschoben werden muss. Bitte deshalb vor Aufbruch zum Treffen überprüfen, ob der Termin weiter steht. Wenn keine Absage kommt – steht er. ******

Und noch dies:

Wer an der Erarbeitung und  möglichen Umsetzung teilnehmen will, ist herzlich eingeladen. Mail genügt: info@kai-ehlers.de (Achtung: Treffen in Hamburg)

 

Im Namen des Forums integrierte Gesellschaft,

Kai Ehlers

 

 

 

 

„Islamischer Staat“ – eine Herausforderung zur geistigen Erneuerung?

Schafft ein, zwei, drei viele Allmenden
Bericht vom 55. „Forum integrierte Gesellschaft“, Sonntag, d. 13. 03. 2016

Das „Forum integrierte Gesellschaft“ ist ein offener Gesprächskreis mit dem Ziel kritische Menschen aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen und mit unterschiedlichen Weltsichten in lebensdienlichen Austausch zueinander zu bringen. Die Treffen finden in lockerer, freundschaftlicher Atmosphäre statt.

Thema war:
„Islamischer Staat“ – eine Herausforderung zur geistigen Erneuerung?

Guten Tag, liebe Freundinnen, liebe Freunde
des „Forums integrierte Gesellschaft“

Wir haben das oben angegebene Thema ausführlich, intensiv diskutiert und viele Anregungen für eine weitere Befassung mit den darin liegenden Grundfragen gewonnen. Dieser Bericht kann allerdings aus persönlichen gesundheitlichen Gründen nicht in der Ausführlichkeit kommen wie üblich.
Ich werde es bei einer sehr knappen Zusammenfassung lassen müssen (diesmal aus Zeitgründen auch ohne Christoph), die aber hoffentlich zumindest umreißt, worum es uns ging und worum es unseres Erachtens gehen sollte.

Also zum Thema:
Der heutige Terrorismus ist selbstverständlich nicht mit Bomben aus der Welt zu schaffen. Bomben gegen den „Islamischen Staat“ können den „IS“ als ein Symptom des Terrorismus eindämmern; zur Wurzel des Phänomens dringen sie nicht vor. Erforderlich ist eine vorurteilslose Diagnose, eine Differenzierung der Spuren, die im Terrorismus zusammenkommen. Monokausale Begründungen müssen vermieden werden – um auf diese Weise vielleicht zu einer – ebenfalls zu differenzierenden – globalen Therapie dieses Übels zu kommen.

Ich skizziere hier nur die Hauptpunkte, die wir im Gespräch hatten:

1. Die islamische Spur:
Auch wenn klar ist, das „Islamischer Staat“ und Islam nicht identisch sind, selbst wenn klar ist, dass es d e n Islam nicht gibt, sondern diverse Konfessionen im Lauf der Geschichte ebenso wie heute, muss doch genau hingehört werden, wie der „IS“ sich aus dem Koran herleitet. Dazu dürfte es angebracht sein, den Koran in einer authentischen Übersetzung selbst einmal anzuschauen und sich die Begründungen der “IS“-Ideologen, wie auch der aus dem Islam kommenden wie auch zugelaufenen Mitglieder anzuhören – und ihre Motive ernst zu nehmen, statt sie ängstlich beiseite zu schieben.
Aus dieser Wahrnehmung sticht – abgesehen von allen Unstimmigkeiten und brutalen Verkürzungen – zumindest ein Stichwort als besonders bemerkenswert hervor, dass nahezu in jeder Sure des Koran auftaucht – gleich, wie es dann interpretiert wird, nämlich: der Koran versteht sich als „letzte“ Warnung zur Offenbarung des wahren, des e i n e n Gottes zurückzukehren, dessen Botschaft durch Judentum und Christentum verfälscht, vergessen und verraten worden sei. Er ist der apokalyptische Zeigefinger: Wer nicht die Warnung nicht hören will, fällt der ewigen Verdammnis anheim. – Die Dogmatisierung dieses Zeigefingers führt unmittelbar in den „IS“.

2. Die koloniale Spur:
Zweifellos resultiert aus der Geschichte eine vielfache anti-kolonialistische, anti-europäische Dynamik, die sich in mehreren historischen Schüben aufgebaut hat: Der Untergang des ersten großen Muslimischen Kulturraums im Mongolensturm des 12. Jahrhunderts, während Europa zur gleichen Zeit aufstieg. Die darauf folgende Konkurrenz Europas mit dem als Osmanisches Reich wiederentstandenen zweiten muslimischen Kulturraum, die mit der Kolonisierung eines zurückbleibenden Osmanischen Reiches, ja mit dessen Auflösung und Besetzung nach dem ersten Weltkrieg endete. Die Neo-koloniale Phase nach dem zweiten Weltkrieg, in dem die muslimische Welt Ausbeutungsobjekt unter der Vorherrschaft des westlichen Imperialismus wurde – und sich jetzt davon befreien möchte, müsste, sollte, könnte…. Die Erinnerung an einstige Größe und Erniedrigung bringt starke Kräfte der Rückbesinnung hervor, die sich in einer widersprüchlichen Haltung zur „Modernisierung“ outen.

3. Die Spur der „Überflüssigen“:
Heute leben auf dem Globus ca. acht Milliarden Menschen, 2020 könnten es nach übereinstimmenden Schätzungen neun bis zehn Milliarden sein. Zwar flacht sich die a b s o l u t e Zunahme der Weltbevölkerung ab, dafür hat sich eine Disproportion zwischen einer rasant weiter anwachsenden Bevölkerungszahl im globalen Süden und den alternden nördlichen Industriestaaten herausgebildet. Das hat zu einem überproportional anwachsenden Teil junger Menschen in diesen Ländern geführt, während die Bevölkerungszahlen der Industriestaaten schrumpfen. Diese jungen Menschen drängen, wenn sie auf Grund der neo-kolonialen Zerstörung der örtlichen Wirtschaften keinen Ort der Verwirklichung in ihren Ländern finden und nicht aufgehalten werden, notwendigerweise nach Norden. Zusammen mit den auch in den alten Industrieländern selbst durch die Automatisierung aus ihren Arbeitsplätzen verdrängten Menschen sammelt sich ein zusammengesetztes Prekariat „Überflüssiger“, an den Rand Gedrängter, die in der herrschenden Welt- und Gesellschaftsordnung keinen Platz mehr für sich finden – außer wenn diese Gesellschaft gesprengt, zerstört, geöffnet wird.

4. Die geistige Krise:
Der Zusammenbruch der sozialistischen Utopie(n) und die Unfähigkeit der darauf folgenden globalen Kapitalisierung zu neuer Sinnstiftung haben eine geistige Heimatlosigkeit hinterlassen, die nach neuer Ganzheitlichkeit verlangt, Angst vor dem Clash, vor der Apokalypse etc. Der Islam könnte eine solche neue Ganzheitlichkeit in seiner Form des alles umgreifenden E I N E N anbieten. Der dogmatische Islamismus verengt das Einheits-Angebot des Islam jedoch auf die Grenzen von Auserwählten, die sich durch die Zerstörung der nicht mehr zu rettenden Welt zu retten versuchen, indem sie die Apokalypse für sich selbst inszenieren – statt sich in die übergreifende, die Grenzen des Monotheismus, auch des muslimischen, überschreitende geistige Entwicklung zu stellen, die alle weltanschaulichen, religiösen und spirituellen Impulse in einen offenen, lebendigen, kosmologischen Zusammenhang bringt.

Hier beginnt das Hören, Sehen, Nachdenken und Erleben neuer Zusammenhänge von Wissen und Glauben, die über monotheistische, vor- und außermonotheistische Weltsichten hinausgehen, und das Nachdenken über deren möglichen zukünftigen gesellschaftspolitischen und sozialen Ausdruck selbstverständlich erst. Dies soll und muss aber an dieser Stelle so offen bleiben – und das nicht nur aus gesundheitlichen Gründen (wie oben angemerkt), sondern auch, weil es offen ist und bleiben muss, da es nur als Prozess des Erkennens und Bemühens verstanden werden kann. Nur aus einem erneuerten Geist können für die oben genannten Spuren lebensfördernde Lösungen gefunden werden. Das ist sicher.

Stichworte zum Thema auf der Website: www.kai-ehlers.de
– Buch: „Die Kraft der ‚Überflüssigen‘,
– Zum Islam: Themenheft „Modell Kasan“, Texte: „Modell Kasan.“

***
Ergänzung (nach der ersten Verschickung):
Nicht vergessen werden darf selbstverständlich – wenn auch dies bitte nicht monokausal zu verstehen ist – dass der„IS“ wie auch verwandte Terrortruppen ein unmittelbares Produkt westlicher, von den USA ausgehender globaler Politik sind. Sie werden benutzt die Welt durch Fragmentierung und Schüren von allgemeiner Unsicherheit für die US-Hegemonie beherrschbar zu halten.

Unser nächstes Treffen findet statt am:

03.04. 2016, Beginn 16.00 Uhr

Als Thema haben wir uns gestellt:
Welche Rolle kann Deutschland für die heute notwendige geistige und soziale Erneuerung einnehmen?
Anmeldung erwünscht unter info@kai-ehlers.de
Und wie immer mit Kleinigkeiten zum Knabbern.

Grüße an alle,
im Namen des „Forums integrierte Gesellschaft“
Kai Ehlers

Krise des Nationalstaats – als Aufforderung zur geistigen Erneuerung

Aus der Befassung mit dem soeben in deutscher Fassung erschienenen Tschuwaschischen Nationalepos: „Ylttanbik – der letzte Zar der Wolgabolgaren – Verschiebung der Mitte der Welt im Mongolensturm des 13. Jahrhunderts“ sowie dem schon 2011 erschienenen Epos „Attil und Krimkilte – das Tschuwaschische Epos zum Sagenkreis der Nibelungen“ auf dem zurückliegenden Treffen des „Forum integrierte Gesellschaft“, blieb – über den Lesegewinn hinaus – die Frage zurück, welchen Sinn und welche Funktion „nationale Wiedergeburt“ in einem Staat wie Russland heute, welche Rolle genereller Nation, Nationalstaat und überhaupt die völkerrechtlich festgeschriebene nationalstaatliche Grundordnung in der gegenwärtigen Krise hat.
Die neue Weltordnung, die im Zuge des ersten und des zweiten Weltkriegs auf den Trümmern der Vielvölkerdynastien Habsburgs, des Osmanischen Reiches, die in der Nachfolge des englischen Commnonwealth, des Übergangs des russischen Vielvölkerreiches in eine Union der Sowjetrepubliken als nachkoloniale zukünftige Völkerordnung selbstbestimmter Nationalstaaten konzipiert wurde, begleitet vom Aufkommen der USA, später der EU, zerfällt heute in eine, paradox formuliert, fragmentierte Globalisierung – wenn die Konzeption einer stabilen internationalen Ordnung von souveränen Nationalstaaten überhaupt jemals mehr wurde als ein Plan.
Sicher ist allein: Die Erhebung des Nationalstaats zur herrschenden Doktrin der modernen Völkerordnung schnürte die Unterschiede der Staatsformen in ein definitorisches Korsett ein, das die tatsächlichen Machtverhältnisse in dem so entstandenen internationalen Staatengeflecht zum Nutzen der dominanten Mächte formierte und diese Realität zugleich kaschierte.
Um es nur anzudeuten: Unter die Norm des Nationalstaats fallen heute so unterschiedliche Formen wie die mit dem Lineal gezogenen Gebietsaufteilungen zwischen den ehemaligen Kolonialgebieten, die ungeachtet gewachsener Raum- und Kultureinheiten zu „souveränen Staaten“ erklärt wurden, wohl wissend, dass damit Abhängigkeiten von den ehemaligen Kolonialländern erhalten blieben und so Konflikte implantiert wurden, die ein „teile und herrsche“ auch für die Zukunft garantieren sollten.
Die derart schon bei ihrer Geburt um ihre Souveränität gebrachten Nationen liegen heute als politische und soziale Minenfelder über den Globus verteilt. So im gesamten vom Westen dominierten nachkolonialen Raum; so in anderer Form auch innerhalb des nachsowjetischen Raums. Die Reihe sog. „eingefrorener“, dazu die der potentiellen Konflikte breitet sich zurzeit mit großer Geschwindigkeit über den Globus aus.
Und weiter: Als Nationalstaaten galten und gelten auch die multinationalen „Supermächte“ der USA, der UdSSR, sowie neuerdings der EU, ebenso die nach wie vor bestehenden Vielvölkerstaaten Russland, Indien, China, Brasilien, um nur einige der wichtigsten zu nennen.
Ein neues Kapitel eröffnen schließlich fundamentalistische Bewegungen wie der „Islamischen Staat“, die den Anspruch stellen, den Nationalstaat durch einen Gottesstaat ersetzen zu wollen, welcher die Grenzen bisheriger säkularer Staatlichkeit überhaupt überschreitet.
Was, bitte sehr, ist angesichts dieses scheckigen Bildes heute noch der Nationalstaat? Zurückhaltend gesprochen sind Definitionen wie „Nationalstaat“, mehr noch „Nation“ oder gar „Nationalismus“ dynamisch, offen für Interpretationen, entwicklungsfähig; schärfer betrachtet, erscheinen die Grenzen dieser Definitionen diffus und in ihrer Unbestimmtheit latent konfliktträchtig. Das gilt nicht nur für die Außenbeziehung dieser Gebilde, deren Hoheitsansprüche sich auf diversen Gebieten immer wieder überlagern. Es gilt auch für die Merkmale, auf welche die Nationen selbst gegründet, bzw. dafür, wie sie gewaltsam zusammengesetzt wurden; ethnische, sprachliche, historische, geografische, ideologische Elemente sind darin eingegangen. Diverse Mischungen von Nationalstaaten sind darüber hinaus anzutreffen. Dazu kommen politische Strukturen, die ein gleitendes Spektrum von autoritärem Zentralismus bis hin zu demokratischen Verhältnissen abdecken.
Nur eins ist am Ende all diesen Erscheinungsformen des heutigen Nationalstaates als kleinster Nenner gemeinsam: der Anspruch des staatlichen Definitions- und Machtmonopols gegenüber den in ihren Grenzen jeweils lebenden Bevölkerungen, in dem sämtliche Funktionen des gesellschaftlichen Lebens unter der Herrschaft der Ökonomie, genauer der profitorientierten Kapitalverwertung zusammenlaufen. Alle anderen Lebensimpulse, einschließlich der geistigen, kulturellen und moralischen sind dieser Dominanz der staatlichen Kapitalverwaltung unter- und nachgeordnet.
Zwar sind die Staaten – im günstigsten Fall – nach Judikative, Legislative und Exekutive in sich differenziert. Über ihren Anspruch des staatlichen Machtmonopols als kleinster gemeinsamer Nenner sind die Staaten jedoch – allen anderen Beteuerungen auf Mitwirkung der Bevölkerungen zum Trotz – der Souveränität der in ihren Grenzen lebenden Menschen als unausweichlicher, ggfls. mit Zwang bewehrter Imperativ entgegengestellt: Wer im Rahmen dieses Machtmonopols lebt, ist Staatsbürger einer Nation, die sich durch ihre souveränen Hoheitsansprüche von anderen Staaten abgrenzt.
Soweit gekommen wird sichtbar, dass selbst diese Kern-Definition von Nationalstaat heute tendenziell keine Gültigkeit mehr hat, wenn sie inzwischen in der Praxis zunehmend durch supra-nationale Monopole, Korporationen, globalisierte Kapitalflüsse, transnationale Abkommen wie CETA, TTIP usw. nicht nur ausgehebelt, sondern praktisch in deren Dienste gestellt wird.
War die Existenz einer völkerrechtlich geschützten i n t e r – n a t i o n a l e n stabilen Ordnung gleichberechtigter souveräner Nationen schon bei ihrem Entwurf eine Fiktion, so ist sie inzwischen nicht einmal mehr eine Fiktion, sondern selbst in Bezug auf das selbstbestimmte Machtmonopol als dem kleinsten gemeinsamen Nenner für die Definition des Nationalstaat auf ein Niveau heruntergekommen, auf dem Versuche zur Rettung des Nationalstaats zum einen und die brutale Mißachtung nationalstaatlicher Souveränität zum anderen sich gegenseitig zu wachsenden Konflikten aufzuschaukeln.
Hier kurz eine Erinnerung an die aktuellsten Symptome dieser widersprüchlichen Eskalation:
Die Ukraine: Mit Gewalt soll in einer nachholenden Entwicklung ein nationaler Einheitsstaat entstehen, wo eine föderale Beziehung autonomer Regionen die einfachste Lösung wäre. Faktisch entsteht hier ein weiterer „eingefrorener Konflikt“.
Syrien: Die völkerrechtlich festgeschriebene Souveränität eines Staates wird von einer Koalition der Willigen unter Führung der USA brutal beiseitegeschoben wie zuvor schon und parallel dazu auch in anderen Staaten ehemaligen „Entwicklungsgebieten“ der Welt. Nur Russland besteht auf Einhaltung der Souveränität.
Die EU: Überwunden geglaubter Nationalismus entwickelt in dem Moment seine erneute Sprengkraft, in dem die EU sich als supranationale Fortsetzung des Nationalstaats entpuppt, statt als Bündnis gleichberechtigter Regionen.
Die geplanten Handelsabkommen: Mit TTIP/TTP, CETA u.ä. macht das globale Finanzkapital Anläufe dazu die Souveränität der Nationalstaaten (sowohl der direkt beteiligten wie auch der von den möglichen Auswirkungen als Dritte betroffenen) auszuhebeln und sich zu unterwerfen.
Und schließlich, schon benannt, doch wichtig genug hier noch einmal in die Reihe gestellt zu werden, Phänomene wie der „Islamische Staat“, die eine völkerrechtliche Nationalstaatlichkeit durch den rechtlich nicht begrenzten Anspruch eines Gottesstaates ersetzen wollen.
Die Konflikte entwickeln sich scheinbar in unterschiedliche Richtungen – verspätete Nationenbildung hier, Renationalisierung, Rückkehr zu Nationalismen, „eingefrorene Konflikte“, die jederzeit aufgetaut werden können dort – der Kern der Konflikte ist jedoch immer der gleiche: die nicht vorhandene, bedrohte oder nicht anerkannte nationale oder mit Gewalt erzwungene Souveränität. Eine Lösung ist nicht in Sicht. Alle Versuche der Erneuerung müssen zudem folgenlos bleiben, solange der Widerspruch zwischen propagierter nationaler Souveränität und tatsächlicher Unterordnung unter globale ökonomische Fremdbestimmung nicht gelöst wird, genauer gesprochen und eine Etage tiefer gestochen, solange Idee und Realität des Nationalstaats in der heutigen Form eines von der Ökonomie determinierten Machtmonopols weiter unverändert bestehen bleibt.
Selbst aufrichtige, zumindest als Krisenmanagement ernst gemeinte Versuche die Nationalstaatsordnung durch verstärkte Propagierung der vor allem seitens der USA bedrohten nationalen Souveränität zu stützen, wie es Russland zur Zeit in Syrien tut, selbst der aktivste „Werte-Export“, mit dem der Westen die Ukraine zu einem demokratischen Nationalstaat erheben möchte, ja selbst Initiativen von Bürgern und Bürgerinnen für mehr Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in der heutigen Politik ihrer Länder und im internationalen Geschehen, etwa für eine Reform der Vereinten Nationen, bleiben in dem Chaos der Nationalstaatsbeziehungen hängen, solange kein neues Verständnis von Selbstbestimmung gefunden wird, das die Definition von Souveränität als ökonomisch dominiertes Machtmonopol des Staates über „seine“ Bürger und folgerichtig der mächtigeren „Nationalstaaten“ über die weniger mächtigen, über die „failed states“, die „eingefrorenen“ und die potentiellen Konflikte, den schwächeren Konkurrenten usw. hinter sich lässt.

Was ansteht, ist die Entwicklung eines neuen Verständnisses von Staat, die Öffnung, klarer gesprochen, die Sprengung des gegenwärtigen nationalstaatlich definierten staatlichen Machtmonopols in gesellschaftliche Bereiche, die ihre eigenen Belange selbstbestimmt in Kooperation mit anderen Bereichen auf der Basis echter Selbstbestimmung der Bürger und Bürgerinnen und ihrer Basis-Gemeinschaften und Gemeinden entwickeln und verwalten und so ihren Gesamtzusammenhang bilden, ist darüber hinaus die Öffnung in eine Zukunft föderal miteinander verbundener, selbstbestimmter autonomer Länder und Regionen und eine dem folgende globale Ordnung.

Aber wie ist das anzufassen, worauf können, worauf müssen die Impulse für eine geistige Erneuerung sich richten, wenn nicht Initiativen, Reformen, Aufrufe zu mehr Beteiligung, mehr Demokratie, zu einer Ordnung der Vielfalt etc. etc. immer wieder im herrschenden Verständnis und der ermüdenden Wirklichkeit des nationalstaatlichen Machtmonopols hängenbleiben oder von ihm abgeschmettert werden sollen – und: ohne dass andererseits totalitäre Auswege wie die des „Islamischen Staates“ gesucht werden, die ganzheitliche Lösungen aus der jetzigen Malaise vorgaukeln?

Über diese Frage soll beim nächsten Treffen des Forums gesprochen werden und zwar ausgehend von der – zugegebener Maßen – provokativ gestellten Frage, die uns direkt ins Herz des Problems hineinführen wird:

„Islamischer Staat“ – eine Herausforderung zur geistigen Erneuerung?

Treffen: Sonntag, den 13. 03. 2016, Beginn 16.00 Uhr

Anmeldung erwünscht unter info@kai-ehlers.de
Und wie immer mit Kleinigkeiten zum Knabbern.

Kai Ehlers, Christoph Sträßner

Link zu den oben genannten Büchern: in www.lai-ehlers.de

  1. Ylttanbik – letzter Zar der Wolgabolgaren…
  2. Attil und Krimkilte …

Vorstellung des Epos „Ylttanbik – der letzte Zar der Wolgabolgaren.“ Gespräch zur Geschichte von unten, zur Frage der „nationalen Wiedergeburt“, zum Vielvölkerstaat und zur Krise des Nationalstaats.

Schafft ein, zwei, drei viele Allmenden
Bericht vom 51. „Forum integrierte Gesellschaft“ am Dienstag, 17. Januar 2016

Das „Forum integrierte Gesellschaft“ ist ein offener Gesprächskreis, mit dem Ziel kritische Menschen aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen und mit unterschiedlichen Weltsichten in lebensdienlichen Austausch zueinander zu bringen. Die Treffen finden in lockerer, freundschaftlicher Atmosphäre statt.

Teilnehmer/innen waren:
Eike, Christoph, Frederike, Günther, Kai, Lilo, Hannes, Hartmut, Mechthild, Sabine, Susanne, Wiebke.

Vorstellung des Epos „Ylttanbik – der letzte Zar der Wolgabolgaren – (Tschuwaschisches Epos) Verschiebung der Mitte der Welt im Mongolensturm des 13. Jahrhunderts.“
Daran anschließend Gespräch zur Geschichte von unten, zur Frage der „nationalen Wiedergeburt“, zum Vielvölkerstaat und zur Krise des Nationalstaats.

Mitte Januar erschien die deutsche Übersetzung des tschuwaschischen Epos „Ylttanbik – der letzte Zar der Wolgabolgaren.“, Untertitel: „Verschiebung der Mitte der Welt im Mongolensturm des 13. Jahrhunderts“ auf dem deutschsprachigen Buchmarkt. Herausgeber Kai Ehlers zusammen mit Christoph Strässner und Eike Seidel, Verlag „Rhombos“, 39,80 €. Continue reading “Vorstellung des Epos „Ylttanbik – der letzte Zar der Wolgabolgaren.“ Gespräch zur Geschichte von unten, zur Frage der „nationalen Wiedergeburt“, zum Vielvölkerstaat und zur Krise des Nationalstaats.” »

Epos Ylttanbik noch in der Post. Nächstes Mal – Ylttanbik, Vielvölkerstaat, Nationalstaat

Schafft ein, zwei, drei viele Allmenden
Bericht vom 51. „Forum integrierte Gesellschaft“ am Sonntag, 19.12.2015

Das „Forum integrierte Gesellschaft“ ist ein offener Gesprächskreis, mit dem Ziel kritische Menschen aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen und mit unterschiedlichen Weltsichten in lebensdienlichen Austausch zueinander zu bringen. Die Treffen finden in lockerer, freundschaftlicher Atmosphäre statt.
Liebe Freundinnen, liebe Freunde des Forums integrierte Gesellschaft,

Dies wird ein sehr kurzer Bericht. Der Vorweihnachtszeit und dem der damit verbundenen Tatsache geschuldet, dass das Buch „Ylttanpik – der letzte Zar der Bolgaren.“, das Epos über die Verschiebung der Mitte der Welt durch den Sturm der Mongolen, das wir heute besprechen wollten, kam leider nicht rechtzeitig vom Drucker aus Polen…

Wir haben es daher bei diesem Treffen bei einem allgemeinen Vor-Weihnachts-Check zur Lage belassen und werden uns das nächste Mal mit dem Epos und seiner Geschichte befassen. Dabei wollen wir die Gelegenheit wahrnehmen, die Geschichte und die Gegenwart des Vielvölkerstaates Russland anzuschauen und der Frage nachzugehen, ob man diesen Staat als Nationalstaat bezeichnen kann. Damit werden wir dann mitten in den aktuellen politischen Geschehnissen landen.

Die Buchanzeige mit Klappentext könnt Ihr auf der Website www.kai-ehlers.de lesen. Das Buch selbst wird beim nächsten Mal vorliegen.

Thema also:
Vorstellung des ins deutsche übertragene und historisch kommentierte tschuwaschischen Epos
„Ylttanpik – der letzte Zar der Bolgaren und Debatte um die Frage, ob der russische Vielvölkerstaat ein Nationalstaat ist oder ob das Zusammenleben in ihm und auch mit ihm anderen Regeln folgt.

Wir treffen uns am 17. Januar 2016 um 16.00 am üblichen Ort.
Interessierte können den Ort unter info@kai-ehlers.de erfragen.

Ich wünsche Euch und uns allen einen guten Übergang ins neue Jahr.

Im Namen des Forums integrierte Gesellschaft,
Kai Ehlers, Christoph Sträßner

Forum integrierte Gesellschaft: Flüchtlinge – „an die Wurzel gehen…“

Schafft ein, zwei, drei viele Allmenden
Bericht vom 50. „Forum integrierte Gesellschaft“ am Sonntag, 15.11.2015

Das „Forum integrierte Gesellschaft“ ist ein offener Gesprächskreis, mit dem Ziel kritische Menschen aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen und mit unterschiedlichen Weltsichten in lebensdienlichen Austausch zueinander zu bringen. Die Treffen finden in lockerer, freundschaftlicher Atmosphäre statt.
Thema:
Flüchtlinge – „an die Wurzel gehen…“

Inzwischen, liebe Freunde und Freundinnen, man mag es kaum noch zum wiederholten Male aussprechen: Den Ursachen, warum Menschen zu Zehntausenden und in zunehmender Zahl ihre Heimat verlassen ist nicht mit Aufforderungen an die Türkei, die Grenzen zu schließen, ist nicht mit schnellerer „Abfertigung“ an den Grenzübergängen, selbst nicht mit Reduzierung der deutschen „Willkommenskultur“ durch Leistungskürzungen für die Flüchtlinge u.ä. beizukommen, sondern …ja, wo hört man, wo liest man etwas über dieses „Sondern“ ?

Selbstverständlich muss den Menschen, wenn sie einmal hier sind, geholfen werden. Man lässt ein Kind ja schließlich nicht im Bade ertrinken, wenn es einmal hineingefallen ist. Darüber kann es „eigentlich“ keine zwei Meinungen geben. Man kann es sich auch ersparen, den Abgründen nachzugehen, die sich hinter dem Wörtchen „eigentlich“ auftun. Es findet sich bei gutem Willen und warmem Herzen immer ein Plätzchen, um das Kind in Sicherheit zu bringen. Es finden sich, anders gesagt, allen Unkenrufen über die selbstsüchtige Jugend und die selbstzufriedenen Alten in Deutschland zum Trotz immer noch Tausende Menschen, die bereit sind, den nach Hoffnung auf ein ruhigeres Leben lechzenden Flüchtenden zu helfen. Hier liegt, auch wenn das Geschrei über die angebliche Überforderung Deutschlands zurzeit sehr schrill klingt, nicht das Problem. Zu anderen Zeiten hat man noch ganz andere Opfer gebracht und Deutschland hat es überlebt.

Das Problem liegt in der schamlosen Unverfrorenheit, mit der die Regierenden der Bevölkerung das Auffangen der Flüchtenden aufbürden – während sie zur gleichen Zeit fortfahren – und das noch in zunehmendem Maße – ehemalige Kolonien, heute selbstständige Nationalstaaten, über Kredit- und Schuldenpolitik in Abhängigkeit und unter Druck zu halten, deren lokale Wirtschaften mit subventionierten Dumping-Exporten zu strangulieren und letztlich, wenn daraus Revolten hervorgehen, militärisch zu intervenieren – ganz zu schweigen von den Waffenexporten in die so entstandenen Krisengebiete.

Solange diese Politik, an der Deutschland an der Spitze der EU führend beteiligt ist, nicht einem grundsätzlichen Revirement unterworfen wird, wird die Flut derer, die ihr Heil in der Flucht nach Norden oder in andere Teile der „entwickelten“ Welt suchen, nicht abnehmen, sondern weiter anwachsen – sagen wir es unumwunden: wird die Flut der Migrationsbewegungen als neuer Verteilungskampf über die Ufer der gegenwärtigen Weltordnung treten und die heutige Eskalation extremer Ungleichheit mit sich reißen.

Also – was tun? Die Geschichte lehrt uns, wenn wir bereit sind zu lernen, dass solche Situationen, in denen eine gesellschaftliche Minderheit vom Elend einer großen Mehrheit lebt, zwar lange gestreckt werden können. Anders gesagt, die Wellen der Empörung laufen über weite Strecken des Meeres allmählich heran, immer wieder niedergedrückt von kurzfristig aufkommenden Wetterumschwüngen, bis sie aber irgendwann dann doch zu großen Brechern auflaufen. Nehmen wir die letzten großen zurückliegenden Revolutionen:

Die Französische Revolution kündigte sich lange vor dem Sturz Ludwigs XVI. in den Schriften und Polemiken der französischen Aufklärer an. Ihre durchschlagende Wucht, die die Strukturen des Ancien Regime in den Grundfesten erschütterte, bekam sie durch das Massenelend der französischen Bauern, deren sich wiederholende und steigernde Hungerrevolten und damit einhergehenden Brutalisierung der vorrevolutionären Gesellschaft, in der die Bauern nichts mehr zu verlieren hatten als ihr ihr Elend – in der für die Feudalen dagegen alles auf dem Spiel stand.

Im Kern nicht anders die russischen Revolutionen von 1905 bis 1917: Lange kündigte sich der Sturz des Zarismus in den Schriften der russischen Intellektuellen des 18. und 19. Jahrhunderts an, deren Aktivitäten, ebenso wie die des wankenden Zarentums um die Jahrhundertwende bis zum Terror eskalierten, bevor sie dann durch die Erhebung der Bauern 1905 die gewaltsame und auch brutale Dynamik bekamen, die eine relativ leichte Machtübernahme durch die Bolschewiki 1917 erst ermöglichte.

Macht es Sinn, unsere heutige Situation mit diesen zurückliegenden gesellschaftlichen Erschütterungen zu vergleichen? Nein, wenn man nur die äußeren Umstände vergleicht. Heute ist die Herrschaft der Ausbeuter global und tendenziell total, Kritik und Revolte sind dagegen über den ganzen Globus verteilt; eine Revolution, die diese Verhältnisse gewaltsam stürzen will, kann nur gleichbedeutend mit globalem Chaos sein.

Im Kern allerdings wiederholt sich der Spagat zwischen hoch entwickelter, radikaler Gesellschaftskritik und dem wachsenden Drang der Benachteiligten und der zunehmend „überflüssig“ Gemachten, ihrem Elend ein Ende zu setzen. Was ist der wachsende Terror heute denn anderes als die radikalisierte Reaktion auf die ausbeuterische Herrschaft der übermächtigen Kapitale und ihrer perfektionierten Unterdrückungsapparate?

Wieso begriffen die Adligen des Ancien Regime, die Aristokraten des Zarismus nicht, dass der von ihnen geführte Krieg gegen die Revolten diese nur weiter anheizen konnte? Wieso begreifen die heute herrschenden Kräfte nicht, dass der Krieg gegen den Terrorismus nur neue Terroristen hervorbringen kann? Oder begreifen sie es doch? Oder haben sie ein Interesse daran, die Welt unter dem Druck dieses anti-terroristischen Krieges zu halten? Wer hat mehr Interesse daran, die Bevölkerung in Angst zu halten? Diejenigen, die die vermeintliche Weltsicherheit angreifen oder diejenigen, die sie zu verteidigen vorgeben? Eine offene Frage.

Hier hilft vielleicht die Erkenntnis von Pjotr Kropotkin weiter, der als Ergebnis seiner Analyse der vorrevolutionären Bauernrevolten Frankreichs feststellte, man müsse mit einem allgemeinen Irrtum aufräumen, nämlich dem, dass Revolten – und noch mehr Revolutionen – aus Angst und Verzweiflung erwüchsen, nein, so Kropotkin, sie entzündeten sich über das Elend, die Angst und die Verzweiflung hinaus eher an der Hoffnung, nämlich an der, dass das Leben in Zukunft nur besser, vielleicht sogar glücklicher werden könne.

Könnte es vielleicht sogar sein, dass wir es heute mit Kräften zu tun haben, denen daran gelegen ist, die Mehrheit der Menschen in Angst zu halten, um überhaupt erst keine Hoffnung aufkeimen zu lassen, dass die Verhältnisse, wie sie heute sind, veränderbar sein könnten?

Und wo wären solche Kräfte zu suchen? Anders gefragt, ist der Terror tatsächlich eine Gefahr für die bestehenden Verhältnisse oder stützt er sie eher? „Sicherheit“ ist ja heute, wie es scheint, alles, was noch zählt. Mit nichts lässt sich eine Zementierung der herrschenden Verhältnisse besser begründen als mit drohendem Terror. Führt seine Ausbreitung, genauer die Angst vor seiner Ausbreitung nicht im geraden Gegenteil zu den hysterischen Warnungen zur Festigung, ja, geradewegs in die Eskalation der bestehenden Herrschafts- und Ausbeutungsverhältnisse in Richtung einer präventiven globalen Sicherheitsdiktatur? Ängste, Opfer des Terrors zu werden, sind heute eher hervorzurufen als jene, an zukünftigen Klimakataklysmen zugrunde zu gehen. Bedenken wir dies, wenn wir heute mit präventiven Sicherheitsstrategien unter der Parole „Krieg dem Terrorismus“ überzogen werden!

Was wir brauchen sind keine Strategien präventiver Sicherheit, sondern Visionen und umsetzbare Strategien zur Verwirklichung der bisher noch nicht verwirklichten Ziele aller, besonders der beiden letzten großen Revolutionen: „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“ – unter Einbeziehung der Ebenbürtigkeit von Männern und Frauen erweitert zu „Freiheit, Gleichheit, Solidarität“. Das ist heute ein schwieriger Balanceakt, der den Mut zur radikalen Kritik des Bestehenden und seiner Veränderung bis hin zu aktivem Widerstand gegen kriegstreiberische Politik, von wem immer betrieben, mit dem scheinbar entgegengesetzten Mut verbindet, der äußeren Eskalation ein Widerlager der Deeskalation im eigenen Inneren und im konkreten Umgang mit dem Anderen, dem Fremden, sogar dem Feindlichen entgegenzusetzen. Es bedeutet auch, sich keine bequemen Feindbilder aufschwatzen zu lassen, sondern in kritischer Solidarität zu unterscheiden, wann und von wem eskaliert, wann und vom wem Deeskaliert wird. Das heißt, selbst denken, den eigenen Kopf benutzen.

An dieser Gesprächsrunde beteiligten sich:
Wilhelm; Cornelia; Christoph; Wiebke; Hannes; Lilo, Kai

Für die kommende Runde vereinbarten wir ,
um uns der Welt zur Abwechslung einmal literarisch zu nähern:

Lesung, Gespräch und Hintergrunddiskussion zu dem hoffentlich noch rechtzeitig erscheinenden , tschuwaschischen Epos „Ylttanpik – der letzte Zar der Wolgabolgaren. Verschiebung der Mitte der Welt im Mongolensturm des 13. Jahrhunderts. “,

(Den Klappentext als knappe Erläuterung des Themas findet Ihr in der Anlage.
Des Weiteren findet Ihr hier http://www.erlebnisoffen.de/demokratie/fluechtl_programm_03.pdf
einen Text, der dem Forum von einem virtuellen Teilnehmer zugeschickt wurde.)

Das Treffen findet statt am 19.12.2015 um 16.00 am üblichen Ort.
Helfer zum Herrichten des Versammlungsortes sind willkommen.

Bitte anmelden: info@kai-ehlers.de Tel: 040 64 789 791 mobil: 0170 27 32 482
Wer den Ort nicht kennt, bekommt ihn dann mitgeteilt. Und wie immer bitten wir darum eine Kleinigkeit (!) zum Knabbern mitzubringen.

Seid herzlich gegrüßt,

Kai Ehlers, Christoph Sträßner
Im Namen des Forums integrierte Gesellschaft

Kooperative Autonomie – eine mögliche Perspektive? Kritischer Blick auf das heute gültige und morgen mögliche anthropologische Menschenbild

Schafft ein, zwei, drei viele Allmenden
Bericht vom 48./49. „Forum integrierte Gesellschaft“ am Sonntag, 20. September 2015

Das „Forum integrierte Gesellschaft“ ist ein offener Gesprächskreis, mit dem Ziel kritische Menschen aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen und mit unterschiedlichen Weltsichten in lebensdienlichen Austausch zueinander zu bringen. Die Treffen finden in lockerer, freundschaftlicher Atmosphäre statt.

Thema:
Kooperative Autonomie – eine mögliche Perspektive?
Kritischer Blick auf das heute gültige und morgen mögliche anthropologische Menschenbild

Die Behandlung des Themas zog sich über zwei Treffen hin. Auch dieser Bericht kommt sehr spät. Ursache waren gesundheitliche Probleme des Veranstalters und Berichterstatters, darüber hinaus sind die Ergebnisse der Gespräche für nicht an ihnen Beteiligte nur schwer zu vermitteln; Beteiligte werden vieles vermissen, was auf dem Treffen angesprochen wurde.

Kurz gesagt, wir machten den Versuch, ausgehend von der gegenwärtigen Wahrnehmung unserer heutigen Gesellschaft auf das anthropologische Grundverständnis zu kommen, das den gesellschaftlichen Ereignissen und der Politik heute unterliegt – und darüber hinaus der Frage nachzugehen, wie sich dieses Verständnis im Lauf der Geschichte gebildet und gewandelt hat und wie es sich zukünftig wandeln könnte oder gar müsste, wenn die Menschheit sich selbst überleben will.

Das herrschende Grundverständnis der heutigen Zeit war schnell beschrieben: es ist das des „homo ökonomicus“ in seinen Spielarten des profitorientierten Produzenten, des konsumabhängigen Verbrauchers, einer den Menschen immer weiter einschränkenden wuchernden Technik usw.

Schwerer schon fiel es den Versammelten sich aus der Verklammerung der unterschiedlichsten Facetten dieser Realität den Ursachen dieses heute herrschenden Verständnisses zu nähern. Erst nach vielen Umwegen und tastenden Schritten in die Vergangenheit, die immer wieder in den Erscheinungsformen der heutigen Gefahren bis hin zu heftigen tagespolitischen Differenzen steckenblieben, gelang es den Übergang von dem zurückliegenden glaubensgeleiteten zum heutigen materialistischen Verständnis von Welt und Leben als Ursache zu erkennen.

Noch schwieriger wurde es, je tiefer die Versammelten sich auf den Sprossen der Geschichtsleiter abwärts tasteten – nicht nur hinter die Aufklärung, sondern auch hinter die Entstehung der monotheistischen Religionen, ja, noch hinter die Zeit der Vielgötterkulte zurück. Hat der Mensch sich gewandelt? Oder hat sich nur das Verständnis des Menschen vom Menschen gewandelt? Gibt es eine menschliche Konstante, die sich aus den ersten Tagen der Wahrnehmung des Menschen von sich selbst über alle Zeiten durchhält?

Findet in der heutigen Weltentwicklung das Daseinsgefühl von Urgesellschaften, in welcher der Mensch sich der Welt noch nicht trennend entgegengestellt sah, mit unserer hochwissenschaftlichen materialistischen Wissenschaft auf neuem Niveau zu einem neuen ganzheitlichen Seinsverständnis zusammen? Kann sich die ursprüngliche Eingebundenheit des Menschen in die ihn umgebende Welt mit den Erkenntnissen der Quantenforschung zu einer widersprüchlichen Einheit auf dem heutigen historischen Niveau verbinden, die uns erkennen lässt, dass die Reduzierung der Welt auf Materie ein Irrtum ist, dass Materie und Geist nur zwei Ansichten derselben Welt sind, in die wir – immer schon – eingebunden sind?

Hier endete das Gespräch in vorgeschrittener Zeit mit tausend offenen Fragen.
Zur weiteren Vertiefung in diese Fragen empfehlen wir drei Bücher:
• Hans Peter Dürr, Warum es ums Ganze geht?, oekom 2009
• Christina Kesser, Ich liebe also bin ich, Arbor Verlag, 2002
• Kai Ehlers, Die Kraft der `Überflüssigen´ Pahl Rugenstein, 2013 (über den Autor zu beziehen)

Das nächste Forum wird sich mit der Frage der „Flüchtlingskrise“ befassen.

Es findet statt am 15. 11.2015 am üblichen Ort um 16.00 Uhr
Helfer zum Herrichten des Versammlungsortes sind willkommen.

Bitte anmelden: info@kai-ehlers.de Tel: 040 64 789 791 mobil: 0170 27 32 482
Wer den Ort nicht kennt, bekommt ihn dann mitgeteilt. Und wie immer bitten wir darum eine Kleinigkeit (!) zum Knabbern mitzubringen.
Seid herzlich gegrüßt,
Kai Ehlers, Christoph Sträßner
Im Namen des Forums integrierte Gesellschaft

Flammarion

Ukraine und Griechenland als aktueller Prüfstein der Rolle Europas – Forumsdiskussion

Schafft ein, zwei, drei viele Allmenden
Bericht vom 47. „Forum integrierte Gesellschaft“ am Sonntag, 21. Juni 2015

Hallo allerseits,
liebe Freundinnen und Freunde des Forums integrierte Gesellschaft.

Die zurückliegende Runde des Forums konnte dem Thema, das sie sich gestellt hatte, sehr viel intensiver zu Leibe rücken als das beim vorigen Mal der Fall war. Hatte sich das Gespräch letztes Mal in einer Polarisierung zwischen allgemeinen Ohnmachtsgefühlen gegenüber den Machinationen „des“ Kapitals einerseits und subjektivem Aktivismus des Gutseins im eigenen Lebenskreis verloren, so trat dieses Mal die im Kern des Themas liegende Fragestellung umso deutlicher hervor: Was, bitte sehr, sind die Werte, für die Europa steht, stehen könnte, stehen sollte? Wird Europa dem von ihm selbst gestellten Anspruch gerecht? Und von welchem Europa ist schließlich die Rede? Continue reading “Ukraine und Griechenland als aktueller Prüfstein der Rolle Europas – Forumsdiskussion” »

Warum schützt die EU sich gegen Russland, aber nicht gegen die USA?

Die Tatsachen sind unübersehbar: Europa, genauer die Europäische Union schützt sich gegen Russland, aber nicht gegen die USA. In der Unterstützung der aktuellen Kiewer Politik, im Sanktionskrieg gegen Russland, in der Aufrüstung der NATO zu erneuter „Abschreckungsfähigkeit“ lässt sich die EU, darin insbesondere Deutschland, ungeachtet einzelner kritischer Stimmen, zur Speerspitze US-geführter Angriffe gegen Russland machen. Kritiken ... verhallen in der spärlichen Bundestagsopposition – oder bilden eine Art neuer außerparlamentarischer Opposition im Internet. ...

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Europas (Volks)Tribune – ein allgemeiner Trend?

Schafft ein, zwei, drei viele Allmenden

Bericht vom 44. „Forum integrierte Gesellschaft“  am Samstag, 15.03.2015

Europas (Volks)Tribune – ein allgemeiner Trend?

Das Thema ist gut für einen Streit. Und nicht nur für einen. Zunächst geht es darum, zu klären, wovon die Rede sein soll: Vom geographischen Europa – bis zum Ural, wie die traditionelle Einteilung unserer Schulbücher reicht? Vom Kulturraum Europa, der an der russischen Grenze endet – oder reicht er doch bis Wladiwostok? Von der Europäischen Union? Ist dann von der Eurozone zu reden? Oder von Brüssel? Oder von 28 Nationen, die darum ringen unter wachsender deutscher Dominanz ihre Eigenständigkeit zu wahren? Und sind die „europäische Friedensordnung“ der Schlüssel zur eurasischen und die eurasische der Schlüssel zur globalen Friedensordnung? Und braucht es dafür Tribunen, Demagogen, zeitweilige Diktatoren? Bringt der Prozess sie hervor oder behindern sie diesen Prozess? Continue reading “Europas (Volks)Tribune – ein allgemeiner Trend?” »

Alternativen für eine selbstbestimmte Gesellschaft – können wir und was können wir dazu aus den Vorgängen in der Ukraine lernen?

Zugegeben, die Fragestellung ist vermessen. Während in Kiew mit einem „Marsch der  Würde“ der demokratische Erfolg des Maidan beschworen wurde, allen voran unter Teilnahme des gegenwärtigen deutschen Bundespräsidenten Joachim Gauck, während sich in Moskau, organisiert von aktiven Vaterlandsverteidigern,  Zehntausende unter aufgebrachten Rufen „Kein Maidan in Russland“, „Keine Ukrainisierung in Russland“ zum Protest gegen die „Faschisten“ in Kiew versammelten, während in Sewastopol tags darauf der 23. Februar zum Tag des „Russischen Frühlings“ erklärt wurde, hörte man aus Lugansk und aus Donezk nichts dergleichen. Weder Pro noch Contra wurde demonstriert – Donezk lag stattdessen weiter unter Beschuss seitens der Ukrainischen Truppen, wie selbst regierungsnahen deutschen Medien zu entnehmen war. Continue reading “Alternativen für eine selbstbestimmte Gesellschaft – können wir und was können wir dazu aus den Vorgängen in der Ukraine lernen?” »

Charlie – Patrioten – Ukraine: Antiterroristische Einheit – auf dem Weg in eine neue Volksgemeinschaft?

Anschlag auf „Charlie Hebdo“ in Paris, „Islamischer Staat“, Patrioten Europas gegen die Islamisierung des Abendlandes“ (Pegida) – diese Themen überbieten zur Zeit alles andere. Sogar Russland, Ukraine, Sanktionen sind vorübergehend aus den Schlagzeilen verschwunden – allerdings nur, um durch die Hintertür, jetzt bereichert um die Variante der Terrorabwehr, wieder zu erscheinen.

 

Aber der Reihe nach, wie es sich aus dem unvoreingenommen Gespräch ergibt, in dem versucht werden soll, die Geschehnisse zu sortieren:

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Die soziale Revolte in der Ukraine – was ist ihr Kern und wofür steht sie?

Nun ist morgen Weihnachtsabend und demnächst Sylvester, überhaupt kommt, einfach gesagt, die Jahreswende auf uns zu und sowohl hier bei uns als auch anderswo denkt manch eine/r über einen Neubeginn nach. Zumindest sind solche Versuche nicht auszuschließen.

Wir wollen unseren Bericht deshalb heute extrem kurz halten, indem wir uns auf das beschränken, was unbedingt ins nächste Jahr mitgenommen werden muss.

 

Das ist zum einen, ungeachtet aller später aufgesattelten Verzerrungen,  die Grundbotschaft des Ukrainischen  Maidan: Revolte für ein menschenwürdiges Leben, die Suche nach Selbstbestimmung und Souveränität sind gerechtfertigt.

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Aspekte zur Frage der russischen Autarkie

Schafft ein, zwei, drei viele Allmenden

Bericht vom 40. „Forum integrierte Gesellschaft“  am Samstag, 15.11.2014

Thema: Sanktionen und Russlands Autarkie

 

Liebe Freundinnen, liebe Freunde, liebe Interessierte,

Unser letzter Bericht endete mit der Frage, was geschieht, was bedeutet es, wenn Russland sich nicht mehr dafür entschuldigt, die seit der Auflösung der Sowjetunion bestehende Weltordnung verändern zu wollen, sondern demonstrativ Veränderungen fordert  und bewirkt – und dafür Anklagen, Kritik, propagandistische Anfeindungen, und nicht nur das, sondern auch den Versuch des Westens erntet, Russland zu isolieren und im Sanktionskrieg zu schwächen.

 

Konkret: Hat Russland die Kraft diesen Konflikt zu bestehen? Worin könnte diese Kraft liegen? Das war das Thema unserer letzten Forums-Runde.

 

Nacheinander haben wir dazu drei Elemente betrachtet:

  1. Die Rolle der Vielvölkerrealität Russlands?
  2. Die Rolle der traditionellen Selbstversorgungskultur Russlands.
  3. Russlands Reichtum an Ressourcen.

Unsere Überlegungen zu diesen Fragen verstehen wir als Annäherungen, die wir zur Diskussion stellen. Reaktionen sind uns willkommen.

 

Vielvölkerrealität:

Die Vielvölkerrealität ist Russlands Reichtum Nummer Eins. Anders als die aus der Geschichte übriggebliebenen großen Vielvölkerreiche der Neuzeit, die Habsburger Monarchie und das Osmanische Reich, überstand der russische Vielvölkerorganismus nicht nur den ersten und den zweiten Weltkrieg, sondern ging in Gestalt der Sowjetunion gestärkt und sogar noch erweitert daraus hervor. Während das Habsburger Vielvölkergebilde wie auch das osmanische Reich im Zuge dieser Entwicklung in eine Vielzahl von Nationalstaaten  zerfiel, die sich untereinander bekämpften und in ethnischen Säuberungen zerfleischten, ging das Zarenreich in eine föderale Ordnung von Unionsrepubliken, autonomen Regionen und Bezirken über. Das  mag man gut oder schlecht finden, man mag die später von Stalin betriebene „Sowjetisierung“, konkret Deportation ganze Völker nach Sibirien dagegen halten, es war aber vom Ansatz her, wie ihn Lenin, selbst Stalin in der Gründungsphase der Union verfolgte, ein Schritt, der die traditionelle autokratische Herrschaftsstruktur in die Moderne einer föderal organisierten Pluralität von Völkern verwandelte, wenn auch unter Führung Moskaus.

Mit dem Zerfall der Union hat sich diese Struktur, soweit es die Sowjetunion betraf, in unabhängige Gebiete aufgelöst, die unter dem Druck einer nachholenden Nationenbildung ihre Identität suchen. Zu welchen Konflikten das geführt hat, konnte man die letzten zwanzig Jahre über an den Rändern der ehemaligen Sowjetunion beobachten. Aktuell sind wir immer noch Zeugen dieses Vorgangs, diesmal in der Ukraine und hier auf Grund der besonderen Bedingungen der Ukraine als traditionellem Durchgangsraum besonders heftig.

Für Russland konnte Wladimir Putins Politik der autoritären Konsensbildung einen auch auf den Kernbestand Russlands übergreifenden Zerfall aufhalten, mit dem Ansatz zur Entwicklung einer Eurasischen Union sogar eine Gegenbewegung einleiten. Oder anders, einmal von der katastrophischen Seite aus betrachtet: Wenn es der russischen Regierung nach dem anarchischen Auseinanderdriften der russischen Regionen und Völker unter Jelzin nicht gelungen wäre, dem von Jelzin 1991 ausgegebenen Motto: „Nehmt euch so viel Souveränität, wie ihr braucht“ eine Restauration der Zentralmacht entgegenzusetzen, dann – sagen wir es so – wäre es nicht bei den tschetschenischen Absetzbewegungen geblieben. Eurasien wäre in eine lange Phase nationalistischer, separatistischer Kämpfe und ethnischer „Säuberungen“ eingetaucht.  Umgekehrt geht aus dem Erhalt der föderativen Gliederung der Vielvölkerrealität eine starke Kraft für Russland und auch für die Stabilität Eurasiens hervor  – wenn sie gefördert wird. Diese Kraft wirkt nicht nur in Russland selbst, sondern wirkt zugleich als Impuls für die von Russland, konkret jetzt Putin vertretenen Perspektiven einer multipolaren Weltordnung.

Westliche Beobachter sollten begreifen, dass diese russische Ordnung nach anderen Gesetzen als denen des aus dem Westen bekannten nationalen Einheitsstaates lebt. Im russischen „Patriotismus“ ist lokaler Stolz und Zugehörigkeit zum russländischen Ganzen in einer Weise verflochten, die sich einfachen „nationalistischen“ Deutungsmustern entzieht. Ein Mensch Russlands, der oder die sich als „Patriot“ bezeichnet, ist noch lange kein „Nationalist“. „Patriotismus“ ist in Russland etwa mit Heimatverbundenheit zu übersetzen, einschließlich deren, wenn nötig auch bewaffneter Verteidigung, „Nationalismus“ definiert sich dagegen als eine Haltung, die anderen aggressiv die eigene Identität überstülpen will.

Ausgesprochen fad wird es, wenn der Chef der Moskauer Böllstiftung (in den aktuellen „Russlandanalysen“) ausgerechnet die Vielvölkerrealität Russlands zu dem erklärt, wovon heute die besondere Aggressivität Russlands ausgehe, da man nicht wisse, wo sie ende und diese Gefahr nur überwunden werden könne, wenn auch Russland seine nachholende Nationenbildung erfolgreich durchführe. Wie blind muss man sein, um nicht zu erkennen, dass eine solche Nationenbildung ein tiefer historischer Rückfall hinter die föderalen Strukturen Russlands wäre und nur in einer Atomisierung Russlands und einer Chaotisierung Eurasiens enden könnte? Eine andere Sache wäre es, den föderalen Aufbau in Richtung einer Kooperation autonomer Regionen zu stärken.

 

Traditionelle Selbstversorgungsstruktur Russlands

Wer es aus der Geschichte noch nicht wusste, auch aus der aktuelleren, der oder die erlebt es jetzt unter den Bedingungen des vom Westen gegen Russland entfesselten Sanktionskrieges. Die Sanktionen sollen die russische Wirtschaft nicht nur schwächen, sie schwächen sie auch tatsächlich: der Rubel entwertet, die Preise steigen, der Ölpreis sinkt, Fabriken fahren ihre Produktion wegen nicht gelieferter Zwischenbauteile runter usw. usf., aber gleichzeitig scharen sich Olga und Iwan, aber auch die Tschuwaschen Aidar und Elfi und Mitglieder anderer russländischer Ethnien um Wladimir Putin und die von ihm zur Zeit repräsentierte Politik der Verteidigung Russlands gegen die als vollkommen ungerechtfertigt erlebten Angriffe von außen. Gleichzeitig mobilisieren die Sanktionen die traditionellen Fähigkeiten der Selbstversorgung im kollektiven und im individuellen Maßstab: Jetzt werden Pläne für die Re-kultivierung lange brachliegender Felder, für die zeitweilig halb stillgelegten in Russland so genannten familiären Zusatzproduktionen auf den Datschen und Hofgärten in Angriff genommen, der Konsum leichter Industrieware wird auf eigene russische Produkte  umgelenkt und die  Produktion effektiv umgestellt usw. usf.

Das alles verhindert nicht, dass die russische Wirtschaft kurzfristig in den Keller geht – längerfristig ruft es die Entwicklungskräfte wach, die unter der Decke des bequemen West-Konsums in den letzten Jahren geschlafen haben. Die russische Wirtschaft besitzt eine traditionelle Doppelstruktur, in der sich industrielle Produktion auf Basis von Privateigentum (bzw. Staatseigentum) an Produktionsmitteln  und Lohnarbeit und andererseits kollektive Produktion auf Basis selbstversorgerischer Nutzungsstrukturen zu einer hybriden Ökonomie verbinden, die Marx seinerzeit asiatische Produktionsweise nannte. Hintergrund ist die aus der russischen Geschichte in die Neuzeit herüberwachsende Gemeinschaftstradition der sog. Óbtschschina, der Bauern-, Produktions- und Lebensgemeinschaft. Der heutige russische Wirtschaftswissenschaftler  Theodor Schanin hat dafür den Begriff der „expolaren Wirtschaft“  gefunden, einer Wirtschaft, die sich nicht in die theoretisch sauberen Kategorien von „kapitalistischer“ oder „sozialistischer“ Wirtschaft einordnen lässt.  Aus einer ganz anderen Sicht, nämlich aus jener der US- Ökonomin Elenor Ostrom, Nobelpreisträgerin für die von ihr über Jahrzehnte betriebene Commons-Forschung, könnte man von einer besonderen „sozialökonomischen Potenz“ sprechen, die in der russischen Bevölkerung bis in die konkreten Lebensstrukturen und die Topographie des Landes hinein veranlagt ist.

Zweifellos hat die Politik der russischen Reformer – von Michail Gorbatschow über Jelzin einschließlich Putins – in den letzten Jahren einen harten Kampf der „Kapitalisierung“, der „Monetarisierung“, also der „Modernisierung“ gegen diese für uneffizient und dem gewünschten „Wachstum“ hinderlichen Strukturen der russischen Volkswirtschaft geführt,  nichtsdestoweniger hat die russische Regierung sich in allen zurückliegenden Krisen der letzten Zeit auf eben diese Strukturen gestützt. Ohne diese Basis der traditionellen kollektiven und individuellen Selbstversorgungsstrukturen hätte die russische Bevölkerung weder die „Schocktherapie“ Ende der 80er und in der ersten Hälfte der 90er ohne Hungerkatastrophen überlebt, noch den „Default“ von 1998, als die kurze russische Scheinblüte der Privatisierungsgewinne zusammenbrach, noch die schwere internationale Krise von 2008/2009.

Immer sind es die sozio-ökonomischen Kompetenzen der informellen „expolaren“ Wirtschaft, die die Krise auffangen, während die Krise zugleich dazu führt die eigenen Aufbaukräfte  gegenüber den importierten zu stärken. Dieser sozio-ökonomische Reflex ist umso stärker, je mehr die Krise durch Angriffe von außen  verursacht ist. Das ist eine russische Wahrheit, fast eine Banalität. Man muss aber wohl doch darauf hinweisen, weil manche Menschen dazu neigen, historischen Tatsachen wie die zu verdrängen, dass weder Napoleon, noch Hitler in der Lage waren, dieses Land in die Knie zu zwingen.

 

Ressourcen

Zu den Ressourcen halten wir uns kurz. Öl, Gas, Kohle, Metalle, Wald, Flüsse und riesige Flächen kultivierbaren Landes sind ein ungeheurer Vorrat an materiellem Gut, der natürlich doppelten Charakter trägt – zum einen als Grundlage eines großen Reichtums, zum anderen als Ursache für das, was die „holländische Krankheit“ genannt wird, also dafür, die wirtschaftliche Aktivität zu lähmen, „weil wir ja alles im Überfluss haben.“ Das dies variable Faktoren sind, das heißt, Bedingungen, die unterschiedliche Wirkung auf  die Arbeitsmoral der Bevölkerung haben, je nachdem in welcher Lage sie sich findet, liegt  auf der Hand. Gearbeitet wird auch in Russland,  versteht sich – aber nur in dem Maße, in dem es sich als wirklich notwendig erweist. Das macht die russische Bevölkerung für viele Ausländer so unverständlich, aber sympathisch – von denen abgesehen, die genau dies verurteilen.

Unser Gespräch, liebe Freundinnen, liebe Freunde wandte sich an dieser Stelle längeren Erörterungen zu, wie wir wirklich leben wollen. Von da kehrte sie zu der Frage zurück, wie wir wirklich leben – und von dort ganz hart am Thema – wie wir  n i c h t  leben wollen.

Diesen Fragen wollen wir beim kommenden Treffen unter dem Thema nachgehen:

Thema:

Die Soziale Revolte in der Ukraine – was ist ihr Kern und wofür steht sie?

 

Am Sonntag, d. 21.12.2014 um 16.00 Uhr in der Jurte am bekannten Ort.

 

Bitte anmelden: info@kai-ehlers.de  Tel: 040 64 789 791 mob: 0170 27 32 482

Wer den Ort nicht kennt, bekommt ihn dann mitgeteilt. Und wie immer bitten wir darum eine Kleinigkeit zum Knabbern mitzubringen.

 

Seid gegrüßt,

Kai Ehlers, Christoph Sträßner,

im Namen des Forums integrierte Gesellschaft

Ukraine: Bestandsaufnahme

Schafft ein, zwei, drei viele Allmenden

Bericht vom 39. „Forum integrierte Gesellschaft“  am Samstag, 18.10.2014

Thema: Bestandsaufnahme

Liebe Freundinnen, liebe Freunde, liebe Interessierte,

drei Monate ist es schon wieder her, seit wir uns das letzte Mal bei Euch seitens des „Forums integrierte Gesellschaft“ gemeldet haben. Einige neue Teilnehmer/innen fanden sich zur Wiedereröffnung unserer Versammlungsjurte ein, nicht wenige Interessierte haben erstmals einen Platz auf der Verteilerliste des Forums gefunden. (Das sei hier gleich vorausgeschickt: Wer dort nicht bleiben möchte, möge es mailwendend mitteilen, danke)

Es hat einige Mühe gekostet, die Jurte wieder in den Zustand zu versetzen, dass sie sich für eine politische Runde eignet, so dass sie trotz schwerer Thematik, in angenehmer und freundschaftlicher Atmosphäre stattfinden kann. So war es – und so war es gut.

Thema waren, wie könnte es zurzeit anders sein, wieder die Ukraine, Russland und der Westen. Ich möchte an dieser Stelle nicht die Texte wiederholen, die Ihr, die Sie mit Gewinn – oder auch mit Widerspruch – bereits auf meiner Website lesen konnten/t, soweit es die Infos zum Krisen- und Kriegsverlauf rund um die Ukraine und die Hintergründe dazu betrifft.

Nur ein paar wesentliche Aspekte sollen hier gesondert betont werden:

Das ist erstens der konjunkturelle Charakter des heutigen Krisenverlaufes. Nach wie vor sind die Grundfragen der Ukrainischen Krise in keiner Weise gelöst und doch wird sie aktuell schon von der nächsten – Stichwort: „IS“ – aus der Medienwirklichkeit verdrängt. So unerträglich schrill die Propaganda jetzt über fast ein Jahr schmerzte, so schwer ist die plötzliche Stille zu ertragen, in der man den Eindruck gewinnen könnte, als kehre in dieser Frage nun so etwas wie Normalität und politische Routine ein. Gerade der jähe Wechsel lässt jedoch den Charakter des Informationskrieges, dem wir zunehmend ausgesetzt  werden, umso krasser und unübersehbar hervortreten. Gelöst ist gar nichts, nur die Kulissen werden ein bisschen verschoben, bevor allzu deutlich werden kann,  was auf ihnen gespielt wurde. Jetzt dürfen wir uns eine Zeitlang mit IS und Ebola beschäftigen – der Hintergrund bleibt der gleiche: eine konzertierte strategische Offensive der westlichen Allianz-Mächte und ihrer willigen Partner gegen Russland und die von ihm angeblich gefährdete Zivilisation.

Aber vielleicht muss man diese Propaganda gar nicht so zurückweisen, wie wir es ständig versuchen? Vielleicht ist es ja wirklich so? Vielleicht gefährdet Russland tatsächlich die herrschende Weltordnung? – allerdings in einem anderen Sinne als es von den Verteidigern der westlichen Wertegemeinschaft gemeint ist, die von einer Weltfriedensordnung sprechen, aber in Wirklichkeit die herrschende US-Hegemonialordnung meinen.

Das ist der zweite Aspekt, der herauszustellen ist: Wir erleben heute die Transformation der nach dem Zerfall der Sowjetunion vorübergehend übriggebliebenen unipolaren US-dominierten Weltordnung, ihren Übergang in eine multipolare globale Ordnung kooperativ miteinander verbundener Großregionen. Die Bedingungen und die politischen Konturen für diese Ordnung haben sich bereits herausentwickelt, die gegenwärtige Hegemonialmacht USA will die neue Ordnung aber unter keinen Umständen akzeptieren, obwohl ihre eigenen Strategen wie z.B. Sbigniew Brzezinski die Tatsache des Niedergang der USA als Weltpolizist selbst unverblümt aussprechen. In dieser weltpolitischen Situation steht Russland als Kernland Eurasiens und aus seiner Dynamik der nachsowjetischen Entwicklung heraus im Zentrum der heranwachsenden multipolaren Neuordnung – als Impulsgeber. Klar gesagt, selbst wo Russland defensiv auftritt wie etwa mit Vorschlägen einer Sicherheitszone von Wladiwostok bis Lissabon unter dem Dach der OSZE u.ä. wirken die von seiner heutigen Rolle als nachsowjetisches Transformationszentrum ausgehenden Impulse zersetzend auf das, was die aktuellen Hegemonialmächte, die Weltfriedensordnung nennen. Unter den gegebenen Bedingungen kann sich Russland, konkret die Putin-Regierung verhalten wie sie will – sie ist aus ihrer historisch gewachsenen Lage als wieder erstarkter Nachfolgestaat der Sowjetunion, als sich auf seine Rolle besinnender Integrationsknoten in Eurasien, als unermüdlicher Impulsgeber einer im Entstehen begriffenen multipolaren Ordnung unvermeidlich der strategische Opponent der USA – jedenfalls aus Sicht der heute dort herrschenden politischen Klasse, die sich keine multipolare Kooperation vorstellen kann oder will.

Damit sind wir beim dritten Punkt: Jede Konstellation, die Russland schwächt, schwächt die Entstehung einer multipolaren Ordnung. Aber können die USA – selbst im Bündnis mit ihren willigen Juniorpartnern – Russland tatsächlich so weit schwächen, dass es seine Rolle im Zuge der Herausbildung einer multipolaren Welt nicht wahrnehmen kann? Hier sind entschiedene Zweifel angebracht. Im Moment sieht es eher so aus, als ob die Versuche der USA Russland zu isolieren das genau Gegenteil bewirken, nämlich den engeren Zusammenschluss eben der Länder, in deren Reihen die multipolare Ordnung soweit herangewachsen ist, das sie heute eine politische Realität zu werden beginnt – im Zentrum die Schaffung eines mit dem IWF konkurrierenden Weltwährungsfonds und anderes mehr. Und Russland immer dabei! Noch entscheidender jedoch ist die grundsätzliche sozio-ökonomische Verfasstheit Russlands, das aus dem gegen ihn von den USA und dem Westen geführten Informations- und Sanktionskrieg eher gestärkt als geschwächt hervorgehen könnte – die Sanktionen fordern Russlands Autarkiekräfte heraus, der Informationskrieg führt dazu, dass sich Russland um seinen vom Westen dämonisierten Präsidenten schart, selbst dann, wenn er im Zuge eines Notregimes innenpolitisch zu autoritären Methoden greift.

Über diesen Effekt werden wir beim nächsten Treffen des Forums genauer sprechen.

Thema: Russlands Antwort auf den Informations- und Sanktionskrieg des Westens.

Am Samstag, d. 15.11.2014 um 16.00 Uhr in der Jurte am bekannten Ort.

 

Bitte anmelden: info@kai-ehlers.de  Tel: 040 64 789 791 mob: 0170 27 32 482

Wer den Ort nicht kennt, bekommt ihn dann mitgeteilt. Und wie immer bitten wir darum eine Kleinigkeit zum Knabbern mitzubringen.

 

Seid gegrüßt,

Kai Ehlers, Christoph Sträßner,

im Namen des Forums integrierte Gesellschaft

Ukraine – Bestandsaufnahme im Juni

Schafft ein, zwei, drei viele Allmenden

 

Bericht vom 37. „Forum integrierte Gesellschaft“  am 22.06.2014

Thema: Und immer noch die Ukraine.

Eine Bestandsaufnahme im Juni

 

Liebe Freundinnen, liebe Freunde des Forums, liebe Interessierte!

Es hat jetzt einige Monate gebraucht, bis wir uns wieder  im Forum versammelt haben. Noch steht unsere von den Stürmen des Frühlings zerstörte Versammlungsjurte nicht wieder, aber ihre Wiedergeburt in neuer Gestalt ist für September geplant.

Doch die zerstörte Jurte war nicht der einzige, nicht einmal der wichtigste Grund für die lange Berichtspause – es waren die Ereignisse in und um die Ukraine, die uns so in Anspruch genommen haben, dass für zusätzliche Berichte keine Kraft mehr blieb.

Allmählich ist nun aber absehbar, dass wir mit weiteren Versammlungen unseres Forums und den inzwischen fast traditionellen Berichten nicht weiter  warten können, bis irgendwann einmal Frieden in der Ukraine und eine entspannte internationale Lage, vor allem ost-west  eingetreten ist – denn auch wenn die Lage sich äußerlich aktuell unter dem Schirm dieses „Friedensplanes“ zu entspannen scheint, ist doch eine tatsächliche Lösung der ukrainischen Problematik und eine Ost-West-Entspannung noch in ziemlicher Ferne.

Wir haben uns daher bei unserem letzten Treffen am 22.Juli, zwei Tage nach der Vorlage des „Friedensplanes“ zusammengefunden, um eine Bestandsaufnahme zu versuchen und fanden – ich sage das vorweg – weitaus mehr Fragen als Antworten.

Nur in einem waren wir einig: Der Plan des neuen Präsidenten, so wie er von ihm eingangs vorgelegt wurde, war kein Angebot zu Verhandlungen, sondern ein Katalog, der Unterwerfung  von denen fordert, die bereit sind zu kapitulieren, während er die übrigen mit Ausweisung, bzw. wenn sie weiter Widerstand leisten wollen, mit Liquidation bedroht. Inzwischen sieht es so aus, als ob selbst dieses arge Dokument dazu beigetragen hat, eine gewisse Gesprächsbereitschaft auf allen Seiten zu fördern.– es sollte aber niemand übersehen,  dass auch nach Vorlage des „Friedensplans“ weiter geschossen wurde und bis zum Abfassen dieses Schreiben noch wird, und zwar von beiden Seiten und dass der Strom ziviler Flüchtlinge, der sich in die russische Föderation nach Norden und in die Krim nach Süden wälzt, in nicht zu kontrollierender Weise in die Hunderttausend geht.

Dies alles gilt zweifellos auch noch nach der überraschenden Aufforderung Wladimir Putins an den russischen Föderationsrat, die ihm erteilte Vollmacht zur  Intervention in die Ukraine wieder aufzuheben. (Dieser Schritt kam Juni zwei Tage nach unserem Treffen vom 22. Juni)

Unter dem Eindruck dieser Situation stellen sich jedoch einige grundlegende Fragen, die hier nicht erschöpfend beantwortet, aber doch wenigstens in Kürze aufgezeigt werden sollen.

Die wichtigste Frage, die unter unterschiedlichen Aspekten immer wieder auftaucht, lautet:   Wird Russland sich dazu provozieren lassen, militärisch in die ukrainischen Konflikte einzugreifen? Wenn nicht, wie der aktuelle Schritt Putins deutlich zu machen scheint, dann warum nicht?

Scheut Russland vor der Gefahr einer internationalen Isolierung, einem vielleicht gar möglichen militärischen Großkonflikt mit den Westmächten zurück?  Antwort: Sicher, ja. Positiv gesprochen, Russland hat weder Interesse an einer Zerstörung seiner wirtschaftlichen und kulturellen Beziehungen  zu den Ländern des Westens, auch wenn es sich China annähert, noch an einer militärischen Konfrontation. Russland ist nach wie vor damit beschäftigt, sich aus dem Trümmerfeld herauszubewegen, in das es mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion versunken war.  Die russischen Sorgen resultieren dabei aber weniger aus der Angst vor einem dritten oder wie manche meinen vierten Weltkrieg; ein Weltkriegs- Szenario gilt auch für Russland, trotz allen berechtigten Misstrauens gegenüber den Hegemonialdynamiken des Westens, der USA, aber auch der EU als nicht aktuell.

Aktuell jedoch sind die Sorgen Russlands, sich an der Ukrainischen Krankheit anzustecken. Diese Sorgen haben Russland verleitet, sich auf eine übereilte Einverleibung der Krim einzulassen. Diese Sorgen veranlassen Russland jetzt sich demonstrativ aus den innerukrainischen Konflikten herauszuhalten. Die Ukrainische Krankheit – das ist nicht etwa nur der Separatismus,  nicht etwa nur der russische Nationalismus, der sich im Zuge der Kämpfe, im Gefolge der Flüchtlingsströme in Russland spiegelbildlich zur Ukraine ausbreiten könnte. Es ist vor allem die Dynamik einer sozialen Revolte,  die gegen die Ergebnisse der 25jährigen Oligarchisierung in der Ukraine rebelliert und die sich über die Grenzen der Ukraine auch auf russisches Land ausweiten könnte – denn zwar hat Russland das Stadium des nackten, privaten Oligarchentums, wie es heute noch in der Ukraine herrscht und jetzt unter Poroschenko noch einmal gefestigt werden soll, zugunsten eines  staatlich eingebundenen Oligarchentums hinter sich gelassen,  aber das hat die sozialen Differenzen zwischen arm und reich, zwischen den glitzernden Megastädten und den prekären Lebensverhältnissen auf dem Lande und in den Regionen nicht geringer werden lassen, sondern sie zu neuen sozialen Spannungen verschärft,  die auf Lösung drängen. Ein Partisanenkrieg am Bauch Russlands, ein Flüchtlingsstrom, der die russische Wirtschaft und Gesellschaft belastet, könnte unter diesen Umständen auch für Russland Unruhe bedeuten.

Aber die Frage hat noch einen tieferen Kern: Was sind die Ziele der Volksrepublik Donbass/Lugans und der mit ihnen sympathisierenden Menschen in anderen Teilen der Ukraine – selbst in Kiew und im Westen des Landes, wenn auch durch die dort zur Zeit herrschenden nationalistischen Kräfte überdeckt? Auf den Punkt gebracht, wenn auch keineswegs von allen „prorussischen“,  „separatistischen“ oder einfach nur anti-oligarchischen Kräften gleichermaßen in klarem Bewusstsein  vertreten: die Forderung nach Selbstbestimmung gegenüber der Fremdbestimmung und Ausbeutung durch das oligarchische und jetzt auch noch vom Westen unterstützte Kapital, die Forderung nach räterepublikanischen Lebens- und Verwaltungsstrukturen, kurz: ein aus der Spontaneität kommender radikaler anti-oligarchischer, anti-kapitalistischer Ansatz mit starken Rückbindungen an sozialistische Traditionen. Nicht von ungefähr zogen kürzlich in Donezk zehntausende Stahlarbeiter mit Forderungen nach Vergesellschaftung  der großen Betriebe durch die Stadt. Solche Demonstrationen sind nur die Spitze eines Eisbergs.

Wenn Poroschenko gegen diese Bewegung, deren Grundziele Selbstbestimmung, regionale Selbstverwaltung, Föderalisierung des Landes sind, im Namen einer Zentralisierung der Staatsmacht Krieg führen lässt, dann ist das klare Aufstandsbekämpfung, dann geht es darum – unterstützt durch seine westlichen Befürworter und Finanziers, den antikapitalistischen Funken, der in diesen separatistischen Impulsen liegt, niederzukämpfen.

Und wenn Wladimir Putin den Donezker und Lugansker Separatisten seinerseits die Unterstützung versagt, dann deshalb, weil auch die neue russische herrschenden Klasse  diesen revolutionären Funken, wie schwach auch immer,  nicht im Land haben möchte.

Ganz prinzipiell verstanden steht im Ukrainischen Konflikt die Forderung  nach Selbstbestimmung des Menschen als grundlegendes Menschenrecht gegen den Willen der herrschenden Eliten dieses Recht den Profitinteressen des Kapitals unterzuordnen.   Diese heute auf der globalen Tagesordnung stehende Auseinandersetzung wird in der Ukraine zur Zeit exemplarisch ausgefochten – wobei die Motive selbstverständlich nicht in ideologischer Reinheit auftreten, nicht allen Beteiligten gleichermaßen bewusst sind, sondern vermischt sind mit unklaren, widersprüchlichen, hier und da sogar einfach abenteuernden, wenn geplündert wird, sogar anti-asozialen Motiven. Aber wann war eine Revolution schon einmal ein Plan, den alle gleichermaßen gefasst hätten?  Auf Seiten der herrschenden Kräfte ist man andererseits nur in einem einig, dass diese Positionen nicht hochkommen dürfen. Diese Haltung gilt selbstverständlich auch für das nach-sozialistische Russland, bzw. seine herrschende Schicht.

Es gibt hier noch vieles zu erörtern,  vor allem auch zu beobachten, wie der Konflikt jetzt ausgetragen werden wird – wird der revolutionäre Impuls einfach gnadenlos niedergemacht, wird er durch Spaltung teils integriert und neutralisiert, wird er sich in realen Veränderungen der Verhältnisse niederschlagen? So oder so werden die Impulse aus dieser immer noch offenen Situation die gesellschaftliche Wirklichkeit Russlands, Europas und generell l unserer heutigen Ordnung prägen, insofern die Ukraine das Feld ist, wo sich die drei entscheidenden Transformationslinien unserer heutigen Welt treffen und überlagern.

Das ist die Überwindung des nachsowjetischen Traumas, aus dem heraus neue soziale Formen der Gemeinschaft gesucht werden. Das ist die nachholende Nationalisierung, die diesen sozialen Prozess überlagert. Und das ist der Übergang von einer unipolaren zu einer multipolaren Welt, der sich in dem Integrationskonflikt zwischen Europäischer Union und Eurasischer Union, zwischen atlantischem und asiatischem Bündnisgeschehen ausdrückt. Russland als Teil Europas und zugleich Asiens spielt darin eine entscheidende Rolle.

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Der Rolle Russland werden wir uns beim nächsten Treffen unter der Fragestellung zuwenden, die durch die den aktuellen Propagandakrieg aufgeworfen wurde:

Sucht Russland eine Revanche für seine Niederlage im Kalten Krieg 1991?

Wir treffen uns am 20. Juli um 16.00 Uhr wie gehabt am bekannten Ort.

Anmeldung bitte unter info@kai-ehlers.de oder Tel. 040 / 64 789 791

 

 

Herzliche Grüße rundherum

Im Namen des Forums für eine integrierte Gesellschaft

Kai Ehlers, Christoph Sträßner

 

(Für weitere Infos zur Krise der Ukraine – bitte : www.kai-ehlers.de )

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Ukraine: Nationalismus, Spaltung oder Föderation selbstverwalteter Regionen auf demokratischer Basis?

Schafft ein, zwei, drei viele Allmenden

Bericht vom 36. „Forum integrierte Gesellschaft“  am 09.03.2004

Als Tagesordnung war angesetzt: Bildung und Revolution. Das Thema erhielt durch die Ereignisse in und um die Ukraine eine beunruhigende Aktualisierung,  Stichwort des Treffens war dann: Rebellion ist gerechtfertigt, aber ohne tiefgreifende demokratische Bildung besteht die Gefahr, dass die berechtigte Rebellion von interessierter Seite benutzt und in die Destruktion geführt wird – wie es in der Ukraine jetzt mit all den Folgeerscheinungen der inneren und äußeren Konfrontationen geschehen ist. Besonders beunruhigt uns die Politik Deutschlands, die als „Führungskraft“ innerhalb der EU erkennbar auf den Umsturz eines demokratisch gewählten Präsidenten hingearbeitet hat und unübersehbar bereit ist mit erklärten Faschisten offen zusammenzuwirken. 

 

Das soll an dieser Stelle jetzt nicht im Detail ausgeführt werden. Bitte schaut für Information und Hintergrundanalysen zum Ukraine/Krim-Konflikt auf die Website www.kai-ehlers.de 

 

Hier nur noch so viel:

 

Vertreter des „Forums integrierte Gesellschaft“ und das Forum insgesamt sind zur Krise in der und um die Ukraine mit eigenen Veranstaltungen und Veröffentlichungen aktiv geworden.  U.a. hat sich aus unserer Sicht eine besondere Klammer zwischen der öffentlich angekündigten Veranstaltung des Forums zu dem Thema „Voran zur Regionalisierung statt zurück zur Nationalisierung“ mit den Vorgängen in der Ukraine ergeben, so dass wir beschlossen haben, beide Themen in einer Veranstaltung zusammen zu führen.

 

Wir geben Euch den Aufruf zu dieser Veranstaltung hier in den Rundbrief in der Hoffnung Euch damit zu ähnlichen Aktivitäten anregen zu können. (Aufruf weiter unten und im Anhang.)  Wenn Ihr Hilfe braucht, wendet Euch an uns. Wir meinen, dass es dringend geboten ist, der Verherrlichung des Ukrainer Umsturzes  als demokratische Revolution die Tatsachen entgegenzustellen, die zeigen, wie die Sehnsucht einer Bevölkerung nach Demokratie und Wohlstand durch erklärt antidemokratische Kräfte im Lande selbst, sowie durch die Interventionen der bekannten „global player“ missbraucht worden ist. Dabei nehmen wir,  wo nötig und berechtigt, auch Russland nicht aus, sind aber nicht bereit uns der Dämonisierung Russlands, insbesondere ihres Präsidenten Wladimir Putin anzuschließen. Was wir stattdessen brauchen ist eine an Verständigung orientierte Aufklärung.

 

Das nächste Treffen des Forums ist für Sonntag, d. 06. 04. 2014 angesagt.

 

Ort: Rummelsburgerstr. 78, U-1 Farmsen.  Bitte meldet Euch vorher an.

 

Thema  wird sein: Wie geht es weiter in und um die Ukraine?

 

 

 

Kai Ehlers

 

Im Namen des Forums integrierte Gesellschaft

 

 

 

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MOTTE – Samstag, 15.03. 2014 um 15.00 Uhr,

 

Kultur- und Stadtteilzentrum, Eulenstr. 43 (Altona)

 

 

 

aus aktuellem Anlass:

 

 

 

UKRAINE:

 

Nationalismus,  Spaltung

 

oder Föderation selbstverwalteter Regionen

 

auf demokratischer Basis?

 

 

 

 

 

Die Veranstaltung in der MOTTE ist angekündigt unter dem Thema: „Zurück zur Nation oder voran zur Region?“ Aus aktuellem Anlass wird die Veranstaltung sich mit den Ereignissen um die UKRAINE beschäftigen. In der Ukraine stellt sich die Frage „Zurück zur Nation oder voran zur Region“ exemplarisch und radikal: Nationalismus, Spaltung  oder Föderation miteinander kooperierender selbstverwalteter, ggfll. auch autonomer Regionen auf demokratischer Basis?  Lautet dort die Frage.

 

Veranstalter ist das „Forum integrierte Gesellschaft“ in Zusammenwirken mit der „MOTTE“. Einen Einführungsvortrag gibt Kai Ehlers, Russlandforscher.  Fragen und weitere Beiträge sind erwünscht.

 

 

 

Eintritt frei

 

(Bitte Hausschuhe mitbringen)

 

 

 

 

 

 

 

 

Sozialstaat oder Solidargesellschaft – wie wollen wir leben?

Den Wandel selbst gestalten – wie wollen wir wirklich leben?

Oder auch: Brauchen wir den Sozialstaat, um sozial und solidarisch zu sein?

Oder auch: Europa der Regionen – Wege zur Selbstbestimmung auf freiheitlicher und demokratischer Grundlage

Drei Veranstaltungen, drei Themen, ein Grundgedanke: Was wir brauchen ist Bildung. Aber die Rede ist natürlich nicht von PISA. Die Rede ist auch nicht von Bachelor und Master unter staatlichem Effektivitätsdruck. Die Rede ist von der Herausbildung selbstbestimmter Menschen, die in selbst gewählter Gemeinschaft ein lebenswertes Jetzt mit Blick auf eine lebensfähige Zukunft verantwortlich und kooperativ gestalten können und wollen.

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Von menschlichem Müll – oder auch: wie kommen die ‚Überflüssigen‘ zu Kraft?

Bericht vom 34. Treffen des Forums am 11.01.2014

Lieben Sie Rätsel? Wir präsentieren Ihnen eines: Von wem stammt der folgende Text? Aus der Kapitalismuskritik von Sarah Wagenknecht? Aus dem Buch zur „Kraft der ‚Überflüssigen‘“ von Kai Ehlers? Aus dem Newsletter der Gegen-Hartz IV-Initiativen oder von anderen vergleichbaren Gruppen?

Lesen Sie bitte:

„52. Die Menschheit erlebt im Moment eine historische Wende, die wir an den Fortschritten ablesen können, die auf verschiedenen Gebieten gemacht werden....

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Aufruhr in der Ukraine

Das zurückliegende Treffen des „Forums integrierte Gesellschaft“ sollte sich mit der Frage beschäftigen, was Regionalisierung im Kaukasus bedeutet. Die aktuellen Ereignisse in der Ukraine haben das Thema ganz und gar in Richtung der ukrainischen Ereignisse verschoben.

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Zur Debatte: Europa der Regionen

‚Was ist eine Region?` Wie kann ein Europa aussehen, in dem die Bevölkerung nicht dem Diktat der Banken und Monopole unterworfen wird, aber andererseits auch nicht auf historisch zurückliegende Stufen der Kleinstaaterei, des Nationalismus und Lokalpatriotismus zurückfällt?

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Stimmabgabe oder Selbstbestimmung?

Schafft zwei, drei viele Allmenden!

                                                                                                                            Bericht vom 31. Treffen am 13.10.2013

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Liebe Freundinnen, liebe Freunde,

das Thema „Stimmabgabe oder Selbstbestimmung?“ mag den einen oder die andere provozieren. Es kann natürlich nicht um ein Entweder-Oder gehen. Die polemische Polarisierung vermag aber vielleicht auf einen Blick deutlich zu machen, wo heute das Problem liegt – eben darin, daß Zusammengehöriges im realen Geschehen unserer heutigen politischen Wirklichkeit auseinandergerissen wird. Tatsache ist ja, daß die Wahlen bei uns heute zunehmend gleichbedeutend damit sind, daß wir Wähler unsere Stimme abgeben – und dann ohne weitere Einflußmöglichkeiten mit ansehen müssen, wie die „politische Klasse“ sich die Wahlergebnisse zu den gerade passenden Koalitionen zurechtschiebt. Wobei für die, ihrer Stimme nicht mehr mächtigen, Wählerinnen und Wähler nicht einmal mehr deutlich wird, nach welchen Kriterien hinter verschlossenen Türen was von wem mit wem verhandelt wird. Was davon an die Öffentlichkeit dringt, ist Filterware pur!

    Mit Selbstbestimmung eines mündigen Bürgers hat dieser Vorgang jedenfalls nicht mehr viel  gemein. Selbstbestimmung, Entwicklung eigener Initiative, Gestaltung der eigenen Lebensverhältnisse in einem für den einzelnen Menschen überschaubaren Raum, liegt offenbar auf einem anderen Feld und den Zusammenhang zur herrschenden repräsentativen Demokratie herzustellen, ist schwierig.

    Aber genau darum geht es. Wir wollen das Kind, das nach so viel Mühen zur Welt gekommen ist, also die heute praktizierten Regularien der repräsentativen Demokratie, auf unserem Weg zur Selbstbestimmung ja nicht mit dem Bade ausschütten. Dafür sind zu viele Menschen für das Wahlrecht gestorben. Und dafür ist allzu deutlich, daß viele Menschen auf unserem Globus, aller Modernität und aller Vernetzung zum Trotz, immer noch nicht das Recht haben, sich ihre VertreterInnen frei zu wählen. Oder sie haben zwar das Recht, aber nicht die materiellen Voraussetzungen ihr Recht praktisch wirklich wahrzunehmen. Was nützen schließlich formale Rechte, um es krass zu formulieren, wenn man z.B. die Wege zum Wahllokal nicht bezahlen kann.

    Also kurz, es geht nicht darum, repräsentative Demokratie gegen Formen direkter Demokratie oder unmittelbarer Selbstbestimmung auszuspielen. Es geht darum, in welchen Formen Selbstbestimmung  als Weiterentwicklung des demokratischen Gedankens gestärkt werden kann, und zwar nicht Selbstbestimmung in individueller Isolation, sondern in kooperativer Gemeinschaft.

Schaut man so in die Fragestellung, dann wird sehr schnell deutlich, worum es im Kern geht, und zwar sowohl in den Formen repräsentativer wie auch direkter Demokratie bis hin zur unmittelbaren Selbstbestimmung des Einzelnen: Es geht um die Motivation, genauer, die Bereitschaft, Verantwortung für sich selbst zu übernehmen. Diese Tatsache ist so banal, daß sie immer wieder als selbstverständlich vorausgesetzt oder gar vergessen wird.

   Ebenso banal ist jedoch auch die Tatsache, daß die aktivste Verantwortungsbereitschaft des Einzelnen wie auch ganzer Gemeinschaften nichts fruchtet, wenn der stille, soll heißen, der unhinterfragte gesellschaftliche Konsens darin besteht, daß die Verantwortung für die öffentlichen Belange bis hin zur persönlichen Wohlfahrt der Bürger und Bürgerinnen allein bei „dem Staat“ gesehen wird. Demokratie wächst von unten, heißt das, aber damit sie sich frei entwickeln kann, braucht es einen zwischen den Individuen und gesellschaftlichen Gruppen ausgehandelten Konsens über Wert, Gültigkeit und Funktionsweise einer strikten Subsidiarität, d.h., einer politisch-rechtlichen Struktur, sei sie wie immer im Detail gegliedert, in der die oberen Organe im Interesse der Verwirklichung der Menschenrechte Diener der unteren sind. Motto, zugespitzt formuliert: Willensbildung und konkrete Gestaltung geschieht an der unmittelbaren Lebensbasis entlang tatsächlichen Bedarfs. Nach „oben“ wandern nur die Aufträge, die vor Ort nicht umgesetzt werden können. Exekutivkompetenzen nehmen ab, je weiter die jeweiligen Organe von der Basis entfernt sind und verwandeln sich in demselben Maße in Maßnahmen der Unterstützung und Beratung.

Aber wo gibt es heute einen solchen Konsens? Nicht in Deutschland, nicht in der Europäischen Union.  Nicht in den USA und auch sonst nirgends in der Welt. Ein solcher Konsens ist heute immer noch Utopie. Mehr noch, es sieht zur Zeit sogar so aus, als ob das bereits erreichte Niveau der demokratischen Kultur im Zuge der globalen Krise rückläufig sei – auch  in der Europäischen Union, auch in Deutschland. Die weltweite Migration führt zudem dazu, daß bestehende demokratische Strukturen unter starken Veränderungsdruck kommen. Um so unabweisbarer wächst die Herausforderung sich nicht nur für den Erhalt demokratischer Strukturen, sondern für deren Weiterentwicklung von der Basis her einzusetzen.

Für das nächste Mal haben wir deshalb noch einmal die „Charta für ein Europa der Regionen. Wege der Selbstbestimmung auf freiheitlicher und demokratischer Grundlage“ auf die Tagesordnung gesetzt, die wir schon einmal im Zuge ihrer Erarbeitung 2012 kurz besprochen haben. Inzwischen liegt die Charta öffentlich vor, nachzulesen auf der Website der „Initiative Demokratiekonferenzen“ unter  http://www.demokratiekonferenz.org/charta. Zu empfehlen ist rückgreifend auch der Bericht zum 18. Treffen des „Forums integrierte Gesellschaft“ vom 10.06.2012 unter der Überschrift „Europa der Regionen“ (einzusehen unter: www.kai-ehlers.de / Forum integrierte Gesellschaft).

    In der „Charta“ wird der Versuch unternommen, den Entwurf einer subsidiären Gesellschaft der Selbstbestimmung in kooperativer Gemeinschaft zu entwerfen. Für die Zeit vom 14. – 16.02.2014 lädt die „Initiative Demokratiekonferenzen“ unter dem Thema „Europa der Regionen“ VertreterInnen von Initiativen, Gruppen und auch Parteien, die auf dem Feld der Demokratisierung aktiv sind, zu Beratungen über mögliche gemeinsame Alternativen im Vorfeld der Wahlen zum Europäischen Parlament und darüber hinaus ein.

Termin für das kommende Treffen:

Sonnabend, d. 16.11.2013 um 16.00 Uhr in der Jurte,

(Anmeldung)

 Im Namen des „Forums integrierte Gesellschaft“,

Kai Ehlers, Christoph Sträßner