Schlagwort: Ukraine

Ukraine – Nationalismus – Russischer maidan – Alternativen – Kriegsgefahr: Kai Ehlers spricht mit dem russischen Dichter-Schritsteller Jefim Berschin

Kai Ehlers: Die politische Situation zwischen Russland und dem Westen ist sehr gespannt. Wo siehst du die Gründe für diese Entwicklung?

 

Jefim Berschin: Ich denke, dass die Entwicklung schon seit langem läuft. Sie steuert jetzt auf den Höhepunkt zu. Es ist die Wirtschaft, die heute herrschende Konsumethik, die auf den Höhepunkt zutreibt. Nichts kann ewig wachsen.

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Ukrainische Groteskereien: „Wenn Poroschenko kommt, werden wir sprechen.“

In den Schlagzeilen deutscher Medien wurde gemeldet: „Pro-russische Rebellen starten Großoffensive.“ (Focus) „Separatistenführer will keine Friedensgespräche“ (FAZ), „Separatistenführer lehnt Gespräche mit Kiew ab“ Spiegel-online). (focus) Der deutsche Außenminister Steinmeier wird dazu mit dem Vorwurf der „Kriegstreiberei“ an die Adresse der Donezker Führung zitiert. ...  Damit war der Waffenstill von beiden Seiten beendet. ... Aber, bitte! Sachartschenko kündigte keineswegs nur die neue Offensive an.

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Poroschenkos blutige Märchenstunde

Zeitgleich mit der Wiederaufnahme des Artilleriebeschusses der Städte Donezk und Lugansk,  das heißt der faktischen Kündigung des Minsker Abkommens durch eine erneute Offensive Kiews gegen die Volksrepubliken Donezk und Lugansk, veröffentlichte der ukrainische Präsident Petro Poroschenko in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ vom 19.01.2015 einen Aufruf an Europa.

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Minsker Vexierbild – Einladung zu genauerer Betrachtung

Am Anfang des Jahres 2015 steht ein Vexierbild. Auf den ersten Blick zeigt es den ukrainischen Präsidenten Poroschenko, der zur Fortsetzung der Minsker Gespräche nach Astana, in die Hauptstadt Kasachstans einlud. Im „Normandie-Format“, also ohne die USA, sollten dort Wladimir Putin, Angela Merkel, François Hollande und Poroschenko selbst am 15. Januar Gespräche zu Lösung der ukrainischen Krise führen.

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Die soziale Revolte in der Ukraine – was ist ihr Kern und wofür steht sie?

Nun ist morgen Weihnachtsabend und demnächst Sylvester, überhaupt kommt, einfach gesagt, die Jahreswende auf uns zu und sowohl hier bei uns als auch anderswo denkt manch eine/r über einen Neubeginn nach. Zumindest sind solche Versuche nicht auszuschließen.

Wir wollen unseren Bericht deshalb heute extrem kurz halten, indem wir uns auf das beschränken, was unbedingt ins nächste Jahr mitgenommen werden muss.

 

Das ist zum einen, ungeachtet aller später aufgesattelten Verzerrungen,  die Grundbotschaft des Ukrainischen  Maidan: Revolte für ein menschenwürdiges Leben, die Suche nach Selbstbestimmung und Souveränität sind gerechtfertigt.

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Gegen den Krieg – können wir sachlich bleiben?

In wenigen Tagen, am 13.12.2014, wird es in verschiedenen deutschen Städten Demonstrationen für die Erhaltung des Friedens und die Rückkehr, bzw. den Aufbruch zu einem neuen Dialog mit Russland geben.

Passend zu diesem Anlass erschien vor wenigen Tagen der Aufruf von 64 Prominenten „Wieder Krieg in Europa? Nicht in unserem Namen!“, der zur Entwicklung einer neuen Entspannungspolitik gegenüber Russland aufruft.

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Regierungsbildung in Kiew – Aufbruch in die Revolte?

Eine Groteske wird soeben vor den Augen der Welt aufgeführt. Das Stück trägt den einfachen Titel: Die Verwandlung einer Umsturzregierung in ein modernes Protektorat. Inhalt: die  Übernahme der Ukraine in die Vormundschaft der USA, der Europäischen Union, des IWF und sonstiger internationaler Geldinstitute.

„Die Regierung steht“, titelte „Die Welt“ und andere Leitmedien fielen in diesen Tenor ein. Zwar sei das, was sich im Zuge der Regierungsbildung jetzt in Kiew abgespielt habe, ein „bisschen unorthodox“. Das Wochenblatt „Die Zeit“, nicht gerade hervorgetreten durch kritische Berichterstattung zum ukrainischen Bürgerkrieg, fand zur Beschreibung der Vorgänge sogar zu der Überschrift: „Jazenjuks schräge Kabinettsbildung.“ Aber schnell beruhigte man sich mit der Versicherung des ukrainischen Präsidenten, dass ungewöhnliche Zeiten auch ungewöhnliche Methoden erforderten. Ähnlich berichteten auch andere etablierte Medien.

Was ist geschehen? Betrachten wir die Aufführung aus der Nähe:

Am 2. Dezember 2014  bestätigte die am 26. Oktober des Jahres neu gewählte, in Kiew tagende Werchowna Rada mit 288 von 399 Stimmen das vom Gespann Poroschenko/Jazenjuk vorgeschlagene neue Kabinett (bei einer Enthaltung eines ins regierungsfreundliche Lager  gewählten Maidan-Journalisten). Mit diesem Beschluss wurde die seit dem Umsturz vom 21. Februar 2014 provisorisch tätige Regierung abgelöst. Die Abstimmung wurde im „Paket“ durchgeführt. Die Kandidaten wurden nicht einzeln besprochen. Der Vorschlag Poroschenkos/Jazenjuks wurde en bloc und ohne vorherige Debatte durchgewinkt. Von Demokratie keine Spur.

Im Amt bestätigt wurden auf diese Weise erwartungsgemäß der bis dahin provisorische Premier Arsenij Jazenjuk, ebenso wie Außenminister Pawlo Klimkin, Verteidigungsminister Stephan Poltarak und Innenminister Arsen Awakow sowie einige andere Mitglieder des alten Kabinetts.  Soweit nichts Besonderes. Das könnte man als Alltag zur Kenntnis nehmen.

Was die Welt jedoch aufhorchen ließ, ist die Tatsache, dass und die Art, wie drei ausländische Politmanager westlicher Herkunft, konkret Experten mit amerikanischem Hintergrund, in Schlüsselstellungen der neuen Regierung gehievt wurden, unter ihnen eine Frau. Um ihre Ernennung zu Ministern einer Ukrainischen Regierung zu ermöglichen, waren sie nur wenige Stunden vor der Abstimmung durch Erlass Poroschenko`s im Eilverfahren eingebürgert worden.

Die drei ukrainischen Neubürger und ihre Funktionen sind:

Natalie Jaresko, gebürtige US-Amerikanerin – für das Finanzministerium: Jaresko studierte in Harvard, betreute für den IWF Programme der „Gemeinschaft unabhängiger Staaten“ (GUS); nach der „bunten Revolution“ von 2004 holte der damalige Präsident Juschtschenko sie nach Kiew. Unter anderem leitet sie einen „Private-Eqiuty-Fonds“, also Management von privatem Risikokapital in  der Ukraine. Sie soll die Korruption bekämpfen und das Steuersystem reformieren. Von ihr wird der Spruch überliefert: „Die Wettbewerbsfähigkeit ist die erste, zweite, dritte, vierte, fünfte und zehnte Priorität.“ (Die Zeit, 3.12.2014)

Aivaras Abromavicius, gebürtiger Litauer – für das Wirtschaftsministerium: Auch Abromavicius studierte in den USA, danach war er tätig bei der Stockholmer Investfirma „East Capital Group“, später bei der „Hansabank“ in Estland. Er lebt seit 2000 als Ausländer in Kiew.

Alexander Kwitaschwili, gebürtiger Georgier – für das Gesundheitsministerium: Auch Kwitaschwili wurde in den USA ausgebildet, war dort als Gesundheits-Manager tätig. Als Gesundheitsminister unter dem Georgischen Präsidenten Saakaschwili unterzog er das georgische Gesundheitswesen einer radikalen Sparkur. Er will jetzt auch in der Ukraine ein Gesundheitssystem nach westlichen Maßstäben einführen.

Washington wies eine Beteiligung an dem Coup der Kabinettsbildung von sich, versteht sich. Das Arrangement hat sich zweifellos von selber ergeben.

Die von Poroschenko vor der Abstimmung angekündigte Einrichtung eines Krim-Ministeriums, sowie eines Ministeriums für Fragen der Integration mit der Europäischen Union, die der Präsident ebenfalls mit Ausländern besetzt haben wollte, unterblieb bis auf weiteres. „Die Zeit“ weist jedoch noch darauf hin, dass über die drei neuen aus dem Ausland geholten Minister hinaus auch viele gebürtige Ukrainer im neuen Kabinett „sich durch Ausbildung im Ausland und Erfahrung in der Privatwirtschaft“ auszeichneten: „Igor Schewtschenko, Minister für Ökologie und Naturressourcen, hat in Italien Europarecht studiert und ist Rechtsanwalt und Gründer von Shevchenko Asset Management. Andrej Piwowarski hat die Fletcher School of Law and Dipolmacy in Boston absolviert und war bis zu seiner Ernennung zum Infrastrukturminister Generaldirektor der Kontinuum Group, einer industriellen Holding. Der neue Landwirtschaftsminister hat in den Niederlanden studiert und ist Partner bei Pharus Assets Management.“

Bei diesem kurzen Blick durchs Schlüsselloch des transnationalen Kapitals mag es hier bleiben. Später wird man mehr vom Wirken dieser Reformer hören.

Übertroffen wurde diese Art der Kabinettsbildung nur noch durch den Beschluss der Rada, ein zentrales „Ministerium für Informationspolitik“ einrichten zu wollen. Es soll russischer Propaganda eine eigene ukrainische entgegensetzen.  Verantwortlich soll Juri Stets sein, bisher Chef für „Informationssicherheit“ der Nationalgarde, davor Chef des privaten Fernsehsenders „5. Kanal“, dessen Eigentümer Poroschenko auch als Präsident immer noch ist. Sets äußerte die Ansicht, dass die „unkontrollierte“ ukrainische Informationspolitik einer einheitlichen Führung bedürfe.

Angesichts der Existenz eines „Ukrainian Crisis Media Center“, das seit März 2014 eine eigene Website unterhält, das neben sonstigen Tätigkeiten täglich Briefings an mehr als 900 Adressen in der ganzen Welt versendet; angesichts solcher Konferenzen wie „Ukraine: Thinking together“ vom Mai 2014, zu der sich eine „internationale Gruppe von Intellektuellen“ traf, um von dort die Botschaft in die Welt zu schicken, dass der Westen den Kulturkampf gegen Russland aufnehmen müsse und angesichts der Tatsache, dass Poroschenko in der Ukraine immer noch den „5. Kanal“ kommandiert, lässt die Forderung von Sets nach mehr Kontrolle vermuten, dass man mehr will als nur „Informationen“ zu verbreiten.

Zumindest hat Stets harte Kritik von Maidan-Bürgerrechtlern hervorgerufen. Rund vierzig Journalisten protestierten vor der Rada mit Schildern, auf denen das geplante „Informationszentrum“ als „Wahrheitsministerium“ kritisiert wird, wie es George Orwell seinerzeit in seinem Roman 1984 beschrieben habe. Auch „Reporter ohne Grenzen“ protestierten. Es sei „nicht Aufgabe der Regierung, Informationen zu kontrollieren“, so der Geschäftsführer der Organisation. Weitere Proteste sind zu erwarten.

An den Beschlüssen der Rada ändert das vermutlich wenig. Die neue Regierung soll jetzt die Vorgaben des Assoziierungsabkommens umsetzen. Jazenjuk kündigte „harte Zeiten“ an. Die Regierung sei bereit für radikale Veränderungen. „Die Mission wird zu Ende geführt“, versicherte er. Um 300.000 Millionen Dollar seien die Sozialausgaben in diesem Jahr schon gesenkt worden, weitere Absenkungen würden folgen; steigen sollen nach Jazenjuks Willen dagegen die Ausgaben für das Militär – wenn es der Haushalt, der jetzt von den aus dem Westen eingeführten Managern saniert werden soll, denn hergibt.

 

Hinter der Bühne

Die ganze Brisanz des Arrangements dieser Kabinettsbildung wird deutlich, wenn man sich erinnert, dass kurz vor den Parlamentswahlen vom 26. Oktober 2014 das zu der Zeit provisorische Übergangs-Parlament mit einer knappen Mehrheit von 231 Stimmen (von offiziell 450 laut Verfassung für die gesamte Ukraine) schnell noch das sog. Lustrations-Gesetz beschloss. Die genaue Bezeichnung des Beschlusses lautete: „Gesetz über die Säuberung des Regierungsapparates“. (siehe dazu die  Analyse der Böllstiftung vom 21. Oktober 2014)

Nach diesem Gesetz sollen alle diejenigen Beamten und Angestellten entlassen werden, die in der Zeit vom 25. Februar 2010 bis zum 22. Februar 2014 unter dem gestürzten Präsidenten Janukowytsch in leitender staatlicher Stellung tätig waren. „Das betrifft Regierungsmitglieder, Angehörige der Staatsanwaltschaft und der Sicherheitsorgane, des Zolls, der Steuer, geht aber hinunter  zu den Leitern von Kreisverwaltungen und Leitern von Staatsunternehmen, die ‚administrative Dienstleistungen‘ gewähren.“ (Böllstiftung) Betroffen sind auch die Menschen, die in der Verlaufszeit des Euromaidan vom 21. November 2013 bis 22. Februar 2014 nicht freiwillig ihre Arbeitsstellen gekündigt haben.

Ausgenommen von dem Gesetz sind alle Stellen, die durch Wahl besetzt werden, also alle Abgeordneten, aber auch Regierungsmitglieder – und dies auch dann, wenn sie wie zum Beispiel Poroschenko, in mehrfachen Funktionen unter Janukowytsch gedient haben.

Damit entlarvt sich das Gesetz in doppelter Weise, einmal als opportunistisches Zugeständnis an die unzufriedenen Maidaner, die nach wie vor eine Reinigung des Landes von oligarchischen Korruptionären fordern. Rechte „Aktivisten“ des Maidan waren vor der Parlamentswahl schon selbst zur sog. „Müll-Lustration“ übergegangen, in deren Verlauf missliebige Staatsangestellte gewaltsam, nicht selten auch brutal, öffentlich in Müllcontainer „entsorgt“ wurden.

Zum anderen zeigt das Gesetzt sich als Instrument einer geradezu „klassischen“ Säuberung des Herrschaftsapparates, wie sie schlimmer, aber auch dümmer nicht angelegt sein könnte. Es öffnet zudem, da alle „Lustrationen“ öffentlich bekannt gegeben werden, der Denunziation und der weiteren Vergiftung des gesellschaftlichen Klimas Tür und Tor und stellt die Verwaltung des neuen Staates zudem auf äußerst opportunistische und zugleich unerfahrene Füße.

Hinzu kommt schließlich noch, dass sich auch von der Lustration befreien kann, wer aktiv an der von der Regierung so genannten Anti-Terror-Operation, also dem Bürgerkrieg gegen die abtrünnigen Gebiete im Osten teilnimmt. Dies kommt einer staatlichen Aufforderung zum Töten aus niederen Beweggründen gleich – Juristen nennen so etwas Anstiftung zum Mord.

Mit Unterschrift vom 16. Oktober setzte Poroschenko dieses Gesetz in Kraft. Nach Schätzungen sind von dem Gesetz, wenn es  konsequent umgesetzt wird, rund eine Million Menschen betroffen.

Dem ist nur noch hinzuzufügen, was selbst die Böllstiftung, die sich im Verlauf der Maidan-Revolte nicht gerade in der Aufdeckung faschistischer Tendenzen hervorgetan hat, in ihrer Analyse jetzt zustimmend zitiert: „Vernichtend ist die Kritik an dem Gesetz von Seiten von Bürgerrechtlern. In einem inzwischen versteckten Beitrag für die einflussreiche Internetzeitung Ukrajinska Prawda konstatiert Jewhen Sacharow von der Charkower Menschenrechtsgruppe: ‚In der Ukraine wird das Recht des Stärkeren  zur Hauptsache und die Stärke des Rechts ist auf den Nullpunkt gesunken‘. Gleichzeitig bezeichnet er die Welle der ‚Müll-Lustrationen‘ als ‚faschistische Handlung‘. Der ehemalige Dissident Semjon Glusman konstatiert enttäuscht: ‚Das Lustrationsgesetz, das die Werchowna Rada unter dem Druck der Straße verabschiedet hat, ist kein Rechtsdokument. Es widerspricht sogar dem recht‘.“ (Böllstiftung, 21.11.2014)

Passend zu der Einführung von Ausländern als oberste Sanierer und Korruptionsjäger des Landes und zu der Einrichtung eines „Informationszentrums“ als Kontrollorgan richtigen Ukrainischen Denkens bekräftigte Jazenjuk am Tage der Kabinettsbildung den bevorstehenden Vollzug des Lustrations-Gesetzes, der zunächst etwa 500.000 Menschen betreffen werde. Deutlicher kann ein Statthalter des Westens seine Verachtung für die Menschen seines Geburtslandes wohl kaum noch demonstrieren. Das ist auch durch noch so radikale nationalistische Sprechblasen auf Dauer nicht zu übertönen. Die Antwort der so Verachteten, ins Abseits Gedrängten und Getäuschten wird nicht auf sich warten lassen – ganz zu schweigen von der aus der puren Not wieder aufsteigenden sozialen Revolte, nicht nur im Osten, sondern auch im Westen des Landes. Einheimische Kritiker geben der Regierung 100 Tage. Die Frage ist allein, wie die Antwort dann aussieht.

Kai Ehlers, www.kai-ehlers.de                                     Freitag, 5. Dezember 2014

Brief aus Russland – Eindrücke von der anderen Seite

Liebe Freunde zu Hause in Deutschland, liebe Freundinnen, erlaubt mir heute bitte ein paar persönliche Worte zur gegenwärtigen Lage aus Russland, wo ich nich zur Zeit aufhalte.

Weit entrfernt  von den Redaktionen, aus denen gegenwärtig der Welt mitgeteilt wird, was Russland alles zu tun hat, um nicht als Agressor zu gelten, erlebe ich hier zur Zeit einen bemerkenswert ruhigen Alltag.

Bemerkenswert deswegen, weil ja die Athmosphäre von Eskalationselementen nur so schwirrt, die uns zur Zerit aus jeder Ecke der Welt entgegenkommen

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Blick in den Hintergrund: Manifest der „Volksbefreiungsfront“ zu den Zielen des Widerstandes im Süden und Osten der Ukraine

Die Veröffentlichung eines Aufrufes zur Verteidigung der Menschenrechte in der Ukraine durch eine „Versammlung von Bürgern der Ukraine und Repräsentanten internationaler Solidaritätsnetzwerke“ vom 07. Juli 2014  hat die unterschiedlichsten Reaktionen hervorgerufen. ... Für etwas mehr Einsicht kann die Erklärung sorgen, welche die Ukrainischen Teilnehmer und Teilnehmerinnen der Jaltaer Konferenz beschlossen haben...

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Internationale Konferenz in Jalta – Aufruf zur Verteidigung der Menschenrechte in der Süd- und OstukraineKonferenz –

Vom 06. – 07.  07. 2014 fand in Jalta/Krim eine internationale Konferenz von Bürger/innen der Ukraine und Repräsentant/innen des internationalen Solidaritätsnetzwerkes statt, das zur Solidarität mit den Menschen aufruft, die von dem Krieg bedroht sind, den die Kiewer Regierung  mit Unterstützung des Westens gegen die eigene Bevölkerung führt. Thema: „Die globale Krise und der Widerstand in der Ukraine.“ Von den zwischen 50 und 70 Teilnehmerinnen und Teilnehmern kamen vier Fünftel aus den autonomen Republiken Donezk, Lugansk und anderen nach Autonomie strebenden Teilen der Ukraine.

Anwesend waren auch Vertreter/innen aus dem Kiewer Raum wie aus dem karpatischen Süd-Westen, des Weiteren rund ein Dutzend Teilnehmer/innen aus den USA, Kanada, Schweden, England, Österreich, Deutschland und Russland.

Erörtert wurden die globalen Ursachen des Kiewer Maidan – die aggressive Krise des westlichen Kapitals, das seinen Einfluss zu erweitern und über die Einbindung der Ukraine in die Strukturen von  EU, NATO und USA die russische Föderation, China und andere potentielle Konkurrenten einzudämmen sucht.

Erörtert  wurde der Übergang des Maidan von einem radikal anti-oligarchischen, pro-europäischen Prozess in eine nationalistische Bewegung, dominiert vom radikalen „Rechten Sektor“, unter dessen Druck  die Regierung Janukowitsch gestürzt und durch eine provisorische Übergangsregierung ersetzt wurde.

Erörtert wurden weiter die sozialen, historischen und aktuellen politischen Wurzeln des Anti-Maidan, die dessen Forderungen nach Autonomie zugrunde liegen: die prekäre soziale Lage, die durch den Anschluss der Ukraine an die europäische Freihandelszone und die daraus folgende Schwächung der eigenen Industrie noch verschärft werden wird, die historische und ökonomische Verbundenheit mit Russland, der Widerstand gegen die vom späten Kiewer Maidan, von der provisorischen und jetzigen Regierung Kiews ausgehenden Zwangs-Ukrainisierung unter dem Druck des rechten Nationalismus.

Unterschiedliche Bewertungen gab es zu der Frage, wie die provisorische und gegenwärtige Kiewer Regierung zu bezeichnen sei – als nicht legitim, als faschistisch oder „nur“ als eine gewaltsam installierte neo-liberale Regierung, welche die Austeritätsziele der ukrainischen Oligarchen und des ausländischen Kapitals mit Hilfe faschistischer Gewalt durchsetzt. Man fand sich in der Formulierung einer „neo-liberalen Regierung, die faschistische Kräfte enthält“.

Unterschiedliche Bewertung gab es dementsprechend, worauf im Bemühen um internationale Solidarität hauptsächlich zu orientieren sei.

Für die gemeinsame Deklaration setzte sich schließlich eine Argumentation durch, welche die Verurteilung des brutalen Angriffs auf die Menschenrechte in den Mittelpunkt rückt, mit dem die neuen Kiewer Machthaber gegen die nach Autonomie verlangende eigene Bevölkerung vorgehen.

Unterschiedliche Positionen gab es auch – allen voran, versteht sich, unter den ukrainischen Teilnehmer/innen – zu den Zielen des Widerstandes. Sind autonome, föderale Lösungen im Rahmen eines alle heutigen Teile der bisherigen Ukraine umfassenden ukrainischen Staates noch möglich oder kann es keine Einheit mehr mit den „Faschisten“ in Kiew geben? Kann und soll ein einheitlicher neuer Staat „Novorossia“ begründet werden? Wie sollte er gestaltet sein? Welche Grundsätze sollten in ihm gelten? Zu diesen Fragen wurden, salopp gesprochen, so viele unterschiedliche Vorstellungen vorgebracht wie Vertreter/innen der verschiedenen Regionen, bzw. auch Widerstandszellen anwesend waren – Donezk, Lugansk, Slawjansk, Charkow, Ukrainische Karpaten u.a.. Eine russischsprachige Erklärung, die eine gemeinsame Zielsetzung für die im ukrainischen Konflikt Stehenden zu skizzieren versucht, wurde nach kontroverser, keineswegs beendeter Debatte verabschiedet.

Anzumerken ist, dass die Konferenz angesichts der prekären Lebenssituation der Masse der ukrainischen Zivilbevölkerung als ganzer, im Besonderen jedoch der Leiden der zur Zeit von der Kiewer Regierung mit Krieg überzogenen Bevölkerung des Ostens und des Südens sowie der humanitären Flüchtlingskatastrophe in starker Betroffenheit und in angespanntem Ernst vonstattenging; dies umso mehr als die aufgrund der Eingliederung in die russische Föderation nicht von den Bürgerkriegswirren erfasste Krim den Hintergrund  bildete, vor dem diese Konferenz stattfand.

Kai Ehlers

www.kai-ehlers.de

(Im Anhang die in Jalta verabschiedete Deklaration im englisch gehaltenen Original und in deutscher Übersetzung, Übersetzer: Kai Ehlers)

Erklärung von Jalta

 

der Versammlung von Bürgern der Ukraine und Repräsentanten internationaler Solidaritätsnetzwerke vom 7. Juli 2014.

 

In der Ukraine entwickelt sich eine schwere menschenrechtliche und humanitäre Katastrophe.

 

Die ukrainische Regierung, die im Februar 2014 die Macht übernahm, führt einen brutalen militärischen Angriff gegen die Bevölkerung im Süd-Osten des Landes.

 

Das Assoziierungsabkommen, das die Regierung am 30. Juni 2014 unterzeichnete, und ihr Austeritätsprogramm kündigen eine scharfe Reduzierung des Lebensstandards an und zerstören effektiv die Industrie, die weitgehend im Südosten lokalisiert ist. Die Ukrainische Regierung schließt rechtsextreme Kräfte mit ein und eine der ersten Maßnahmen ihres anfänglichen Extremismus, danach zurückgezogen, bestand darin Ukrainisch zur einzigen offiziellen Sprache zu machen und damit die Sprachrechte von Millionen Russisch-, Ungarisch- und Anderssprachiger zu verletzen.

 

Diese Regierung wurde von den Regierungen der USA, Englands und der EU sofort anerkannt und in großem Maße finanziell, logistisch, diplomatisch und militärisch unterstützt in der Absicht die Ukraine für internationale Investitionen von Finanzen und Kapital zu öffnen. Die USA will darüber hinaus ihre lange verfolgten Ziele weiter fördern, Russlands Einfluss in der Eurasischen Region einzuschränken, indem sie benachbarte Länder in den Einflussbereich der NATO zieht.  Das kann die Region nur weiter destabilisieren.

 

Menschen, die gegen die Kiewer Regierung protestierten, wurden verhaftet, ins Gefängnis gesperrt, angegriffen und ins Exil getrieben. Einer der schlimmsten Fälle von Gewalt waren die Erschießungen und der Mord von wenigstens 48 Demonstranten in Odessa am 2. Mai.

 

Die Menschen in der Süd-Ost-Ukraine haben versucht sich angesichts des gewaltsamen Vorgehens der Kiewer Regierung selbst zu schützen. Ihre friedlichen Demonstrationen gegen das Austeritätsprogramm und ihre Forderungen nach Autonomie wurden von bewaffneten Banden, von faschistischen paramilitärischen Kräften und von der neuen Nationalgarde gewaltsam beantwortet, deren Mitglieder zu großen Teilen aus den Parteien der äußersten Rechten kommen. In einem Referendum stimmte die Bevölkerung im Süd-Osten der Ukraine mit überwältigender Mehrheit für Selbstverwaltung und deklarierte die Unabhängige Volksrepublik in Lugansk und Donezk.

 

Indem die Kiewer Regierung versucht diese Gebiete zurückzugewinnen, ist sie dabei deren Bewohner zu töten und ihnen den Zugang zu Nahrung, Wasser und medizinischer Versorgung zu nehmen.

 

WIR, Repräsentanten der Bevölkerung des Süd-Ostens und der zentralen Ukraine sowie  Vertreter aus Netzwerken der internationalen Solidarität mit dem Widerstand gegen den Krieg in der Ukraine appellieren für eine dringende weltweite Aktion.

 

Wir rufen auf:

 

  1. Zu einer sofortigen Beendigung des Krieges der Kiewer Regierung.
  2. Zu direkten Gesprächen zwischen Kiew und den Repräsentanten der Donezker und der Lugansker Republik.
  3. Zu einer sofortigen Beendigung der Verletzung von Menschenrechten durch die Kiewer Regierung.
  4. Zur Bildung einer internationalen Solidaritätsbewegung für die unmittelbaren und langfristigen Bedürfnisse der Menschen, die derzeit unter den Angriffen stehen, zur Bildung von Fonds für humanitäre Hilfe und für die Unterstützung ihres politischen Kampfes mit gewaltlosen Mitteln. Wir rufen dazu auf, öffentlich zu machen, was tatsächlich in der Region geschieht.
  5. Zu einer internationalen Untersuchung durch Juristen in Menschenrechtsanwälten über die Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen, die im Verlauf dieses Krieges begangen worden sind.
  6. Zu einer Beendigung der gegenwärtigen und geplanten Austeritätspolitik.
  7. Zu einer Beendigung der militärischen NATO-, EU-, USA-Unterstützung für diese Regierung.
  8. Zu einem sofortigen Abbruch der NATO-Manöver in der Ukraine und in Zentral- und Ost-Europa, die darauf gerichtet sind, weitere materielle und moralische Unterstützung für die Kiewer Regierung und ihren Bürgerkrieg zu geben und
  9. Zu einem internationalen Protest gegen den NATO-Gipfel in Wales im September.

 

 

Unterschrieben von:

 

Alan Freeman (England); Radhika Desai (Kanada); Richard Brenner (England); Hermann Dworczak (Österreich); Jeffrey Sommers (USA); Roger Annis (Kanada); Tord Björk (Schweden); Kai Ehlers (Deutschland); Boris Kagarlitsky (Russische Föderation); Vasiliy Koltashow (Russische Föderation); Alla Glintchikowa (Russische Föderation); Wladimir Rogow (Ukraine); Aleksei Anpilogow (Ukraine); Aleksei Albu (Ukraine); Yana Manuilowa (Voksrepublik Donezk); Anastasia Pyaterikowa (Volksrepublik Lugansk)

 

Ukrainische Organisationen:

 

Zentrum für Koordination und Unterstützung einer Ukrainischen Föderation; Vereinigung Ukrainischer Bürger; Politische Partei Borot’ba; Slawische Wache (Zaporozh’e); Volkseinheit (Charkow); Lugansker Wache; Initiativ-Gruppen des antifaschistischen Widerstands von Sumy, Kiew, Dnepropetrowsk, Zaporosche, Odessa.

 

(Unterstützer/innen dieser Deklaration wenden sich bitte an: info@kai-ehlers.de)

(Die Erklärung kann auch hier direkt unterzeichnet werden: http://www.ipetitions.com/petition/yalta-declaration

 

 

 

 

Yalta Declaration

 

Of the assembly of citizens of Ukraine and representatives of international solidarity networks

Yalta, Crimea,

7 July 2014.

 

A major human rights and humanitarian catastrophe is unfolding in Ukraine.

 

The government that took power in Kyiv in February 2014 is conducting a brutal military assault in the southeast of the country.

 

The European Union Association Agreement signed by the government on June 30 and its austerity program promise to sharply reduce living standards and effectively demolish industry, largely located in the southeast. The government includes ministers from far right parties and one measure of its early extremism was a measure, soon withdrawn, to make Ukrainian the only official language, violating the language rights of millions of speakers of Russian, Hungarian and other languages.

 

This right wing government was immediately recognized and given extensive financial, diplomatic and military support by the US, UK and EU governments. They aim to open Ukraine up to investment for international finance and capital. The US also aims to further its long-standing project of countering Russia’s power in the Eurasian region by its drawing neighbouring countries into the orbit of NATO. This can only further destabilize the region.

 

Protesters against the Kiev government have been arrested, imprisoned, attacked and driven into exile. One of the worst cases of violence was the killing and murders of at least 48 antifascist protesters in Odessa on May 2.

 

People in southeast of Ukraine have sought to protect themselves in the face of the violence of the Kiev government’s agenda. Their peaceful demonstrations against austerity and demands for autonomy were violently met by armed gangs, fascist paramilitaries, and the new National Guard, many of whose members are drawn from the parties of the far right. In a referendum in May, the people of the regions of Donetsk and Lugansk voted overwhelmingly for self-rule and declared autonomous people’s republics.

 

As the Kiev government seeks to regain these areas, it is engaged in killing its citizens and denying them access to food, water and medicines.

 

WE, representatives of the people from south east and central Ukraine and delegates from networks of international solidarity with the resistance to war in Ukraine, make this appeal for urgent worldwide action: We call

 

  1. For an immediate end to the war by the Kiev government;
  2. For direct talks between Kiev and the representatives of Donetsk and Lugansk republics;
  3. For an immediate end to the Kiev government’s human rights violations;
  4. For an international solidarity movement addressing the immediate and long term needs of the people currently under attack, raising funds for humanitarian relief and support for their political struggle through non-violent means and exposing what is really happening in the region;
  5. For an international inquiry headed by jurists and human rights advocates into the human rights violations and war crimes that have been committed in the course of this war;
  6. For an end to present and planned austerity policies;
  7. For an end to NATO, EU, US military support for the Kiev government;
  8. For immediate cancellation of the NATO maneuvers in Ukraine and in central and Eastern Europe designed to give further material and moral support to the Kiev government and its civil war; and
  9. For an international protest against the NATO summit in Wales in September.

 

Signed:

Alan Freeman (United Kingdom); Radhika Desai (Canada); Richard Brenner (United  Kingdom);Hermann Dworczak (Austrua); Jeffrey Sommers (USA); Roger Annis (Canada); Tord Björk (Sweden); Kai Ehlers (Germany); Boris Kagarlitsky (Russia); Vasiliy Koltashov (Russia); Alla Glintchikova (Russia); Vladimir Rogov (Ukraine); Aleksei Anpilogov (Ukraine); Aleksei Albu (Ukraine); Yana Manuilova (Donetsk People’s Republic); Anastsia Pyaterikova (Lugansk People’s Republic)

Ukrainian organizations:

Centre for Coordination and Support of Ukrainian Federation; Union of Ukrainian Citizens; Borot’ba Political Party; Slavic Guard (Zaporozh’e); People’s Unity (Khar’kov); Lugansk Guard; Initiative groups of Antifascist resistance from Sumy, Kijev, Dnepropetrovsk, Zaporozh’e, Odessa.

The decalarion can be signed dikrectly by:  http://www.ipetitions.com/petition/yalta-declaration

 

 

 

Ukraine – Bestandsaufnahme im Juni

Schafft ein, zwei, drei viele Allmenden

 

Bericht vom 37. „Forum integrierte Gesellschaft“  am 22.06.2014

Thema: Und immer noch die Ukraine.

Eine Bestandsaufnahme im Juni

 

Liebe Freundinnen, liebe Freunde des Forums, liebe Interessierte!

Es hat jetzt einige Monate gebraucht, bis wir uns wieder  im Forum versammelt haben. Noch steht unsere von den Stürmen des Frühlings zerstörte Versammlungsjurte nicht wieder, aber ihre Wiedergeburt in neuer Gestalt ist für September geplant.

Doch die zerstörte Jurte war nicht der einzige, nicht einmal der wichtigste Grund für die lange Berichtspause – es waren die Ereignisse in und um die Ukraine, die uns so in Anspruch genommen haben, dass für zusätzliche Berichte keine Kraft mehr blieb.

Allmählich ist nun aber absehbar, dass wir mit weiteren Versammlungen unseres Forums und den inzwischen fast traditionellen Berichten nicht weiter  warten können, bis irgendwann einmal Frieden in der Ukraine und eine entspannte internationale Lage, vor allem ost-west  eingetreten ist – denn auch wenn die Lage sich äußerlich aktuell unter dem Schirm dieses „Friedensplanes“ zu entspannen scheint, ist doch eine tatsächliche Lösung der ukrainischen Problematik und eine Ost-West-Entspannung noch in ziemlicher Ferne.

Wir haben uns daher bei unserem letzten Treffen am 22.Juli, zwei Tage nach der Vorlage des „Friedensplanes“ zusammengefunden, um eine Bestandsaufnahme zu versuchen und fanden – ich sage das vorweg – weitaus mehr Fragen als Antworten.

Nur in einem waren wir einig: Der Plan des neuen Präsidenten, so wie er von ihm eingangs vorgelegt wurde, war kein Angebot zu Verhandlungen, sondern ein Katalog, der Unterwerfung  von denen fordert, die bereit sind zu kapitulieren, während er die übrigen mit Ausweisung, bzw. wenn sie weiter Widerstand leisten wollen, mit Liquidation bedroht. Inzwischen sieht es so aus, als ob selbst dieses arge Dokument dazu beigetragen hat, eine gewisse Gesprächsbereitschaft auf allen Seiten zu fördern.– es sollte aber niemand übersehen,  dass auch nach Vorlage des „Friedensplans“ weiter geschossen wurde und bis zum Abfassen dieses Schreiben noch wird, und zwar von beiden Seiten und dass der Strom ziviler Flüchtlinge, der sich in die russische Föderation nach Norden und in die Krim nach Süden wälzt, in nicht zu kontrollierender Weise in die Hunderttausend geht.

Dies alles gilt zweifellos auch noch nach der überraschenden Aufforderung Wladimir Putins an den russischen Föderationsrat, die ihm erteilte Vollmacht zur  Intervention in die Ukraine wieder aufzuheben. (Dieser Schritt kam Juni zwei Tage nach unserem Treffen vom 22. Juni)

Unter dem Eindruck dieser Situation stellen sich jedoch einige grundlegende Fragen, die hier nicht erschöpfend beantwortet, aber doch wenigstens in Kürze aufgezeigt werden sollen.

Die wichtigste Frage, die unter unterschiedlichen Aspekten immer wieder auftaucht, lautet:   Wird Russland sich dazu provozieren lassen, militärisch in die ukrainischen Konflikte einzugreifen? Wenn nicht, wie der aktuelle Schritt Putins deutlich zu machen scheint, dann warum nicht?

Scheut Russland vor der Gefahr einer internationalen Isolierung, einem vielleicht gar möglichen militärischen Großkonflikt mit den Westmächten zurück?  Antwort: Sicher, ja. Positiv gesprochen, Russland hat weder Interesse an einer Zerstörung seiner wirtschaftlichen und kulturellen Beziehungen  zu den Ländern des Westens, auch wenn es sich China annähert, noch an einer militärischen Konfrontation. Russland ist nach wie vor damit beschäftigt, sich aus dem Trümmerfeld herauszubewegen, in das es mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion versunken war.  Die russischen Sorgen resultieren dabei aber weniger aus der Angst vor einem dritten oder wie manche meinen vierten Weltkrieg; ein Weltkriegs- Szenario gilt auch für Russland, trotz allen berechtigten Misstrauens gegenüber den Hegemonialdynamiken des Westens, der USA, aber auch der EU als nicht aktuell.

Aktuell jedoch sind die Sorgen Russlands, sich an der Ukrainischen Krankheit anzustecken. Diese Sorgen haben Russland verleitet, sich auf eine übereilte Einverleibung der Krim einzulassen. Diese Sorgen veranlassen Russland jetzt sich demonstrativ aus den innerukrainischen Konflikten herauszuhalten. Die Ukrainische Krankheit – das ist nicht etwa nur der Separatismus,  nicht etwa nur der russische Nationalismus, der sich im Zuge der Kämpfe, im Gefolge der Flüchtlingsströme in Russland spiegelbildlich zur Ukraine ausbreiten könnte. Es ist vor allem die Dynamik einer sozialen Revolte,  die gegen die Ergebnisse der 25jährigen Oligarchisierung in der Ukraine rebelliert und die sich über die Grenzen der Ukraine auch auf russisches Land ausweiten könnte – denn zwar hat Russland das Stadium des nackten, privaten Oligarchentums, wie es heute noch in der Ukraine herrscht und jetzt unter Poroschenko noch einmal gefestigt werden soll, zugunsten eines  staatlich eingebundenen Oligarchentums hinter sich gelassen,  aber das hat die sozialen Differenzen zwischen arm und reich, zwischen den glitzernden Megastädten und den prekären Lebensverhältnissen auf dem Lande und in den Regionen nicht geringer werden lassen, sondern sie zu neuen sozialen Spannungen verschärft,  die auf Lösung drängen. Ein Partisanenkrieg am Bauch Russlands, ein Flüchtlingsstrom, der die russische Wirtschaft und Gesellschaft belastet, könnte unter diesen Umständen auch für Russland Unruhe bedeuten.

Aber die Frage hat noch einen tieferen Kern: Was sind die Ziele der Volksrepublik Donbass/Lugans und der mit ihnen sympathisierenden Menschen in anderen Teilen der Ukraine – selbst in Kiew und im Westen des Landes, wenn auch durch die dort zur Zeit herrschenden nationalistischen Kräfte überdeckt? Auf den Punkt gebracht, wenn auch keineswegs von allen „prorussischen“,  „separatistischen“ oder einfach nur anti-oligarchischen Kräften gleichermaßen in klarem Bewusstsein  vertreten: die Forderung nach Selbstbestimmung gegenüber der Fremdbestimmung und Ausbeutung durch das oligarchische und jetzt auch noch vom Westen unterstützte Kapital, die Forderung nach räterepublikanischen Lebens- und Verwaltungsstrukturen, kurz: ein aus der Spontaneität kommender radikaler anti-oligarchischer, anti-kapitalistischer Ansatz mit starken Rückbindungen an sozialistische Traditionen. Nicht von ungefähr zogen kürzlich in Donezk zehntausende Stahlarbeiter mit Forderungen nach Vergesellschaftung  der großen Betriebe durch die Stadt. Solche Demonstrationen sind nur die Spitze eines Eisbergs.

Wenn Poroschenko gegen diese Bewegung, deren Grundziele Selbstbestimmung, regionale Selbstverwaltung, Föderalisierung des Landes sind, im Namen einer Zentralisierung der Staatsmacht Krieg führen lässt, dann ist das klare Aufstandsbekämpfung, dann geht es darum – unterstützt durch seine westlichen Befürworter und Finanziers, den antikapitalistischen Funken, der in diesen separatistischen Impulsen liegt, niederzukämpfen.

Und wenn Wladimir Putin den Donezker und Lugansker Separatisten seinerseits die Unterstützung versagt, dann deshalb, weil auch die neue russische herrschenden Klasse  diesen revolutionären Funken, wie schwach auch immer,  nicht im Land haben möchte.

Ganz prinzipiell verstanden steht im Ukrainischen Konflikt die Forderung  nach Selbstbestimmung des Menschen als grundlegendes Menschenrecht gegen den Willen der herrschenden Eliten dieses Recht den Profitinteressen des Kapitals unterzuordnen.   Diese heute auf der globalen Tagesordnung stehende Auseinandersetzung wird in der Ukraine zur Zeit exemplarisch ausgefochten – wobei die Motive selbstverständlich nicht in ideologischer Reinheit auftreten, nicht allen Beteiligten gleichermaßen bewusst sind, sondern vermischt sind mit unklaren, widersprüchlichen, hier und da sogar einfach abenteuernden, wenn geplündert wird, sogar anti-asozialen Motiven. Aber wann war eine Revolution schon einmal ein Plan, den alle gleichermaßen gefasst hätten?  Auf Seiten der herrschenden Kräfte ist man andererseits nur in einem einig, dass diese Positionen nicht hochkommen dürfen. Diese Haltung gilt selbstverständlich auch für das nach-sozialistische Russland, bzw. seine herrschende Schicht.

Es gibt hier noch vieles zu erörtern,  vor allem auch zu beobachten, wie der Konflikt jetzt ausgetragen werden wird – wird der revolutionäre Impuls einfach gnadenlos niedergemacht, wird er durch Spaltung teils integriert und neutralisiert, wird er sich in realen Veränderungen der Verhältnisse niederschlagen? So oder so werden die Impulse aus dieser immer noch offenen Situation die gesellschaftliche Wirklichkeit Russlands, Europas und generell l unserer heutigen Ordnung prägen, insofern die Ukraine das Feld ist, wo sich die drei entscheidenden Transformationslinien unserer heutigen Welt treffen und überlagern.

Das ist die Überwindung des nachsowjetischen Traumas, aus dem heraus neue soziale Formen der Gemeinschaft gesucht werden. Das ist die nachholende Nationalisierung, die diesen sozialen Prozess überlagert. Und das ist der Übergang von einer unipolaren zu einer multipolaren Welt, der sich in dem Integrationskonflikt zwischen Europäischer Union und Eurasischer Union, zwischen atlantischem und asiatischem Bündnisgeschehen ausdrückt. Russland als Teil Europas und zugleich Asiens spielt darin eine entscheidende Rolle.

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Der Rolle Russland werden wir uns beim nächsten Treffen unter der Fragestellung zuwenden, die durch die den aktuellen Propagandakrieg aufgeworfen wurde:

Sucht Russland eine Revanche für seine Niederlage im Kalten Krieg 1991?

Wir treffen uns am 20. Juli um 16.00 Uhr wie gehabt am bekannten Ort.

Anmeldung bitte unter info@kai-ehlers.de oder Tel. 040 / 64 789 791

 

 

Herzliche Grüße rundherum

Im Namen des Forums für eine integrierte Gesellschaft

Kai Ehlers, Christoph Sträßner

 

(Für weitere Infos zur Krise der Ukraine – bitte : www.kai-ehlers.de )

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Es folgen Fragen und Antworten...

 

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