Ein „Signal der Solidarität und Entschlossenheit“ über „nationale, Partei- und Religionsgrenzen hinweg“, erklärt Angela Merkels eingangs, sei von dem Trauermarsch in Berlin und der Mahnwache vor dem Brandenburger Tor ausgegangen. In diesen Tagen spüre man: „Die Freiheit, das ist für die allermeisten Menschen ein Lebensbedürfnis. Wir sind uns bewusst, dass die von früheren Generationen erkämpfte Religions-, Meinungs- und Pressefreiheit nicht für alle Zeiten garantiert ist, sondern dass jede Generation neu für diese Werte eintreten muss.“ – Laut gebrüllt, Löwin! möchte man sagen!
Kategorie: Artikel zur Lage
Texte zur Transformation
Minsker Vexierbild – Einladung zu genauerer Betrachtung
Am Anfang des Jahres 2015 steht ein Vexierbild. Auf den ersten Blick zeigt es den ukrainischen Präsidenten Poroschenko, der zur Fortsetzung der Minsker Gespräche nach Astana, in die Hauptstadt Kasachstans einlud. Im „Normandie-Format“, also ohne die USA, sollten dort Wladimir Putin, Angela Merkel, François Hollande und Poroschenko selbst am 15. Januar Gespräche zu Lösung der ukrainischen Krise führen.
Putin ist kein Sozialist – Anmerkungen zum Lärm um Front National
Putin ist kein Sozialist – Anmerkungen zum Lärm um Front National
Die Gewährung eines Kredites über neun Millionen Euro an den Front National durch eine tschechisch-russische Bank (FCRB) hat einen Sturm der Entrüstung in der deutschen Öffentlichkeit hervorgerufen. Für viele Menschen ist Wladimir Putins Gefährlichkeit damit endgültig bewiesen. „Der Deal mit Moskau“, war in „Spiegel-online“ zu lesen, „schürt Befürchtungen, Putins Russland finanziere gezielt populistische Parteien und Gruppierungen, um die Europäische Union als außenpolitischen Konkurrenten zu schwächen. Denn nicht nur nach Frankreich zum Front national streckt der Kreml seine Fühler aus. In Großbritannien umwirbt der Kreml die radikalen Europa-Gegner von Ukip. In Ungarn unterhält er gute Beziehungen zur rechtsextremen Jobbik-Partei. In Deutschland ist Putin auf der Suche nach einem politischen Partner fündig geworden: bei der Alternative für Deutschland. Die AfD wies einen entsprechenden Bericht jedoch als ‚falsch‘ zurück.“
Zugegeben, der Vorgang irritiert – dabei könnte er eigentlich weniger irritierend sein als die die Tatsache, dass die NPD in Deutschland Staatsgelder über die Parteienfinanzierung erhält. Solche bekommt der Front National nicht; in den etablierten politischen Etagen der EU geächtet, konnte er sich nicht einmal einen Bankkredit besorgen. Jetzt fließt ausländisches Geld, zudem ausgerechnet aus Russland, mit dem die EU sich im Sanktionskrieg befindet. Das sieht aus, als müsste man bei der ganzen Angelegenheit ein bisschen tiefer stechen.
Zunächst dies: Nicht Putin gibt einen Kredit, sondern eine Bank, zudem noch eine tschechisch-russische, also eine grenzüberschreitend arbeitende Bank. Zwar werden den Bankchefs vertraute Beziehungen zum russischen Präsidenten nachgesagt, aber dies kann man mit der gleichen Bestimmtheit von hunderten weiterer Personen sagen, die sich im Dunstkreis des Kreml aufhalten. Daraus folgt noch nicht, dass Putin der Auftraggeber dieses konkreten Handels ist, selbst wenn, wie der „Spiegel“ und andere berichten, Marie le Pen im Anschluss an das Krim-Referendum nach Moskau reiste, selbst wenn sie „eine gewisse Bewunderung“ für Putin zum Ausdruck gebracht hat und selbst wenn der Front National zu den „stärksten Kritikern“ der Sanktionspolitik der Europäischen Union gehört. In Russland ist, manche mögen es noch nicht bemerkt haben, seit ein paar Jahren das Wirtschaften nach den Regeln des neo-liberalen Kapitalismus eingezogen. Geld fließt dorthin, wo dessen Verfüger sich Rendite versprechen.
Für Kritiker des Kapitalismus reicht eine solche Erklärung nicht aus. Der Vorgang bleibt politisch und auch moralisch anrüchig. Die heutige Realität des Geldes beschreibt diese Feststellung jedoch genau. Das gilt umso mehr in einer Situation, in der ein Sanktionskrieg geführt wird, in dem politische Fragen über wirtschaftlichen Druck entschieden werden sollen – mit Sanktionen gegen Russland, mit Verweigerung von Krediten gegen eine politisch unbequeme Partei. Da stellen sich dann Allianzen her, die den mangelnden politischen Dialog auf ihre krude, materielle Weise ersetzen.
Diese Feststellungen beantworten selbstverständlich nicht die weitergehende, sehr komplizierte Frage, ob und wenn, dann warum sich hinter der Kreditierung des Front National mehr als geschäftliche Interessen verbergen könnten, was dran ist an den Befürchtungen, dass sich eine EU-weite populistische Blockbildung herausbilde, in der linke, sozialistische und rechte nationalistische Kritiken an der gegenwärtigen Entwicklung der EU, aktuell an ihrer sinnlosen Sanktionspolitik zu einer europakritischen konservativen Bewegung zusammenfließen, die in Putin angeblich ihren Heilsbringer sieht.
Genannt werden müssen hier die aktuellen Phänomene der sog. „Querfront“ –einer Bewegung, die links und rechts verbinden will, wie auch durchaus, die schon im obigen Zitat des „Spiegel“ genannten populistischen Parteien mit nationalistischen Programmen wie die deutsche AfD, die englische UKIP, die ungarische Jobbik-Partei, die „Wahren Finnen“, die niederländische „Partei für die Freiheit“ und andere. Die Zuneigung dieser Parteien gegenüber Russland, selbst in den östlichen Teilen der EU, und die Offenheit Russlands ihnen gegenüber ist selbstverständlich keine Frage, die man übergehen könnte, sondern vor dem Hintergrund der historischen Abläufe wie auch denen der konkreten Entwicklung der heutigen Europäischen Union ein ernst zu nehmendes Phänomen – auch wenn der Hinweis darauf von Putin-Feinden als Totschlagargument in der politischen Auseinandersetzung benutzt wird und selbst politisch unbelastete Menschen mit Unverständnis darauf reagieren.
Die einfachste Antwort auf das Phänomen liegt in der generellen Wahrheit des Satzes: Dein Feind ist auch mein Feind. Unter den Bedingungen der gegenwärtigen Frontbildung zwischen Russland und dem Westen gewinnt dieser Satz eine beängstigende Realität. Da ist dem „Spiegel“ leider wieder zuzustimmen, allerdings nur halb, denn diese Realität ist sehr fadenscheinig: Was die EU schwächt, scheint Russland zu nutzen und umgekehrt. In Wirklichkeit schadet es beiden. Auch dem lachenden Dritten, den USA, könnte das Lachen auf Dauer vergehen. Diese Konstellation wird sich weiter verschärfen, solange die EU-Spitze – auf Kosten ihrer Mitgliedsländer, die nicht einverstanden sind, sondern unter den Folgen der Sanktionen stöhnen, wie auch auf Kosten ihrer Bevölkerung, welche die mit der Sanktions-Politik verbundenen „Opfer“ als Steuerzahler ausbaden soll, diese Politik fortsetzt.
Das Ergebnis kann nur der Protest gegen den so praktizierten Brüsseler Einheitsanspruch sein, der sich vor dem Hintergrund einer ohnehin prekären Entwicklung der sozialen Lage einer wachsenden Zahl von Menschen in den Mitgliedsländern der EU mit der Kritik an den konkreten wirtschaftlichen und sozialen Folgen dieser Sanktionspolitik verbindet.
Das Phänomen der „Querfront“-Proteste, die rechts und links, nationale Frage und soziale Proteste miteinander verbinden wollen, ebenso wie die populistischen Parteien, die denselben Anspruch stellen, sind Ausdruck dieser Unzufriedenheit. Ihr durchgehendes Thema ist, bei allen nationalen Unterschieden, die Verteidigung der eigenen, politisch der nationalen, Interessen gegen eine „Überfremdung“ durch das internationale Kapital – und dessen Hauptvertreter die USA, vertretungsweise die Europäische Union als deren Juniorpartner. Darin treffen sie sich unter dem Druck des Sanktionskrieges, der von eben diesen Kräften gegenwärtig gegen Russland geführt wird, voll und ganz mit der einfachen russischen Propaganda.
Ich sage ‚einfache russische Propaganda‘, weil auf etwas weniger einfacher Ebene zwischen westlichen und russischen Vertretern des Big Business, traditionell gesprochen, des großen Kapitals zu gleicher Zeit, aber hinter verschlossenen Türen Verhandlungen über die Ausweitung von Geschäftsbeziehungen geführt werden. So zu lesen in der neuesten Ausgabe von „German Foreign Policy“ vom 28.11.2014. Der Sanktionskrieg wird, wie es in dem Bericht wohl zutreffend eingeschätzt wird, zwar fortgesetzt, aber nur um die Fixierung der Rangverhältnisse geführt. Dies mildert die politische Situation allerdings nicht, sondern verstärkt noch die Reflexe einer großen Mehrheit von Menschen, sich vor den Machenschaften dieses internationalen Kapitals in ihre jeweiligen nationalen und sozialen Nischen zu flüchten.
Wo ist bei dieser Entwicklung noch Platz für Menschen, die sich von diesen Strömungen nicht in ein national-sozialistisches Revival auf neuem historischem Niveau mitreißen lassen wollen? Diese Frage erhebt sich nicht nur in Deutschland, nicht nur in der EU; sie erhebt sich ebenso im ehemaligen sowjetischen Raum, dort, wie zurzeit in der Ukraine zu sehen, noch um einige Grade unvermittelter, weil im Transformationsprozess zusammengedrängter.
Insgesamt gilt: Nicht einverstanden mit dem Siegeszug der globalen Kapitalisierung nach dem Zusammenbruch des Sowjet-Sozialismus, nicht willens zurückzukehren in überlebte Formen des Sowjetsozialismus, auch nicht bereit zu einem Einschwenken auf nationale Verkürzungen der globalen Krise, schon gar nicht in der extremen Form wie zur Zeit in der Ukraine oder im „islamischen Staat“, wird der Korridor, der aus der jetzigen Krise in eine Gesellschaft hinüber führt, in der wir wirklich leben wollen, spürbar enger.
Um es ganz anders zu sagen: Zweifellos ist es notwendig dem sinnlosen Putin-Bashing entgegenzutreten und sich für ein Ende des Sanktionskrieges stark zu machen. Eine kooperative Ordnung verschiedener Weltmächte auf Augenhöhe, statt einer konfrontativen unter dem Diktat einer Hegemonialmacht USA, ist das Mindeste, was die Menschheit heute braucht. Dafür ist Russlands Rote Karte gegen die weitere US/EU-Expansion ein Segen. Ebenso sinnlos ist es aber auch, von Putin, ebenso wie von anderen Gestalten auf der gegenwärtigen globalpolitischen Bühne, etwas anderes als Realpolitik zu erwarten. Putin ist, um auf die Überschrift zurückzugreifen, kein Sozialist. Putin ist ein neo-liberaler Traditionalist, der gewachsene soziale Strukturen modernisieren, das heißt, für kapitalistische Produktionsweise öffnen will. Darin trifft er sich durchaus mit den EU-Bürokraten. Sofern dies auf friedlichem Plateau geschähe, wäre schon etwas gewonnen. Die Debatte um die andere, die zu entwickelnde Zukunft jedoch muss aus der Mitte der Gesellschaft, nicht zuletzt auch in der Auseinandersetzung mit neuen nationalistischen Strömungen geführt werden, und sie muss radikal geführt werden, in Russland nicht anders als in Europa und anderswo auf dem Globus; selbst die USA sollten man nicht vergessen.
Kai Ehlers, www.kai-ehlers.de Freitag, 28. November 2014
Lesen Sie hierzu:
Kai Ehlers, Die Kraft der ‚Überflüssigen‘, Pahl-Rugenstein, 2013
Kai Ehlers, Grundeinkommen als Sprungbrett in eine integrierte Gesellschaft, Pforte, 2. Auflage, 2007
G 20 in Brisbane – mein kürzester Kommentar
„Man marschiert nicht in andere Länder ein“, erklärte US-Präsident Barak Obama auf dem Gipfel der G 20 in Brisbane. (FAZ, 17.11.2014) Das liest sich wie ein Knigge der Weltpolitik.
Ukraine: Die andere Wahl
Ukraine:
Die andere Wahl
Am Sonntag, dem 2.November 2014 wurde im Osten der Ukraine gewählt, nachdem eine Woche vorher die von Kiew durchgeführte Westwahl über die Bühne gegangen ist. Viele Aspekte sind zu beleuchten, um eine Vorstellung zu gewinnen, worauf die ganze Situation hinausläuft. Betrachten wir zunächst die Ergebnisse, bevor wir die Hintergründe sortieren.
Obwohl weiter geschossen wurde, wurde gewählt. Das von den Veranstaltern der Wahl anvisierte Ziel wurde erreicht: Die Führungsspitzen der bisher nicht anerkannten Volksrepubliken, die Republikchefs Alexander Sachartchenko in Donezk und Igor Plotnizki in Lugansk sowie ihre Volksräte in ihren bisher informellen, nur aus den Kämpfen hervorgegangenen Funktionen, wurden mit erkennbarem Zuspruch der Bevölkerung bestätigt. Sachartchenko mit ca. 80%, Plotznizki mit ca. 65%. Auch die Parlamente von Donezk und Lugansk wurden legitimiert. Große Auswahl zwischen Parteien gab es nicht. Nicht alle Parteien durften teilnehmen. Zur Wahl standen keine Programme, sondern Personen. Praktisch diente die Wahl der Festigung der entstandenen Machtstrukturen in den Gebieten Donezk und Lugansk.
Es ist, darf man sagen, eine Legitimation der besonderen Art, nämlich ein Zuspruch durch jene Menschen, die trotz fortdauernder Kämpfe, trotz Bombardierungen, trotz der damit verbundenen Chaotisierung, Brutalisierung und sogar kriminellen Bedrohung des Alltags in ihren Wohnorten Donezk, Lugansk und Umgebung geblieben sind. Nicht wenige sind sogar gerade deswegen geblieben. Mit dieser Abstimmung zeigen sie, dass sie nicht bereit sind, sich dem von Kiew ausgehenden Druck zu beugen. Nicht bei wenigen nahm das am Wahltag die etwas holzschnitzartige Form eines „Widerstandes gegen die Faschisten“ an. Das zeugt nicht unbedingt von viel Differenzierung in der Wahlpropaganda und auch nicht innerhalb Bevölkerung; nichtsdestoweniger kennzeichnet es die Grundmotivation der zu dieser Wahl gehenden Menschen. Eindeutiger könnte das Signal nicht sein. Es zeigt unmissverständlich, wo die Mehrheit der Menschen in diesen beiden Wahlgebieten sich zuhause fühlt – mit Sicherheit NICHT in einer von Kiew dominierten Ukraine. Alles andere ist nicht so eindeutig: „heim nach Russland“, in die Autonomie oder in die Selbstständigkeit.
Die Regierungen von Kiew, den USA, der EU und auch die Deutschlands erklärten, die Wahl störe den in Minsk begonnenen „Friedensprozess“. Sie lehnen eine Anerkennung des Ergebnisses ab und bestehen weiter auf der Einheit der Ukraine, für die sich Moskau einsetzen müsse. Moskau dagegen erkennt die Wahl als Faktor an, der dem Friedensprozess und der Stabilität dienen könne.
Damit wäre eigentlich schon das Wichtigste gesagt: Die generelle Konfrontation zwischen den Atlantikern und Russland wird fortgeschrieben. Einiges muss aber noch nachgezeichnet werden, wenn man verstehen will, was sich aus der Doppelwahl, jener am 25.10.2014 und dieser am 2.11. 2014 ergibt.
Verstoß gegen den Frieden?
Wenn von Störung des Friedensprozesses die Rede ist, der in Minsk vereinbart worden sei, dann muss zunächst festgestellt werden, dass die in Minsk vereinbarte Waffenruhe bisher von keiner der beiden Seiten eingehalten wurde. Der in Minsk vereinbarte Puffer zwischen den Fronten existiert faktisch nicht, zumal die ukrainische Seite ihre Unterschrift zu diesem konkreten Punkt wieder zurückgezogen hat. Die Zahl der täglichen Toten ist in den letzten Tagen vor der Wahl beständig angewachsen. Allein in der letzten Woche wurde sie von den UN mit 300 angegeben. Es ist offensichtlich, dass der Druck Kiews auf die Regionen Donezk und Lugansk in den Tagen kurz vor der Wahl am 2. November erheblich zugenommen hat.
Politisch hat die Westwahl klar gemacht, das Pjotr Poroschenkos „Friedensplan“ das Papier nicht mehr wert ist, auf dem er steht, dass Arsenij Jazenjuks antirussische und offen auf Fortsetzung des Bügerkriegs orientierte Politik, der Poroschenko sich wird beugen müssen, keineswegs auf Dialog mit den aufständischen Regionen zielt, sondern auf gewaltsame Wiedereingliederung und Unterordnung der Aufständischen. Die Ankündigung aus dem Verteidigungsministerium in Kiew, die Teilnahme an den Wahlen im Donbas vom 2.11. strafrechtlich verfolgen zu wollen, ist nur der aktuellste Ausdruck dieser Linie. Vor diesem Hintergrund sind die Wahlen – wie sollte es anders sein – ein klare Aktion der Gegenwehr aus dem Donbas.
Nicht demokratisch…?
Wenn davon die Rede ist, dass die Wahl nicht demokratisch gewesen sei, dann ist dem zweifellos zuzustimmen. Es gab nur zwei Parteien, die „Volksrepublik Donezk“ von Sachartschenko und die „Bewegung für den Frieden“ von Plotnizki. Andere waren nicht zugelassen, auch die kommunistische Partei nicht. Zwischen Personen gab es allerdings Wahlmöglichkeiten. Die Wahlen hatten die Funktion, die in den Kämpfen des letzten halben Jahres gewachsene Ordnung zu festigen, das Chaos widerstreitender Kompetenzen einzuschränken, willkürlich handelnde Feldkommandeure zu disziplinieren usw. Einige Nachrichten aus den letzten Wochen haben ein ziemlich chaotisches Bild der Zustände entstehen lassen, die unter den Bedingungen der sich zersetzenden ukrainischen und einer noch nicht wieder legitimierten neuen Staatlichkeit entstanden sind. Etwa das über You tube verbreitete Video von einer Sitzung des „Volksgerichtshofs“, bei dem unter Missachtung menschenrechtlicher Maßstäbe Todesurteile per Akklamation des teilnehmenden Publikums bestätigt werden.
Unter solchen Bedingungen ging es bei dieser Wahl eindeutig nicht um Demokratie, schon gar nicht um formale, sondern um die Wiederherstellung von Mindestregeln einer zivilen Ordnung. Nicht als Parteien anerkannt wurden Gruppen, nicht auf die Listen gelassen wurden Personen, bei denen die Organisatoren offenbar davon ausgingen, dass sie bei der Wahl zu der gewünschten Strukturierung von zivilen Verhaltensregeln nichts hätten beitragen können.
Darin unterscheiden sich die Ost-Wahlen in ihrer Grundausrichtung diametral von den vorhergehenden von Kiew durchgeführten, bei denen die diversen nationalistischen Parteien den berüchtigten Milizenführern und offenen Faschisten reihenweise ihre Listen geöffnet und so den Einzug von Nationalisten und Faschisten ins Parlament ermöglicht haben. Die Ost-Wahl diente im Gegensatz dazu, eine zivilisierende Konsolidierung erst einmal wieder zu ermöglichen. Sie dient dem Versuch eine Staatenbildung zu fördern, in erklärter Abkehr vom Bürgerkriegschaos. Paradox gefasst, kann man sagen: Demokratisches Reinholen nationalistischer bis faschistischer Kräfte ins Parlament bei der Kiewer Wahl, autoritäres Ausgrenzen militaristischer, nationalistischer oder auch einfach radikalistischer Abenteurer bei der Wahl im Osten – polarer könnten die Grundimpulse dieser beiden Wahlen kaum noch sein.
Und noch ein weiteres: Hätten die Ost-Wahlen, wie in Minsk vereinbart, am 7. November auf der Grundlage ukrainischer Gesetze, konkret des von Poroschenko angekündigten Gesetzes über die Einrichtung einer Sonderzone für Donezk und Lugansk, demokratischer sein können? Ja, hätten sie, wenn es diese Sonderzone gäbe. Aber es gibt sie nicht! Das angekündigte Gesetz wurde im Parlament noch nicht verabschiedet. Was es gibt, ist eine Zentralmacht in Kiew, die ihren Herrschaftsanspruch mit Gewalt durchsetzen will, nach der Wahl vom 25.11. mehr als zuvor. Demgegenüber ist jede lokale Ordnungsmacht, die die Interessen der Menschen vor Ort zu organisieren versucht, für diese Menschen ganz offensichtlich das kleinere Übel, selbst wenn sie wie in den gegenwärtigen Donezker und Lugansker Republiken mit ursprünglichen Grobheiten einer noch willkürlich brodelnden entstaatlichten Realität belastet ist.
Ideologische Verhärtungen?
Diese Tatsachen führen am Ende zu der Frage, wofür diese Volksrepubliken eigentlich langfristig stehen. Denken wir kurz an die Vorgänge dieses Jahres zurück: Volksabstimmung für eine Autonomie des Donbas im Mai dieses Jahres, nachdem die Krim sich im Protest gegen den Versuch einer gewaltsamen Ukrainisierung durch die Umsturzregierung aus der Ukraine gelöst hatte. Sehr schnell trat neben die Forderung nach Autonomie die weiter gehende nach Anlehnung an Russland und schon im Juni die nach Eigenstaatlichkeit von „Novorossija“. Russische Nationalisten mischten sich aktiv ein.
Noch im Juli jedoch fanden Vertreterinnen und Vertreter aus verschiedenen Städten des Südens, des Ostens, sogar einzelne aus Kiew und aus dem Karpatischen Teil der Ukraine auf einer Konferenz in Jalta zusammen, wo sie nach intensiver Auseinandersetzung ein gemeinsames „Manifest“ zu ihren Zielen verabschiedeten. Es war ausdrücklich auf die ganze Ukraine gerichtet. Darin definierten sie die Ukraine als „ein Territorium zwischen der Europäischen Union und Russland mit einer starken christlichen Tradition (vor allem orthodox), besiedelt von verschiedenen Völkern (Ukrainern, Russen, Weißrussen, Moldawiern, Bulgaren, Ungarn, Rumänen, Polen, Juden, Armeniern, Griechen, Tataren, Rusinen, Huzulen und anderen), das eine Jahrhunderte alte Tradition der Selbstverwaltung des Volkes und des politischen Kampfes für seine Freiheit hat.“ Und ausdrücklich hieß es auf die selbst gestellt Frage, ob der Kampf im Südosten Separatismus sei: „Nein, das Territorium des Kampfes ist die ganze Ukraine. Die Aufständischen des Südostens (Neurussland) strecken die Hand den Brüdern und den Schwestern in allen Regionen der Ukraine mit dem Aufruf entgegen: «Steht auf gegen den gemeinsamen Feind! Wir werden die neue, freie, sozial verantwortliche Volksmacht auf dem ganzen Territorium der Ukraine und Neurussland´s schaffen.“
Gemeinsamer Grundtenor war: Protest gegen oligarchische Willkür, Forderung nach rätedemokratischer Selbstorganisation und Widerstand gegen die von Kiew ausgehende Absicht der gewaltsamen Ukrainisierung, eine basisdemokratische Vision ausgehend vom Gemeinderat über autonome Regionen bis in eine Föderalisierung des Landes. Das Ziel: „Aufbau einer gerechten sozialen Volksrepublik ohne Oligarchen und ohne korrumpierte Bürokratie auf dem Territorium der Ukraine.“
Vom 10. Juli des Jahres 2014 bis zum 2. November 2014 verengte sich der Tenor der Befreiungsbewegung unter dem sich eskalierenden Feuer des Bürgerkrieges erkennbar auf zu erreichende Kriegsziele, Kampfhandlungen und auf die Organisation des Überlebens in den umkämpfen Gebieten.
Die Ost-Wahlen vom zurückliegenden Wochenende sind der Versuch der Aktivisten der Donezker und Lugansker Bewegung sich aus dieser Verengung wieder zu befreien. Die Frage ist, welches der ursprünglichen Ziele – lokale Selbstorganisation, regionale Autonomie, Föderalisierung, Kampf den Oligarchen – unter dem Druck der Verhältnisse auf der Strecke bleibt.
Der Druck der Verhältnisse, das muss gesagt werden, hängt nicht nur von Kiew und nicht nur von dessen westlichen Unterstützern ab, sondern auch davon, wie sich Russland verhält. Nach dem gegenwärtigen Verlauf der Dinge sieht es so aus, als ob Russland sich die Republiken Donezk und Lugansk als „eingefrorene Konflikte“ vorstellen kann. Das ist natürlich keine Lösung auf Dauer. Aber es wäre, vorausgesetzt Kiew und besonders seine kriegswütigen Nationalisten und auch der Westen ließe das geschehen, für die Bevölkerung der Ukraine – und zwar in Ost wie in West – zur Zeit vermutlich die annehmbarste Entwicklung des Konfliktes, bei der die Menschen erst einmal dazu übergehen könnten, ihren Alltag zu reorganisieren – und dann vielleicht auch wieder miteinander zu reden.
Die im Anfangsstadium der Autonomiebewegung angedachten radikalen Perspektiven einer rätedemokratisch organisierten autonomen Gesellschaft werden in einem solchen Klima allerdings vermutlich erstarren und eher vom Reif einer Sowjet-Nostalgie überzogen werden, denn verengt haben sich auch die Perspektiven in der Donezker und Lugansker Führung. Beispielhaft dafür sind die Vorstellungen von Boris Litwinow, ehemaliger Funktionär der Kommunistischen Partei der Ukraine, jetzt Vorsitzender des Obersten Sowjet der Donezker Volksrepublik und verantwortlich für die“ zivile Gestaltung der zukünftigen Lebens“. Er stellt sich für die Zukunft eine „kollektivistische“ Gesellschaft auf der Grundlage von Staatseigentum vor, das klingt wie ein Revival sowjetischer Strukturen – nur aufgelockert durch die Zulassung von Privateigentum, das er „selbstverständlich“ gut findet. Mit solchen Vorstellungen vom Staat, wenn sie nicht noch korrigiert werden, reduziert sich der revolutionäre Impuls der Republiken Donezk und Lugansk dann doch auf Separatismus, d.h. auf eine Kopie des Großen russischen Bruders im Kleinformat. Dieser Zustand könnte als Status quo lange Zeit konserviert werden, länger jedenfalls als die revolutionäre Unruhe des anfänglichen Maidan und Anti-Maidan. Man mag es nicht mögen, aber auf so eine „eingefrorene“ Situation könnten sich vermutlich sogar die großen „Player“ einigen, vorausgesetzt es ginge um eine Beilegung der ukrainischen Konflikte und nicht um andere Ziele, für welche die Ukraine nur das Aufmarschgebiet ist.
Kai Ehlers, www.kai-ehlers.de
04.November 2014
Ukraine: Westwahl erfolgt – Problem gelöst?
Die vorgezogenen Wahlen zum Kiewer Parlament vom 26.10.2014 lassen ein interessantes Dejà vue aufkommen. Erinnern wir uns: 1991, die Sowjetunion wurde aufgelöst. Francis Fukuyama schrieb, das Ende der Geschichte sei gekommen, Demokratie habe sich als Ordnungsmodell endgültig durchgesetzt. In ähnlicher Manier erklären die westlichen Regierenden und die regierungstreuen Medien heute, in den soeben in der Ukraine durchgeführten Wahlen habe die Ukraine und mit ihr der Westen heute die „Abkehr vom autoritären russischen Modell besiegelt“.
Ukraine – steht etwas zur Wahl?
Ukraine –
steht etwas zur Wahl?
Gut ein Jahr nach dem Eintritt der Ukraine in ihre Maidan-Turbulenzen soll nun mit einer-vorgezogenen Parlamentswahl neue Legitimität hergestellt werden, während trotz vereinbarter Waffenruhe gleichzeitig weiter Krieg geführt wird. Was steht zur Wahl? Machen wir es kurz, ohne uns in Einzelheiten zu verlieren.
Ungeachtet der verwirrenden Vielzahl von Parteien, Wahlblöcken und Einzelkandidaten, die jetzt antreten, manche Quellen sprechen von 150 Gruppierungen, steht unterm Strich faktisch nur eins zur Wahl: die „Anti Terror Operation“ gegen die Aufständischen im Süden und Osten des Landes fortzuführen oder den Dialog um mögliche Formen der Autonomie mit ihnen aufzunehmen. Die sozialpolitischen Fragen werden davon in den Hintergrund gedrängt. Die Positionen der einen oder der anderen Seite werden dabei weniger von Programmen als von Personen repräsentiert.
Für die Aufnahme des Dialoges steht inzwischen Poroschenko, der seinen „Friedensplan“, mit dem er von seiner anfänglichen harten Linie abrückte, zum Wahlprogramm erhoben hat. Kernstücke darin sind sein Zugeständnis einer vorübergehenden Teilautonomie für die aufständischen Gebiete im Osten, eine Teilamnestie für Aufständischen, ein Versprechen auf Wiederaufbau der zerstörten Infrastruktur des Landes und Gespräche zur Verständigung mit Russland. Vitali Klitschko hat sich Poroschenko angeschlossen, zusammen bilden sie den „Block Poroschenko“. Dieses Lager kann damit rechnen als stärkste Kraft, wohl aber nicht als Mehrheit, aus der Wahl hervorzugehen.
Die zur Fortsetzung des Bürgerkriegs entschlossene Fraktion wird angeführt von dem jetzigen Ministerpräsidenten Jazenjuk. Die von ihm speziell für die jetzigen Wahlen gegründete „Volksfront“ agitiert für eine Intensivierung der „antiterroristischen Aktion“ gegen die Aufständischen bis hin zur Rückeroberung der Krim. Poroschenko wird von ihm als Verräter der nationalen Einheit angegriffen. Unter Umgehung bestehender Wahlrechtsvorschriften hat Jazenjuk die Wahllisten seiner Partei für die Kandidatur der bekanntesten Führer der nationalistischen Milizen und der Nationalgarde geöffnet, zum Beispiel auch für den Kommandeur der offen faschistischen ASOV-Milizen, Andriy Biletsky. Im Fahrwasser Jazenjuks folgen als nationalistische Populisten Julia Timoschenko, der für seine nationalistische Gewaltpropaganda bekannte Oleg Ljaschko und andere im Westen weniger bekannte Gestalten bis hin zu den offenen Rechten Oleg Tjagnibog und dem Führer des Rechten Sektors Dmitri Jarosch.
Die offenen Rechten werden allen Prognosen nach an der 5%-Hürde hängen bleiben. Wie sich die Stimmen auf Jazenjuk, Timoschenko und Ljaschko, als die Stärkeren nach Poroschenko verteilen, ist im Detail offen. Zusammen wird die Pro-Bürgerkriegsfraktion aber zumindest ein Drittel der 450 Sitze der Rada, wenn nicht mehr, für sich gewinnen können. Das wird starken Druck auf Poroschenko ausüben. Die Kommunistische Partei, das sei hier nur angemerkt, ist seit der Auflösung ihrer Fraktion und angesichts des gegen sie laufenden Verbotsverfahrens am westlichen Wahlgeschehen praktisch nicht beteiligt.
Die Kiewer Wahlen stehen unter dem Anspruch für das gesamte Gebiet der vor dem Umsturz vom Februar des Jahres bestehenden Ukraine zu gelten. Ausdrücklich eingeschlossen werden von allen Beteiligten die Krim und „Novorossia“, deren Wahlergebnisse in eigenen Wahlgängen nachgeholt werden sollen, wenn man, wie es heißt, diese Gebiete wieder „zurückgewonnen“ haben wird.
Dem von Kiew ausgehenden Wahlgeschehen steht die Ankündigung aus Lugansk und Donezk, alias „Novorossia“ gegenüber, am 2. November eine eigene Wahl auf dem Gebiet der von ihnen ausgerufenen Volksrepublik durchführen zu wollen. Dabei sollen örtliche und regionale Organe und die in ihnen wirkenden Vertreter/innen erstmals gewählt werden, nachdem sie bisher nur per Akklamation und „Kriegsrecht“ tätig waren. Die politische Ausrichtung dieser Wahlen auf Selbstorganisation, Autonomie und Föderalisierung, bei einigen Kandidaten auch immer noch auf engeren Anschluss an Russland, steht selbstverständlich in diametralem Gegensatz zu Wahlzielen der Kiewer Seite.
Inzwischen hört man, noch eben rechtzeitig vor den Wahlen und angesichts der real-existierenden Teilung des Landes nicht verwunderlich, auch aus den westlichen Gebieten Signale des Separatismus. In Lemberg gründete sich eine „Europäisch galizische Versammlung“, die für eine Ausgliederung Galiziens aus der Ukraine und Eingliederung in die Europäische Union eintritt.
Wer nun immer noch glaubt, dass die Ukraine durch die Wahlen tatsächlich zum Frieden übergehen könnte, wird sich vermutlich von den kommenden Ereignissen belehren lassen müssen, denn ungeachtet dessen, wer in diesen amputierten Wahlgängen siegt, wird sie in folgendes Szenario übergehen:
Die Bevölkerung der Ukraine, im Westen des Landes nicht anders als im Osten, wird unter dem Druck der ökonomischen Krise weiter in Proteste um ihr pures Überleben getrieben. Zweifellos werden die Maßnahmen, die von den Regierenden ergriffen werden, im Westteil des Landes andere sein als im Osten und erst recht natürlich als auf der inzwischen zu Russland gehörenden Krim. Während der Westen unter dem Diktat des IWF den Weg der Privatisierung zugunsten westlicher Konzerne einschlägt, gehen die Absichten im Bereich von „Novorossia“ in die Richtung erneuter Verstaatlichung der seit `91 schon privatisierten Betriebe. Die Krim geht weder den einen noch den anderen Weg; sie wird sich unter der speziellen Moskauer Förderung eher zum Subventionsparadies entwickeln. So oder so jedoch entwickeln sich die Teile der vor dem Umsturz bestehenden Ukraine weiter auseinander – und, was zu befürchten ist, auch gegeneinander, wenn die sozialen Probleme weiterhin, wie bisher, unter Entwicklung nationalistischer Demagogien jeweils der Gegenseite angelastet werden, hier den „Kiewer Faschisten“, dort den „Russischen Nationalisten“, „Putinisten“ oder „russischen Aggressoren“.
Weiter: Selbst wenn Poroschenko mit seinem Dialogangebot erkennbar gewinnen sollte, wird er unter dem Druck der nationalistischen Kräfte stehen. Der wird ihm zum einen aus der absehbaren Zusammenballung nationalistischer bis offen rechter Kräfte aus dem neuen Kiewer Parlament entgegen kommen, gleich ob von Jazenjuk, Timoschenko oder Ljaschko angeführt, den bekommt er zum anderen von den späten radikalen Maidan-Aktivisten der kleineren rechten Parteien, der Nationalgarde und der diversen marodierenden Milizverbände, die es nicht ins Parlament schaffen, die sich aber schon jetzt als paramilitärischer Stoßtrupp für eine weitere „Ukrainisierung der Ukraine“ außerhalb legaler Strukturen organisiert haben. Die bekommt er zum dritten schließlich seitens „Novorossia“, dessen erst neu entstehende Verwaltung die im Osten aktiven nationalistischen Milizen ebenfalls nicht vollkommen unter Kontrolle hat, selbst wenn sie es gern wollte.
Schließlich wird als Tatsache bleiben, dass jede der beiden Wahlen nur einen Teil der ukrainischen Bevölkerung repräsentieren kann, ganz abgesehen von denen, die sich unter den Umständen des nach wie vor geführten Bürgerkrieges erst gar nicht an der Wahl beteiligen.
Wenn die beiden Teile der Ukrainischen Bevölkerung keine gegenseitige Akzeptanz des Status quo finden, das heißt, wenn sie die Tatsache zweier unabhängiger Wahlen in zwei unabhängigen Verwaltungsräumen nicht als Realität zu akzeptieren imstande sind, wird es auch nach den Wahlen keinen Frieden geben, sondern eher noch stärkere Konfrontationen.
Aber selbst im Fall einer gegenseitigen Akzeptanz des Status quo werden die Wahlergebnisse nicht zu nationaler Einheit eines demokratisch legitimierten Zentralstaats, sondern besten Falles, jedenfalls vorerst, zu gegenseitig geduldeten unterschiedlichen Lösungswegen führen, hier unter europäischer, dort unter russischer Dominanz. Zu groß ist auch, abgesehen von den unterschiedlichen konkreten Interessen, der durch die Gräuel des Bürgerkrieges zurzeit hochgezüchtete Hass. Mit einer Aufnahme in den jeweiligen staatlichen Zusammenhang von EU oder Russischer Föderation können jedoch beide Teile nicht rechnen, heute jedenfalls nicht. Das Problem eines geteilten Landes bleibt bestehen. Es lässt sich unter den Bedingungen der gegenseitigen Akzeptanz nur mit Sicherheit besser lösen als unter einem zwanghaften Einheitsanspruch – gleich von welcher Seite er erhoben wird.
Ohnehin ist dies alles jedoch nur möglich, wenn die globalen Player ihren Griff auf die Ukraine als Eckpfeiler ihrer jeweiligen Herrschaftsansprüche aufgeben, zumindest erst einmal lockern, damit die Menschen in der Ukraine sich selbst entscheiden können, wo und wie sie leben wollen. Von einer solchen Entwicklung sind wir allerdings leider noch sehr weit entfernt.
Kai Ehlers, www.kai-ehlers.de 20. Oktober 2014
Apropos UN-Gipfel: Sprachregelungen -Pfui deibel!
Apropos UN-Gipfel:
Sprachregelungen – Pfui deibel!
Sorry, liebe Leserinnen und Leser – ich kann mir diese bittere Anmerkung zu den weltpolitischen Sprachregelungen der letzten Tage nicht verkneifen.
BILD-online titelte am Vorabend der UN-Vollversammlung:
„UN-Gipfel in New York: Was tut die Welt gegen Isis, Ebola und Putin?“
Einen Tag später referierte die FAZ die Kernbotschaft Barak Obamas vor der UNO so:
„Es gebe ‚ein Gefühl, dass gerade die Kräfte, die uns zusammengebracht haben, neue Gefahren entstehen lassen. ‘Als Beispiele führte Obama neben der Bedrohung durch den IS die Ebola-Epidemie in Westafrika und die ‚russische Aggression‘ in Europa an. Der amerikanische Präsident zeichnete einen starken Kontrast zwischen seiner Führung und der Vision Russlands. Moskau fordere die Nachkriegsordnung heraus. Es sei der Ansicht, dass aus Macht Rechte erwüchsen. Amerika dagegen glaube, dass Macht aus der Achtung vor Rechten entstehe, ‚dass größere Nationen kleinere nicht bedrängen sollten‘.“ (25.09.2014)
Der Beweis wird aktuell gleich wieder einmal durch die Tat angetreten:
Die USA können massive Bombereinsätze gegen die IS auf syrischem Staatsgebiet ohne UN-Mandat fliegen, weil das durch den § 51 der UN-Charta legitimiert sei, der, wie es die FAZ formuliert, „angegriffenen Staaten das Recht auf individuelle und kollektive Selbstverteidigung“ gebe. Begründung: Russland hätte im Sicherheitsrat der UN einen Einsatz in Syrien ohnehin mit Hinweis auf das Völkerrecht blockiert. Die „pragmatische““ Zustimmung „Berlins“ zu diesem US-Vorgehen wird in der FAZ dann mit dem Kraftspruch festgeklopft: „Soll heißen: Der Kampf gegen den IS ist nicht für Seminare über internationales Recht geeignet.“ Na, bitte!“
Russland dagegen, man erinnert sich, habe durch seine aktive Unterstützung des Referendums auf der Krim und deren anschließende Aufnahme in die Föderation das Völkerrecht gebrochen, obwohl es seit Aufnahme von Wilsons 14 Punkten in denVölkerrechtskanon und auch nach Lenins Initiative zur Selbstbestimmung von Völkern oder Gruppen diesen ausdrücklich ein Austrittsrecht zubilligt, wenn sie sich durch den Staat, in dem sie leben, berechtigter Weise nicht mehr vertreten oder gar gefährdet sehen. Genau eine solche Situation war nach dem Umsturz in Kiew gegeben, als die Übergangsregierung mit der Aufhebung des Sprachenschutzgesetzes die Perspektive einer gewaltsamen „Ukrainisierung der Ukraine“, also auch der mehrheitlich russisch sprechenden Bevölkerung der Krim auf die Tagesordnung setzte. Es fiel im Prozess der Eingliederung aber nicht ein einziger Schuss, von einer Annektion ganz zu schweigen!
Wer es immer noch nicht verstanden hat, kann es jetzt verstehen: es geht auch bei diesem neuen US-Einsatz, so erschreckend die IS-Praktiken auch sind, so gefährlich die Ebola, so wenig bereit Russland auch ist, sich der US-Dominanz weiter zu beugen, nicht um das Völkerrecht, auch nicht um Menschenrechte, sondern um „Isis, Ebola und Putin“, eine Seuche, wie man uns offenbar nahebringen will, die die Existenz der Menschheit bedroht und die ausgemerzt werden muß.
Die Sprache, in die das inzwischen gekleidet wird, hatten wir schon einmal.
Kai Ehlers, www.kai-ehlers.de 25. September 2014
Proschenkos famoser Friedensplan – aktuell wie nie zuvor?
Poroschenko´s famoser Friedensplan –
aktuell wie nie zuvor?
Der Ukrainische Präsident Poroschenko hat nach dem Treffen in Minsk den Plan, den er einen Friedensplan nennt, aktualisiert. In fünfzehn Punkten trägt er vor, wie er sich einen Weg zum Frieden und den Frieden selbst vorstellt. [i]
Ein genaues Hinsehen läßt die fünfzehn Punkte allerdings auf einen einzigen zusammenschrumpfen: Frieden wird es nach Poroschenkos Vorstellungen nur geben, wenn die Aufständischen im Osten des Landes die Waffen strecken.
Aber bleiben wir fair, gehen wir das Angebot einzeln durch.
1. Sicherheitsgarantien für alle Teilnehmer an Verhandlungen
Hier stellt sich als Erstes die Frage: Wer gibt wem Sicherheitsgarantien? Offenbar ist hier nicht an gegenseitige Garantien gedacht, sondern an ein Angebot Kiews gegenüber den Auftändischen. Aber ist Poroschenko angesichts der Zersplitterung der kämpfenden Einheiten des Heeres, der Nationalgarde, des „Rechten Sektors“ und der privaten Söldnermilizien der Oligarchen überhaupt in der Lage eine solche Garantie halten zu können? Nein, ist er nicht.
Nicht nur steht das Heer vor einer Auflösung in marodierende Deserteure, nicht nur ist die Nationalgarde eine Ansammlung bewaffneter Abenteurer, nicht nur führen die Banden des „Rechten Sektors“ und die Privatmilizen eines Kolomoiski und anderer Oligarchen ihren eigenen Krieg, der sich einem Oberkommandierenden Poroschenko keineswegs beugt – es ist auch darüber hinaus einfach klar, daß eine „Sicherheitsgarantie“ nur zweiseitig sein kann.
Konkret heisst das, sie kann unter den gegebenen Umständen nur aus einem allgemeinen, kontrollierten Waffenstillstand hervorgehen. Von einem solchen, die Kiewer wie die aufständischen Truppen betreffenden Waffenstillstand, der den Verhandlungen vorausgehen müßte, ist in den ganzen fünfzehn Punkten nicht die Rede.
Auf eine solche „Sicherheitsgarantie“ können sich die Aufständischen selbstverständlich nicht einlassen, ohne befürchten zu müssen, niedergemacht zu werden, sobald sie die Waffen abgegeben haben. Das heißt, von der Herstellung einer Verhandlungsbasis auf Augenhöhe, kann nicht die Rede sein. Die von Poroschenko angestrebte Verhandlung setzt die Kapitulation voraus. Daran hat sich gegenüber der ersten Vorlage des Plans vor zwei Monaten nichts geändert.
2. Befreiung von strafrechtlicher Verfolgung derjenigen, die die Waffen niederlegen und keine schweren Verbrechen begangen haben
Noch deutlicher wird dies mit dem zweiten Punkt: Das Angebot einer Befreiung von strafrechtlicher Verfolgung setzt stillschweigend voraus, daß es eine Seite gibt, die das Recht und die Macht zu strafrechtlicher Verfolg hat, aber großzügiger Weise den Menschen gegenüber auf deren Einsatz verzichtet, die die Waffen niederlegen – und nicht nur das, sondern die auch keine schweren Verbrechen begangen haben. Der gummiartige Gallert dieser Formulierung reicht von willkürlicher Verhaftung nach Beilegung der Kampfhandlungen bis hin zu langjähriger, unkontrollierbarer Repression gegenüber einer nicht eingrenzbaren Zahl von Menschen, die in irgendeiner Form an den Aufständen beteiligt waren oder dessen jederzeit beschuldigt werden können. Das dies auch der Denunziation Tür und Tor öffnet, ist klar und offensichtlich auch gewollt.
Zugleich ist anzumerken, daß von einer möglichen Strafverfolgungf der auf Kiewer Seite begangenen Übergriffe, Straftaten und sogar kriegsverbrecherischen Aktivitäten wie dem Pogrom von Odessa oder der Bombardierung der Zivilbevölkerung von Slawjansk, Lugansk oder Donezzk nicht die Rede ist.
Wie könnte sich irgeneiner der aufständischen Kämpfer oder Menschen aus der mit ihnen symtpahisierenden Bevölkerung auf solch ein „Angebot“ einlassen?
3. Freilassung von Gefangenen
Ja, das könnte unter der Voraussetzung eines tatsächlichen, gegenseitig garantierten und von neutraler dritter Seite kontrollierten Waffenstillstands eine deeskalierende Maßnahme sein. Genauer zu formulieren wäre allerdings auch hier: gegenseitge Freilassung von Gefangenen unter neutraler Kontrolle.
4. Schaffung einer Pufferzone von zehn Kilometern an der russisch-ukrainischen Grenze. Abzug illegal bewaffneter Formierungen
Auch über so etwas könnte nachgedacht werden, wenn zuvor die Grundvorrassetzung eines kontrollierten Waffenstillstandes erfüllt und ein Dialog über die zukünftige Gliederung desLandes geführt worden ist. Andernfalles setzt auch dieses „Angebot“ ohne vorherigen allseitigen Waffenstillstand eine freiwillige Räumung von Positionen und ihre Unterordnung durch die Aufständischen unter die „legalen“ bewaffneten Formationen vortaus. Deren „Legalität“ kann aber erst Gegenstand von Verhandlungen zwischen den Konfliktparteien sein – wenn dieses „Angebot“ nicht auch wieder auf die schlichte Kapitulation hinausläuft.
5. Garantierter Korridor für den Abzug russischer und ukrainischer Söldner
Wieder die Frage, wer gibt wem eine Garantie? Und dann die nächste Frage, wer ist ein „russischer“, wer ist ein „ukrainischer“ Söldner? Diese Formulierungen setzen stillschweigend voraus, daß die Aufständischen als „Söldner“ des Landes verwiesen werden können, anders gesagt, die Einrichtuing eines „Korridors“ setzt, wenn verwirklicht, einen Selektionsprozess in Gang, der in der Realtät entweder nicht durchführbar ist oder zu gewaltsamen Exilierungen führen muß.
Statt einen solchen Exilierungsprozess in Gang zu setzen müßte ein Friedensplan Angebote für eine Re-Integration der Kämpfer in eine soziale Alltagsordnung entwickeln. Dies setzt aber selbstverständlich erstens die Waffenruhe und danach die tatsächliche Aufnahme von Gesprächen über die zu entwickelnde Lösung der umkämpften Konflikte voraus.
6. Entwaffnung
Dazu ist schon das Wesentliche gesagt: Ohne allseits eingehaltenen kontrolliertemn Waffenstillstand kann es keine Entwaffnung geben.
7. Schaffung von Einheiten innerhalb der Struktur des Innenministeriums für die Absicherung gemeinsamer Patrouillen
Was, bitte, sind „gemeinsame Patrouillen? Wer? Mit wem? Wozu?
8. Freigabe illegal besetzter administrativer Gebäude in den Donezker und Luhansker Gebieten
9. Wiederherstellung der Tätigkeit der örtlichen Machtorgane
Die Punkte 8 und 9 können vernünftigerweise – wenn es um ein Friedensangebot gehen soll, nur lauten, Verhandlungen über die Integration der in den Aufstandsgebieten entwickelten Vorstellungen in eine Struktur der zu schaffenden Selbstverwaltung und Autonomie. Die vorliegende Formulierung in Poroschenkos Plan läuft dagegen auf eine Liquidierung jener – ohnehin schwachen und noch ungezielten – Ansätze von Selbstorganisation hinaus, für die die Aufständischen gekämpft haben, bzw. noch kämpfen. Warum sollten sie sich freiwilligt auf ein „Angebot“ einer solchen „Freigabe“ einlassen?
10. Wiederaufnahme der zentralen Fernseh- und Radioübertragung in den Donezker und Luhansker Gebieten
Ähnliches gilt für diesen Punkt: Worin liegt hier die Friedensbotschaft, wenn faktisch gefordert wird, die entstandenen unabhängigen TV- und Radionsender wieder einem staatlichen Medienmonopolismus unterzuordnen?
11. Dezentralisierung der Macht (durch die Wahl von Komitees, Schutz der russischen Sprache, Projekt einer Verfassungsänderung)
12. Absprache der Gouverneure mit den Vertretern des Donbass vor Wahlen (Einigung auf eine Kandidatur, bei Uneinigkeit trifft der Präsident die Entscheidung)
13. Vorgezogene Kommunal- und Parlamentswahlen
14. Programm für die Schaffung von Arbeitsplätzen in der Region
15. Wiederaufbau von Industrieobjekten und sozialer Infrastruktur
Was jetzt in den Punkten 11- 15 folgt, sind Versprechungen, die der tatsächlichen von Proschenko betriebenen Politik krass entgegenlaufen. Alle seine konkreten Maßnahmen zielen eben n i c h t auf Stärkung von Selbstverwaltung, regionaler Autonomie und darauf gestützter föderaler Gliederung, einschließlich der Wahl von Gouverneueren aus diesen Strukturen heraus, sondern auf das genaue Gegenteil – auf eine Zentralisierung, die Poroschenko im Interesse einer Verfügbarkeit des Landes für einen offenen Markt mit militärischer Gewalt durchzusetzen versucht.
Das Austeritätsprogramm, das zusammen mit Europäischer Union , IWF und Weltbank als Folge des Assoziationsverrtrages durchgesetzt werden soll, wird keine Arbeitsplätze schaffen, sondern mehr und mehr abbauen, tut das schon jetzt, steht keienswegs im Dienst des Wiederaufbaus der Industrieobjekte und sozialen Infrastruktur, sondern zielt auf deren „Sanierung“, sprich, Schließung nicht rentabler Betriebe, Übernahme der rentablen durch ausländiche Käufer im Zuge der von der Regierung beschlossenen radikalen Privatisierung.
Dazu kommt die Reduzierung der Sozialausgaben, das Zurückfahren sozialer Rechte und Standards auf allen Ebenen von Pensionsansprüchen über Arbeitslosenunterstützung, Kindergärten bis zur Schule und Bildung, dazu die Erhöhung der Preise für öffentliche Dienstleistungen, Wasser, Strom, Gas usw.
Die versprochene Dezentralisierung der Macht und die vorgezogenen Parlamentswahlen sind vor diesem Hintergrund ein Versuch, der Bevölkerung der Ukraine den Schein einer demokratischen Entwicklung vorzugaukeln, während die Ansätze tatsächlicher, auch wenn widersprüchlicher und schwacher Selbstorganisation niedergeschossen werden, statt sie zu fördern. Dies ist ein Friedensplan der ganz besonderer Art. Lange kann so ein Frieden nicht dauern.
Kai Ehlers, www.kai-ehlers.de
Brief aus Russland – Eindrücke von der anderen Seite
Liebe Freunde zu Hause in Deutschland, liebe Freundinnen, erlaubt mir heute bitte ein paar persönliche Worte zur gegenwärtigen Lage aus Russland, wo ich nich zur Zeit aufhalte.
Weit entrfernt von den Redaktionen, aus denen gegenwärtig der Welt mitgeteilt wird, was Russland alles zu tun hat, um nicht als Agressor zu gelten, erlebe ich hier zur Zeit einen bemerkenswert ruhigen Alltag.
Bemerkenswert deswegen, weil ja die Athmosphäre von Eskalationselementen nur so schwirrt, die uns zur Zerit aus jeder Ecke der Welt entgegenkommen
Sanktionen aus russischer Sicht: „Äpfel und Kartoffeln haben wir immer.“
„Endlich ein entschlossener Schritt“ - das war der Kommentar meiner gegenwärtigen Gastgeber tief im Herzen Russlands, an der Wolga, abends um 21.00 Uhr vor dem Fernseher, auf dem im zweiten Programm die Abendnachrichten laufen.
Man ist schon müde von den sich seit Wochen wiederholenden Nachrichten über Sanktionen, die beschlossen wurden, neuen Listen, die in Vorbereitung sind, verschärften Maßnahmen, die angedroht werden. Wofür? fragt sich der russische TV-Zuschauer. Was haben wir getan? Wo liegt der Sinn?
Manifest der Volksbefreiungsfront der Ukraine
Welches Ziel hat unser Kampf?
Aufbau einer gerechten sozialen Volksrepublik ohne Oligarchen und ohne korrumpierte Bürokratie auf dem Territorium der Ukraine.
Blick in den Hintergrund: Manifest der „Volksbefreiungsfront“ zu den Zielen des Widerstandes im Süden und Osten der Ukraine
Die Veröffentlichung eines Aufrufes zur Verteidigung der Menschenrechte in der Ukraine durch eine „Versammlung von Bürgern der Ukraine und Repräsentanten internationaler Solidaritätsnetzwerke“ vom 07. Juli 2014 hat die unterschiedlichsten Reaktionen hervorgerufen. ... Für etwas mehr Einsicht kann die Erklärung sorgen, welche die Ukrainischen Teilnehmer und Teilnehmerinnen der Jaltaer Konferenz beschlossen haben...
Beschleunigung in der Ukraine – und die Frage der kritischen Solidarität
Die Eskalation des Bürgerkrieges in der Ukraine steigert sich von Tag zu Tag. Der soeben erfolgte Zerfall der Koalitionsregierung wird das Tempo eher noch beschleunigen als abbremsen, steht zu befürchten. Solidarität wird mehr und mehr zum Gebot der Stunde.
Aber mit wem solidarisch sein?
Und immer noch die Ukraine – eine Zwischenbilanz
Dies eine war selbst für Petro Poroschenkos Förderer nicht zu leugnen: Sein „Friedensplan“, wie er von ihm vor einer Woche vorgelegt wurde, war kein Angebot zu Verhandlungen, sondern ein Katalog, der Unterwerfung von denen fordert, die bereit sind zu kapitulieren, während er die übrigen mit Ausweisung oder wenn sie weiter Widerstand leisten wollen, mit Liquidation bedroht. Inzwischen sieht es so aus, als ob selbst dieses arge Dokument dazu beigetragen hat, eine gewisse Gesprächsbereitschaft auf allen Seiten zu fördern – es sollte aber niemand übersehen, dass auch nach Vorlage des „Friedensplans“ weiter geschossen wurde und bis zum Abfassen dieses Schreiben noch wird, und zwar
Poroschenko´s Frieden: eine Kriegserkläring – Kommentar zu einem exemplarischen Meisterstück der Demagogie
Bemerkenswertes ist dieser Tage in deutschen Medien über den „Friedensplan“ des neuen Ukrainischen Präsidenten zu lesen und zu hören, so beispielsweise in dem überaus interessanten Kommentar von Reinhard Veser in der FAZ vom Samstag, d. 21. Juni 2014, der – anders als man es in letzter Zeit zu hören und zu lesen gewohnt war und anders als Frau Merkel es verlauten lässt, die den „Friedensplan“ Poroschenkos für eine gute Grundlage hält „jetzt eine politische Lösung zu finden“ – kritische Töne gegenüber der Kiewer Regierung anschlägt – um dann allerdings nach einigen halbwahren Wendungen und Unterstellungen mit umso martialischeren Forderungen aufzuwarten.
Poroschenko, Timoschenko und Co – Anmerkungen zu einem bemerkenswerten Programm
„Sie werden keinen Einfluss auf die Politik haben. Punkt.“ antwortete Petro Poroschenko, ukrainischer Präsidentschaftskandidat, auf die Frage, wie er den Einfluss der Oligarchen in seinem Lande begrenzen wolle. „Das sind diese Leute, die politische Kräfte finanziert haben. Das wird es nicht mehr geben, weil es nicht mehr gesetzlich sein wird, Wenn sie versuchen, das Gesetz zu verletzten, werden sie nach dem Gesetz zur Verantwortung gezogen werden.“ - Wie er das machen will lesen Sie auf den folgenden Seiten.
Roter Faden durch den ukrainischen Dschungel
Auch ein halbes Jahr nach Beginn des Aufruhrs ist die Ukraine ein schönes, mit Naturschätzen gesegnetes, von seinen Möglichkeiten her reiches Land, geografisch, ethnisch, kulturell und politisch vielgestaltig, ein Durchzugsgebiet der Völker und Kulturen seit Beginn der europäischen Siedlungsgeschichte. Unterschiedliche Völker haben die Kultur der Ukraine geprägt, angefangen bei den Hunnen, über die Wikinger, die Mongolen, über Türken, zu Polen und Habsburgern. Zwischendurch waren es immer wieder die Russen; im letzten Jahrhundert kam der Firnis der Sowjetunion dazu. Die Vielgestaltigkeit der Ukraine ist ihre Potenz, als Zerrissenheit, die nach Identität schreit, ist sie zugleich ihr Problem.
Globaler Maidan? – Liste häufig gestellter Fragen
Seit Monaten füllt die Krise um die Ukraine die Nachrichten. Täglich wird die Öffentlichkeit mit neuen Wahrheiten konfrontiert, die einen Tag später schon wieder überholt sind oder sich gar als gefälscht erweisen - wie kürzlich die NATO-Fotos vom angeblichen Aufmarsch russischer Truppen an der Ukrainischen Grenze. Der von den Mainstream-Medien verbreitete Informationsnebel wird immer dichter und giftiger, die Reihe offener Fragen immer länger und drängender. Es wird zu einer Frage des geistigen Selbstschutzes, sich nicht weiter verwirren zu lassen. Die folgende Liste von Fragen und Antworten erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Sie versteht sich nur als kleiner Wegweiser durch den Nebel der Desinformation, der in dem gegenwärtigen Informationskrieg verbreitet wird.
Es folgen Fragen und Antworten...
Die Krim russisch – was nun?
Die Bevölkerung der Krim hat sich entschieden. Sie will mehrheitlich zu Russland gehören. Der russische Präsident Putin hat das Ergebnis angenommen. Der „Westen“, allen voran die USA und die EU und mit ihnen die Übergangsregierung der Ukraine wollen das Ergebnis nicht akzeptieren – „nie“, wie es aus den USA verlautet. Was nun?
Russisch – Ukrainische Optionen
Einstimmig haben Moskauer Duma und Föderationsrat gestern Wladimir Putins Antrag zugestimmt, russisches Militär auf dem Gebiet der Ukraine, präziser, auf der Krim, einsetzen zu dürfen... Wer jetzt Invasion, Besetzung oder gar Annexion ruft, hat den Text nicht richtig gelesen und auch die darauf folgenden Ereignisse nicht richtig verfolgt oder will es nicht...
Ukraine: Pragmatische Lösung oder Zeitreise in die Vergangenheit?
Die Ereignisse in der Ukraine treiben einer Eskalation entgegen. Eine friedliche Lösung des Konfliktes zwischen der Majdan-Opposition und Präsident Janukowytsch scheint kaum noch möglich, nachdem das überraschende Angebot des Präsidenten, zwei der drei führenden Vertreter der Opposition, Arseni Jazenju und Vitali Klitschko in die Regierungsverantwortung einzubinden, von den beiden in Übereinstimmung mit dem dritten in der Oppositionstroika, dem Nationalisten Tiagnibok als „vergiftetes Angebot“ (Klitschko) abgelehnt wurde....
Grundeinkommen für die Ukraine?
Wer die Bilder vom Treffen der beiden Präsidenten, Janukowytsch und Putin, gesehen hat, die sich gegenseitig in bester Laune zuzwinkern, der weiß, daß in Moskau etwas vereinbart wurde, was außerhalb der üblichen Spielregeln heutiger Politik liegt.
Ukraine – was heißt hier „Nationaler Verrat“?
Aufruhr in der Ukraine. Hunderttausende auf den Straßen. Julia Timoschenko wirft dem Präsidenten „Verrat der nationalen Interessen der Ukraine“ vor. Was hält davon einer nüchternen Bestandsaufnahme der Situation der Ukraine stand?
Rußland in der Demografiefalle
Rassistische Massenkrawalle in Moskau. Wer verstehen will, was sich abspielt, muß weit hinter die Kulissen der letzten Vorfälle schauen. Da ist zunächst dies: Rußland ist heute, wie die Mehrheit der alten Industrieländer mit dem konfrontiert, was im Fachjargon der internationalen Demographie „disproportionale Bevölkerungsentwicklung“ genannt wird: Schrumpfung im Norden, überproportionale Zuwachsraten im Süden des Globus.