Kategorie: Forum Integrierte Gesellschaft

Schafft ein, zwei, drei viele Allmenden
Das „Forum integrierte Gesellschaft“ ist ein offener Gesprächskreis, mit dem Ziel kritische Menschen aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen und mit unterschiedlichen Weltsichten in lebensdienlichen Austausch zueinander zu bringen. Die Treffen finden in lockerer, freundschaftlicher Atmosphäre statt.

Ich, du, wir – die innere Organisation der Allmende

                                                                                                                                                                                        

Schafft zwei, drei viele Allmenden!

Bericht vom 29. Treffen am 1.6.2013

 

Liebe Freundinnen, liebe Freunde,

ich, du, wir – ein unerschöpfliches Thema! Und letztlich doch auf einen einzigen Satz reduzierbar, den wir einander nicht oft und nicht einfach genug mitteilen können: Liebe Deinen Nächsten wie Dich selbst. Dies und nicht mehr und nicht weniger ist die Essenz, auf die alle Gespräche zurückkommen.

    Aber dann geht es los: Wer bin ich? Wer bist Du? Wer ist der Nächste? Und was, bitte sehr, heißt lieben? Was heißt sich selbst zu lieben? Was heißt den Nächsten zu lieben?

    Max Stirner schrieb: „Mir geht nichts über mich.“ Emanuel Kant formulierte: „Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, daß sie ein allgemeines Gesetz werde.“ Wie weit liegen diese Sätze – moralische Entrüstung beiseitegelassen – tatsächlich auseinander? Liegt nicht im Anspruch, so zu handeln, daß die Maxime des eigenen Handelns zum allgemeinen Gesetz werden möge, ein ebenso radikaler Subjektivismus wie in der Formulierung Stirners? – vorausgesetzt man nimmt beide, ihn und Kant, ernst und läßt es nicht bei den Worten, sondern fragt nach den inneren, lebendigen Zusammenhängen.

    Andere, etwas alltäglichere Varianten desselben Zusammenhangs sind uns vertraut: Nur wer sich selbst versteht, kann andere verstehen. Nur wer sich um sich selbst kümmert, kann sich auch um andere kümmern. Nur wer sich selbst als Mensch begreift, kann auch andere als Menschen begreifen usw. usf. Das sind Sätze, die wir so oder so, immer wieder wie selbstverständlich gebrauchen. Sie bedeuten nichts anderes als das, was heute auch so formuliert wird: Selbstwahrrnehmung ist Weltwahrrnehnung. Rudolf Steiner sprach so. Christiane Kessler spricht heute so. Hans Peter Dürr. Also, warum erschrecken wir immer noch so, wenn Stirner den radikalen Egoismus formuliert?

    Darf man solche Fragen in einer Welt stellen, deren Existenz durch radikale Egoismen bedroht ist? Wir denken ja, man muß sie sogar stellen, um auf den Kern der Bedrohung zu kommen. Ich muß die Frage nach den Wurzeln und Bedingungen der eigenen Existenz stellen, um zu verstehen, daß Ich nur Ich sein kann, weil und wenn du auch ein Ich sein kannst. Es heißt nur einfach zu begreifen, daß mein Ich nur ich sein kann, indem es sich als Ausdruck der Welt versteht, verantwortlich dafür, daß die Welt sich in mir verwirklichen, in mir ihren Sinn finden kann. Dies bedeutet den tiefen, untrennbaren Zusammenhang zwischen mir und allem, was ist und was lebt, zu erkennen, in der Weise, daß jede meiner Handlungen Auswirkungen auf das Ganze hat – und also auch auf mich. Radikaler Egoismus und Altruismus sind nur zwei Seiten desselben Zusammenhangs. Kant und Stirner – zwei Seiten einer Medaille, nämlich der Selbsterkenntnis des Ich als Werte setzendes Subjekt.

 

Tja, liebe Freunde, so ging das bei unserem letzten Treffen – und wo liegen die Grenzen der Identifikation meines Lebens mit der sozialen und der allgemeinen sachlichen (Um)Welt?

Was gehen mich die Nachbarn an? Was gehen mich die Türken an, die um einen Park streiten? Was die Brasilianer, denen die Tomaten zu teuer sind? Das sind auch wieder solche Fragen, die nur verständlich werden, wenn ich meine eigene Beziehung zu meinen eigenen Tomaten ernst nehme, zu meinem eigenen Erholungspark, zu meinem eigenen Arbeits- und Lebensplatz, der zerstört wird.

 

Wer sind die Türken, wer sind die Brasilianer, wer sind alle die anderen, die heute um den Erhalt ihrer Lebensqualität, ihrer Zukunftsperspektive auf die Straße gehen. Wutbürger? Oder vielleicht doch eher Mutbürger, um mit Robert Menassew zu sprechen? Und welchen Charakter haben die Proteste in Russland? Sind alles das “sie“, die anderen, mit denen ich nichts zu tun habe, oder sind wir das? Gibt es da ein Gemeinsames, das Ich sagen will?

    Also, es ist klar, wohin diese Frage führt: in den Ungehorsam, in den Protest gegen die gegenwärtige profitorientierte Normalität, in den Widerstand gegen eine lebenszerstörende Konformität. Und so kommen wir zu der Frage: Wogegen genau richtet sich eigentlich der Unmut der heute zu beobachtenden Proteste und Revolten? Wer sind ihre Träger? Haben die verschiedenen Ausbrüche etwas gemeinsam? Und wenn, was ist es?

 

Dieser Frage soll das nächste Treffen genauer nachgehen unter der Fragestellung

                   „Wutbürger, Mutbürger oder gar keine Bürger?“

P.S.

Mit diesen Fragen setzen wir selbstverständlich unsere Reise in die Welt der Commons und Allmenden fort, denn sicher ist, daß es auf jeden Fall um Selbstorganisation jenseits von Staat und Markt geht. Wir möchten Euch auch auf ein Ereignis hinweisen, das im November in Berlin stattfinden wird. Dort soll es auf einer „Demokratiekonferenz“ unter dem Stichwort „Europa der Regionen“ um die Frage gehen, wie wir wirklich in Europa – und nicht nur dort – leben wollen. Wer interessiert ist und nähere Informationen dazu braucht, möge sich bitte an uns wenden.

 

P.P.S.

Näheres zum Thema ‚Ich, Du, Wir’ bei:

– Amartya Sen, Die Identitätsfalle. Warum es keinen Krieg der Kulturen gibt, dtv, München 2010

– Kai Ehlers, Die Kraft der ‚Überflüssigen’, Pahl-Rugenstein, 2013

Erörterungen zum Geist der Allmende

Schafft zwei, drei viele Allmenden!


Liebe Freundinnen, liebe Freunde,

Was ist der Geist der Allmende? Die Diskussion des Forums zu dieser Frage in ihrem Verlauf wiederzugeben, macht keinen Sinn. Sie bewegte sich naturgemäß in einem kreativen Chaos. Wir beschränken uns in diesem Bericht daher auf die knappe Skizze einzelner Fäden, die sich in dieser Diskussion als Anknüpfungsvorlagen für weitere Klärungen ergeben haben.

    Erster Faden: Allmenden existieren nicht isoliert von anderen Allmenden, sprich von der sie umgebenden Gesellschaft. Die einzeln in einer unbebauten Ur-Welt lebende Allmende ist eine irreale Fiktion nicht anders als es Robinson Crusoe als Muster des allein auf einer Insel lebenden Einzelnen ist. Zur Allmende gehört immer auch ein sie – enger oder weiter – umgebendes Netz von benachbarten Gruppen/Gemeinden oder sonstigen offenen Siedlungsverhältnissen, in denen sich die Allmende X in ihrer jeweiligen Eigenart bewegt.

    Zweiter Faden: Von Allmenden muß man heute überhaupt nicht erst sprechen, wenn die Gesellschaft, für die man sich eine Allmendisierung wünscht, keine Toleranz kennt. Die Gesellschaft muß nicht unbedingt demokratisch im Sinne einer parlamentarischen Demokratie verfaßt sein, aber ohne gegenseitige Achtung der Rechte des anderen müßte sich gegenseitige Hilfe in gegenseitige Kontrolle und Druck verkehren. Damit verkehrte sich der Sinn dessen, was wir uns heute von einer Allende versprechen, in sein Gegenteil. Entsprechende historische Erfahrungen haben unsere Eltern und Großeltern im letzten Jahrhundert im Faschismus und im Stalinismus gemacht. Das müssen wir nicht wiederholen.

    Dritter Faden: Toleranz und gegenseitige Hilfe in einer Allmende sind noch kein Garant dafür, daß dieses Grundprinzip auch zwischen verschiedenen Allmenden, bzw. zwischen Allmende und der sie umgebenden Siedlungsrealität oder Gesellschaft lebt. Vielmehr zeigt die historische Erfahrung, daß einzelne Gruppen, die nach innen die Prinzipien der Selbstorganisation und der gegenseitigen Hilfe praktizieren, nach außen gegenüber Nachbargruppen und erst recht gegenüber entfernten, für sie anonymen Gruppen oder Lebenseinheiten stattdessen in Konkurrenz steckenbleiben, also das Prinzip der gegenseitigen Hilfe nicht über die eigenen Grenzen hinaus zu heben verstehen. Hier wird dann sehr schnell nach „dem“ Staat gerufen, der von außen für Ordnung sorgen soll – was das Prinzip der Selbstverantwortung und Selbstorganisation der Allmende aushebelt.  

    Der Geist der Allmende, das zeigt sich hieran, und damit sind wir beim vierten Faden, besteht zunächst und vor allem anderen erst einmal darin, die Konkurrenz zu überwinden, bzw. genauer – von der Erkenntnis her formuliert – Konkurrenz genauso als natürliche Voraussetzung im Zusammentreffen von Menschen (noch zu schweigen von weiteren Lebewesen) zu verstehen wie die Möglichkeit der Kooperation. Das heißt, weder Konkurrenz und Kooperation als Realität zwischenmenschlicher Beziehungen zu leugnen, sondern zu verstehen, daß Konkurrenz und Kooperation ein und dieselbe Grundsituation beschreiben, die nur durch gegenseitige Anerkennung des Lebensinteresses jedes einzelnen Menschen zu einem langfristigen Nutzen für alle führen kann.

    Dabei geht es nicht darum, sich gegenseitig mit moralischen Ansprüchen unter Druck zu setzen, sondern die stufenweise Umwandlung von gesundem Egoismus, mit dem jeder Mensch sich selbst erhält, statt anderen zur Last zu fallen, über den erweiterten Egoismus der Gruppe auf eine Erkenntnisstufe und ein Handlungsniveau zu heben, bei dem das eigene Wohl zum gegenseitigen Nutzen aller im Gemeinwohl aufgehoben wird.

    Damit sind wir beim fünften Faden, dem Nutzen und werden jetzt aufhören zu zählen, denn sobald diese Frage aufgeblättert wird, wird deutlich, daß mit einer Einigung auf den gegenseitigen Nutzen zwar schon viel gewonnen ist, aber noch keineswegs alles: Wie ist Nutzen zu definieren? Nur ökonomisch? Materiell? Mental? Ökologisch? Kulturell? Spirituell? Jemand sprach gar von einem „sozial industriellen Komplex“. Es kann einem schwindlig werden angesichts der Vielfalt, die sich hier auftut. Am Ende führt diese Leiter zu der Einsicht, die weiteste Definition des Nutzens darin zu erkennen, was einem Menschen ermöglicht, sein Leben nach seinen Möglichkeiten selbst zu gestalten.  

    Letztlich zeigt sich, daß Miteinander und Gegenseitigkeit in dem gegenseitigen Verständnis für die Nöte und die Chancen des Menschseins kulminieren – materiell, mental wie auch spirituell. Damit ist der Geist der Allmende im Grunde beschrieben. Er führt geradewegs in den Bereich der Ethik, Moral und Religion, die sich in dem afrikanischen Ubuntu-Satz „Ich kann nicht sein, wenn Du nicht bist“, ebenso finden läßt wie in der biblischen Aufforderung: „Liebe Deinen Nächsten wie Dich selbst“ oder dem Motto der deutschen Kommune Niederkaufungen „Gemeinwohl ist mein Wohl“.

    Damit ist ja fast schon alles gesagt. Dennoch treten hier, abgesehen von den bereits erörterten Fragen der Organisation der Allmende, ihrer Beziehung zum Staat und zum Kapital, noch weitere Aspekte in Erscheinung, die beachtet werden müssen, wenn wir uns auf einen Pfad der Allmendisierung unserer heutigen neoliberalen industriellen Realität  machen wollen. Allem voran wären Differenzierungen zwischen Geist und Geist zu klären, um nicht gleich von Mißverständnissen zu sprechen. Die Rede ist von den sog. „Geistigen Allmenden“. Gemeint sind damit Erscheinungen wie Wikipedia, Google, Facebook etc. pp. Hier gilt es unseres Erachtens streng hinzuschauen, was  w i r k l i c h  in Gemeinschaftsbesitz kooperierende Individuen im Sinne einer Bewirtschaftung begrenzter Ressourcen sind, was dagegen per se unbegrenzter Raum ist, gleich wie sehr sich auch diverse Mächte in der Geschichte darum bemüht haben, ihn zu begrenzen, nämlich: der mentale Raum, Wissen, Kultur etc. Man erinnere sich des schönen deutschen  Liedes: „Die Gedanken sind frei…“

    Wissen, Gedanken, Geist, um es klar und unmißverständlich zu sagen, können keine Allmenden sein. Sie sind unbegrenzt und in diesem Sinne frei!

    Eine andere Sache ist, daß die Apparaturen wie Wiki, Google, Facebook etc., in denen heute für alle abrufbares Wissen transportiert wird, selbstverständlich begrenzte Ressourcen sind. Aber diese elektronischen Ressourcen, diese Apparate, Netze usw. sind als materielle Basis noch keine Allmenden im Sinne des sozialen Organismus einer selbstorganisierten kooperativen Bewirtschaftung begrenzter Ressourcen, sie sind so etwas wie eine künstliche elektronische Weide, auf der alle grasen dürfen. Zu einer Allmende werden sie erst dort, wo alle NutzerInnen sich auch an der gemeinsamen Bewirtschaftung und der Pflege dieser Weide beteiligen und die vereinbarten Zugangsregeln beachten.

    In diesem Sinne kann man alle WIKIformen wohl als Ansatz zu Allmenden bezeichnen. Google, Facebook; Amazon und dergleichen aber sicherlich nicht. Die Letztgenannten sind im Gegenteil als Monopole das pure Gegenteil eines Weges zur Selbstverantwortung oder Selbstorganisation. Sie fördern nicht die kooperative Selbstverantwortung, sie manipulieren und betäuben sie eher durch die Möglichkeit des passiven Nutzens. Ob dies durch Initiative der NutzerInnen umkehrbar ist, ist eine der heute offenen Fragen.

     Wir sind hier auf dem Feld angekommen, auf dem wir noch einmal auf das Wesen, also den Geist der Allmende treffen, nämlich: Kooperative Selbstverantwortung des einzelnen Menschen für sein Menschwerden zwischen Staat und Markt auf der Grundlage begrenzter Ressourcen. Das wäre so eine Formulierung, um die herum das eingrenzbar sein könnte, was wir auch in Zukunft Allmende oder Commons nennen wollen.

    Viele weitere Fragen tun sich auf: Was ist mit der menschlichen Arbeitskraft? Ist sie eine begrenzte Ressource, die von einer begrenzten Gruppe von Menschen bewirtschaftet wird? Wer bewirtschaftet diese Ressource? Welche Rolle spielt auf diesem Feld die Selbstverantwortung, Selbstorganisation, Selbstversorgung? Oder ist menschliche Arbeitskraft, nennen wir sie auch einmal anders, um deutlicher zu machen, worum es geht, also menschliche Schaffenskraft global betrachtet, unbegrenzt wie auch das Wissen?

    Hier stieß unsere Debatte in einen neuen Bereich des Allmende-Geistes vor: den Geist der Selbstverantwortung, des Glaubens an den Sinn der eigenen Existenz, des Wunsches nach Selbstverwirklichung und schließlich nach – Überleben in einer bedrohten  Welt.

    Dies alles lief am Ende unserer Debatte in der, uns selbst überraschenden Erkenntnis zusammen, daß das, was Allmende in Zukunft werden und sein kann, sich im Widerstand, gegen die zur Zeit herrschenden Formen der Vernutzungsgesellschaft herausbilden wird und,  um auch das deutlich und unmißverständlich zu sagen, nur so herausbilden kann.

Wir laden Euch ein, bei der nächsten Runde dabei zu sein.

Wir treffen uns am 1.6. 2013 wie üblich um 16.00 Uhr

Bitte anmelden unter: Kontakt

Thema:  Thema: Ich, Du, Wir – die innere Organisation der Allmende.

 Als besondere Anregung dieses Mal: Jede/r bringt ein Gedicht zum Thema mit, ein eigenes oder ein fremdes.

Im Namen des Forums integrierte Gesellschaft,

freundliche Grüße, Kai Ehlers

P.S.

Das Thema Allmende wird ausführlich behandelt in:

Kai Ehlers: „Die Kraft der ‚Überflüssigen’, der Mensch in der globalen Perestroika“,

Pahl-Rugenstein.

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Ausführliche Daten, Fakten, Hintergründe zur Geschichte und aktuellen Transformation von Gemeinschaftskultur finden Sie weiterhin in folgenden Büchern von mir:

Allmende und Markt – ein Entweder-Oder?

Wiederentdeckung der Allmende, kooperative Selbstorganisation zwischen Staat und Markt lautet das Thema, zu dem sich das Forum jetzt zum sechsten Mal zusammengefunden hat. Nach Untersuchung der Grundregeln der Allmende, nach Beschäftigung mit ihren Formen und ihrer Geschichte, nach Untersuchung der Beziehung von Allmende und Staat geht es in diesem Bericht um das Verhältnis von Allmende und Markt.

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Allmende und Staat. Kann es eine Allmendisierung des Staates geben?

Schafft zwei, drei viele Allmenden.

Wir setzen unsere Treffen zur Wiederentdeckung der Allmende fort.

Grundbedingung für eine gedeihliche Beziehung zwischen Staat und Allmende ist also zuallererst, daß von staatlicher Seite die Allmenden als Ausgangsfeld an der Basis gesellschaftlichen Lebens akzeptiert werden, auf dem Interesse, Kompetenz und erkennbarer Bedarf sich treffen. Sind solche Voraussetzungen heute gegeben?

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Kongreß integrale Politik

Der lange angekündigte "Kongreß integrale Politik - wie wir wirklich leben wollen" hat vom 28.7. - 5.8. 2012 in St. Argbogast (bei Ötzis/Österreich) stattgefunden. Von ihm werden hoffentlich starke Impulse in Richtung der Entwicklung einer Synergie kultur-kreativer Politik ausgehen.

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Für ein Europa der Regionen

Liebe Freundinnen, liebe Freunde des Forums integrierte Gesellschaft - Unser Treffen zur „Charta für ein Europa der Regionen“ war ernüchternd und anregend zugleich: Ernüchternd, weil die Diskussion um die Vorlage sich, klar gesprochen, von Frage zu Frage hangelte, eine offener, ungelöster, widersprüchlicher als die nächste, anregend eben deshalb – eben weil die Fragen nach einem demokratischen Entwicklungsweg Europas durch den Entwurf für diese „Charta“ sehr grundsätzlich angesprochen werden.

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Brennpunkt Syrien

Auswertung des  17. Treffens zu „Brennpunkt Syrien“ vom 12.05.2012

und Einladung zum Treffen am Sonntag 10.06.2012, 16.00 Uhr;

Thema: Charta für ein Europa der Regionen

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Liebe Freundinnen, liebe Freunde des Forums integrierte Gesellschaft,

das Thema „Syrien“ geht zur Zeit jeden Tag durch die Medien. Es soll hier daher nicht der tägliche Informationsstand referiert werden. Ich werde mich in diesem Bericht auf die Benennung der Grundfelder beschränken, auf denen sich das Gespräch im Forum bewegt hat – und darauf, worauf es sich unseres Erachtens bewegen sollte.

Anders als andere Themen, die uns bewegen, sahen wir uns außerstande, das Thema „Syrien“ auf eine Hauptfrage zu fokussieren – es sei denn man nehme die Tatsache, daß hier das gegenwärtige labile Gleichgewicht des Weltfriedens, besser zu sagen vielleicht, des Nicht geführten Weltkrieges zur Debatte steht.

Womit beginnen? Wie immer, versteht sich, mit dem Versuch einer Bestandsaufnahme der Interessenfelder, die sich hier in vielfältigster, kaum entwirrbarer Form überlagern:

Syrien als ein Glied in der Kette der muslimisch geprägten arabischen Welt. Das ist offensichtlich. Da gelten die gleichen allgemeinen Entwicklungstendenzen wie im gesamten arabisch-mittelmeerisch-muslimischen Kulturraum: Aufbruch einer sich rapide vermehrenden Bevölkerung in dem Wunsch der Teilhabe an den Errungenschaften der europäisch geprägten Moderne, konkret an den im Westen (Europa, USA und auch Rußland) als Ergebnis ihrer Jahrhunderte dauernden kolonialen Vorherrschaft konzentrierten wirtschaftlichen und technischen Möglichkeiten.

Gleichzeitig treten starke Tendenzen der Rückbesinnung auf die Qualitäten der eigenen muslimischen Geschichte und Kultur auf – von gemäßigten bis zu radikalen Positionen.

Diese Motive und Strömungen im Einzelnen, wie sie in Syrien jetzt in Erscheinung treten, auseinander zu halten und nach fortschrittlich oder rückschrittlich, berechtigt oder unberechtigt zu sortieren, dürfte zur Zeit nicht einmal Spezialisten gelingen – und ich denke auch, daß es nicht unsere Aufgabe ist, solche Sortierungen von außen her vorzunehmen.

Sicher ist, daß die unterschiedlichen Strömungen und gesellschaftlichen Fraktionen im Zuge der allgemeinen Entwicklungsprozesse des arabisch-mittelmeerischen Raumes heute an dem gewaltsam hergestellten Konsens einer nach-kolonialen autoritären Modernisierung rütteln, die nicht der Mehrheit der Bevölkerung, sondern nur Teilen der zur Zeit Herrschenden zugute kommt. Sicher ist auch, daß dies eine Entwicklung ist, durch die sich eingesessene Herrschaftsinteressen der westlichen Welt existentiell bedroht sehen.

Der arabische Modernisierungsprozeß, ist nicht als eindeutige Hinwendung zum Westen, aber auch nicht als Rückwendung zu einem wie immer gearteten muslimischen Fundamentalismus zu begreifen. Es geht um eine Besinnung auf die Kraft der eigenen Kultur, aber auch um Überwindung von Entwicklungshemmnissen in der eigenen Kultur. Das ist ein Prozeß, der seine eigene innere Dynamik hat, in den einzugreifen für den Westen nicht ratsam ist.

Darin waren wir uns einig. Es gehen in diesen Prozeß, über diese Tatsachen hinaus, aber auch noch schwer kalkulierbare ethnische und kulturelle Konfliktpotentiale mit ein, die aus den von den westlichen Kolonialmächten zu vorgenommenen willkürlichen Grenzziehungen am Ende der Kolonialzeit hervorgehen – ein syrischer „Nationalismus“, der nur durch die Macht der Einparteienherrschaft der Bathpartei aufgebaut werden konnte und der jetzt innerhalb des Gebietes, das heute Syrien umschließt, gegenüber diversen Sonderinteressen im wesentlichen autoritär gehalten wird.

Strukturell dürfte sich Syrien damit wenig von den anderen Staaten des arabisch-mittelmeerischen Raumes unterscheiden  – ausgenommen Israel und Palästina, die sich unter dem Druck des israelisch-palästinensischen Dauerkonfliktes gewissermaßen in das verwandelt haben, was man, ins Internationale gehoben, eine „Einpunkt-Bewegung“ nennen könnte: für oder gegen ein Existenzrecht Israels in diesem Teil der Welt.

Konkret aber sieht es so aus, als ob die Fraktionierung der im syrischen Gebiet lebenden Bevölkerung auf Grund des historisch undefinierten ethnischen und kulturellen Pluralismus eines Durchgangsraumes zwischen den unmittelbaren Nachbarn der Türkei im Norden, des Irak und des Iran im Osten, des Dauerkrisengebietes Israel/Palästina im Süden und den dies alles durchziehenden globalen Interessen der USA, Rußlands, Chinas weitaus tiefer gehen als in den übrigen Ländern der arabisch-mittelmeerischen Welt.

Das alles bedeutet, daß eine innere Destabilisierung des Landes, ebenso wie eine einseitige Orientierung an einer der genannten regionalen oder auch globalen Mächte sich sehr schnell zu einer Destabilisierung des gesamten mittelmeerisch-arabischen Raumes auswachsen kann. Dies gibt der Herrschaft Assads eine Rolle, die nicht einfach umgangen werden kann, ohne unkontrollierbare Folgen für den Raum nach sich zu ziehen.. Einfach gesagt: Syrien ist nicht Libyen.

Es wären dem bisher Gesagten selbstverständlich noch reichlich Einzelheiten hinzuzufügen, um die Zerrissenheit des Landes und die darauf als Klammer sitzende autoritäre Struktur noch besser zu verstehen. Hier soll aber jetzt zur entscheidenden Frage weitergegangen werden; sie lautet: Wie sollen, wie können wir, wie kann die Welt sich zu „Syrien“ verhalten?

Zwei „Optionen“ stehen sich gegenüber, beide auch benannt in den Texten, insbesondere dem, des österreichischen Friedensforschers Galtung, die wir das letzte Mal mit herumgegeben hatten. Kurz und direkt gesagt: die westliche „Libysche“ Variante (NATO-„Hilfe“ für einen Regimewechsel) und die russisch-chinesische Variante der „Gespräche“

Vor dem Hintergrund, daß jedes gewaltsame Eingreifen von außen, in diesem Gebiet der Welt speziell von Seiten des Westens als Dejá vu des westlichen Kolonialismus erlebt wird, vor dem weiteren Hintergrund, daß eine Beseitigung der mit dem Iran verbundenen Herrschaft Assads den Weg für westliches (Israelisch/amerikanisches) Vorgehen gegen den Iran freimachen würde und schließlich angesichts unbestreitbaren Tatsache, daß die „Friedensmissionen“ der NATO in Afghanistan, Pakistan, Libyen keineswegs zu demokratischen Verhältnissen und geführt haben – und selbstverständlich aus prinzipiellen Erwägungen heraus, daß tragfähiger Frieden und eine tatsächliche demokratische Entwicklung nicht mit Waffengewalt erzwungen werden können, sondern die Erhaltung einer Mindest-Stabilität dafür Voraussetzung ist, kamen wir in unserer Gesprächrunde darin überein, uns für die russische Variante zu entscheiden, d.h., einen „runden Tisch“ zwischen allen Beteiligten – Assad und Kritikern – zu fördern, auch wenn klar ist, daß dies der schwierigere Weg ist und auch dann noch und immer wieder, wenn schon keine Hoffnung mehr zu bestehen scheint. In der Realität vor Ort hat Leben immer Priorität!

Wobei die Paradoxie offenkundig ist und auch Bestandteil der komplizierten Gemengelage in der syrischen Problematik, daß die Variante des „runden Tisches“ ausgerechnet von autoritär regierten Staaten wie Rußland oder auch China vorgeschlagen wird, die ihrerseits reichlich Probleme mit, freundlich gesprochen, verschleppten Reformen haben.

Sich für Gespräche einzusetzen bedeutet daher nicht, das sei unmißverständlich gesagt, das blutige Vorgehen der herrschenden syrischen Kräfte gegen ihr Kritiker, zu rechtfertigen oder auch nur gut zu heißen, es bedeutet auch nicht Rußland oder China zu Mustern demokratischer Politik zu erklären, es bedeutet nur einfach, sich der Dämonisierung Assads nach Art der Dämonisierung Saddam Husseins oder Gaddaffis zu widersetzen – wie gesagt: das Leben hat Priorität! In dieser Frage folgen wir einstimmig der Argumentation des Friedensforschers Galtung. (Wir geben sie deshalb diesem Bericht zur nochmaligen Kenntnisnahme bei).

Wir kamen damit wieder einmal zu der Frage, was wir selbst, über die Enttarnung der in den Medien betriebenen Desinformation hinaus zur Entwicklung von tatsächlichen demokratischen Kräften beitragen können. Unsere vorläufige Antwort:

Wir werden uns beim nächsten Treffen mit der in Entstehung begriffenen „Charta für ein Europa der Regionen“  befassen. In ihr geht es darum, ein Europa zu denken und zu gestalten, daß bei sich selbst Ernst macht mit Selbstorganisation, Entwicklung demokratischer Strukturen und – Menschenrechten.

Wir treffen uns zu dieser Frage am Sonntag, d. 10. Juni 2012 um 16.00 Uhr

Anmeldung über Kontakt zu mir

Zur Vorbereitung liegt diesem Bericht eine vorläufige Fassung der „Charta für ein Europa der Regionen“ samt erläuternden (ebenso vorläufigen) Anhängen bei, außerdem bisher noch nicht eingearbeitete kritische Anmerkungen von mir. (Kai Ehlers). Es handelt sich bei dem jetzigen Stand der „Charta“ nicht um eine endgültige Vorlage für eine endgültige Verfassung, sondern um ein Diskussionsangebot für ein anderes als ein imperial-bürokratisches Europa.

Erarbeitet wurde dieser Entwurf als Ergebnis des „Kongresses integrale Politik“ vom August 2008 in St. Arbogast/Österreich. Er soll dem diesjährigen zweiten „Kongreß integrale Politik“ als Vorlage zugeführt werden. Wir können unseren Beitrag mit einfließen lassen.

Wer aktiv teilnehmen möchte, kann das Vorbereitungsmaterial bei mir über Kontakt bestellen.

Liebe Freunde, liebe Freundinnen, wir würden uns freuen, Dich und Dich und Dich in diesen Diskussions- und Findungsprozeß mit einbeziehen zu können: Die Zeit ist reif.  Wir freuen uns auf Dein Kommen oder auch auf Deinen Beitrag.

Im Namen des „Forums integrierte Gesellschaft“

Herzlich, Kai Ehlers

 

 

Russland nach der Wahl Putins

Auswertung des 16. Treffens vom 21.04.2012   

Liebe Freundinnen, liebe Freunde des Forums integrierte Gesellschaft,

unser Thema war: Rußland nach den Wahlen. –

Vieles ist dazu schon gesagt; wir hatten als Ergänzung zur Einladung zudem eine analytische Betrachtung der Nach-Wahl-Situation mit herumgeschickt. Dem ist auch nach Ablauf mehrerer Wochen wenig Neues hinzuzufügen. Unser Gespräch kreiste daher in der ersten Hälfte um Details der in dieser Analyse angegebenen Aspekte. Das soll hier nicht wiederholt werden.  (Für die, die den Text nicht mehr präsent haben: www.kai-ehlers.de /Eingangsseite /Rußland nach den Wahlen: Aufstand der Mittelklasse)

Auch ein Skype-Kontakt zum Schriftsteller und Journalisten Jefim Berschin in Moskau, den wir uns während des Treffens gönnten, bestätigte im Wesentlichen den Stand, wie er direkt nach der Wahl war. Das Land befindet sich im Übergangszustand zwischen Noch-Präsident Medwedew und dem zukünftigem Präsidenten Putin.  Regierung, Duma und außerparlamentarische Opposition ordnen ihre Kräfte, bereiten sich für die Tage nach der Amtsübergabe vor. Große Überraschungen nach Art der Proteste in der Zwischenwahlzeit um Weihnachten und Anfang dieses Jahres sind nicht zu erwarten.

Interessant wird die Entwicklung der realen Politik nach der Amtseinführung Putins. Putin wird in der neuen Konstellation zum einen auf die außerparlamentarischen Kräfte zugehen müssen und auch wollen, d.h., eine gewisse Dialog-Bereitschaft in Sachen demokratische Rechte demonstrieren. Ziel wird sein, die Kritiker, wo es geht zu integrieren, zugleich die Bewegung entlang ihrer sozialen Bruchzonen zu spalten – also in Alt-Liberale, politisch undefinierte Mittelklässler, extreme Rechte, extreme Linke zu sortieren. In den zurückliegenden Monaten waren diese Kräfte alle auf die Anti-Putin-Kampagne focussiert.

Das Hauptproblem, mit dem Putin und seine neue Konstellation sich konfrontiert sehen werden, liegt aber nicht in den mittelklässlerischen Protestpotentialen, das Hauptproblem liegt in den, man könnte sagen, ungelösten sozialen Fragen, die durch die Tandem-Politik quasi verschoben worden waren – auf den wieder ins Präsidentenamt zurückkehrenden Putin aber jetzt als unaufschiebbare Aufgaben zukommen.

Zu erinnern ist an die „nationalen Projekte“, mit denen Medwedew antrat: Erschwinglicher Wohnraum, Ausbau des Bildungssektors, des Gesundheitssektors und Entwicklung der Agrarwirtschaft. Keins von diesen Problemfeldern wurde so beackert wie angekündigt. Ich will darauf jetzt hier nicht im Einzelnen eingehen. (Ich verweise dazu auf mein Buch: „Kartoffeln haben wir immer. (Über)leben in Rußland zwischen Supermarkt und Datscha“, das einen Aufriß der zu lösenden sozialen Probleme beim Stand von 2008/2009 gibt)

Hier zur Zeit nur dies: In den Vordergrund scheint sich die Wohnungsfrage zu drängen, genauer, die Frage der Wohnungszusatzkosten – also, Kosten für Wasser, Gas, Heizung, Modernisierung usw. Diese Kosten nehmen solche Höhen an, daß sie das Lebensniveau der Mehrheit der Bevölkerung empfindlich drücken. Die Wohnungsfrage hat sich zudem mit der sog. „Datschenexplosion“ verschränkt, d.h. der Entstehung eines unabsehbaren Zuwachses an kleinen Privathäuschen plus Garten im Umkreis der großen Städte im Zuge der letzten Jahre. Viele dieser Kleinstsiedlungen sind nach den heute bestehenden Gesetzen nicht legal, nicht registriert, nicht katastermäßig erfaßt, zugleich aber in vielen Fällen zu Ausweichquartieren für Menschen geworden, die ihre Wohnungen vermieten. Die Regierung ist mit dem Problem konfrontiert, dieses Unverhältnis von nicht mehr erschwinglichem Wohnraum und illegaler Datschen-Explosion in einem Zeitrahmen bis 2014 regeln zu müssen; bzw. zu wollen. Dies kann mit starken sozialen Verwerfungen einhergehen.

Das Problem ist, daß die Überführung des illegalen Datschenbooms in eine kontrollierte Datschenbesiedlung nur möglich ist, wenn zugleich das bisher nicht eingehaltene nationale Programm des „erschwinglichen Wohnraums“ dahingehend erfüllt wird, daß es tatsächlich erschwinglichen Wohnraum gibt, der das Ausweichen auf die Datschensiedlungen überflüssig macht. Dies ist zudem nicht nur ein sachliches, also ökonomisches Problem, sondern auch ein kulturelles, insofern die Datscha und der dazu gehörige Garten für die russländische Bevölkerung über ihre Rolle als familiäre Zusatzwirtschaft hinaus die Stelle der persönlichen Entfaltung gegenüber dem öffentlichen staatlichen und wirtschaftlichen Druck einnimmt. Wie Putin dieses Problem lösen will, ist zur Zeit nicht absehbar.

Zu ähnlich brennenden Fragen haben sich die nicht durchgeführten Reformen auf dem Bildungs- und Gesundheitssektor aufgestaut, ebenso auf im Bereich der Landwirtschaft.

Kurz. Um hier keine Analysen der sozialen Fragen Rußlands vorwegzunehmen: Die nächste Runde der Putinschen Amtszeit wird wesentlich von der Sozialpolitik bestimmt werden. Putin muß dabei das Kunststück fertig bringen, diese innenpolitische Aufgabe mit der Stiftung eines neuen russischen Selbstverständnisses zu verbinden. Er macht diesen Versuch mit der Argumentation, Rußland müsse angesichts zu erwartender globaler „Turbulenzen“ seine Autarkie als multinationaler Staat zwischen Asien und Europa entwickeln und sich dabei und damit zum Motor eines eurasischen Kooperations- und Bündnissystems entwickeln.

Nach übereinstimmender Sicht der uns bekannten Stimmen aus Rußland gibt es – bei aller Kritik an Putins autoritärem Führungsstil – keine politische Herausforderung, die es effektiv mit Putin aufnehmen könnte. Die einzige Kraft, die nach wie vor eine Basisverankerung im sozialen Milieu hat, ist die KP-Russlands, aber sie ist kräftemäßig zu nicht mehr in der Lage, als ein schwaches Korrektiv zu bilden.

Wir kamen überein, daß das zukünftige Augenmerk Rußland betreffend auf der Kombination von eurasischer multinationaler Vormacht und aktiver Sozial- und Kommunalpolitik auf den oben genannten Feldern zu suchen sein wird. Putin geht auf den Prüfstand.

***

Außenpolitisch wird Rußland daran gelegen sein, als Eurasische Hegemonialmacht das globale Gleichgewicht einer multipolaren Ordnung aufrechtzuerhalten. Die damit verbundenen Fragestellungen führten angesichts der aktuellen Ereignisse um Syrien, Israel und den Iran dazu, daß wir uns beim nächsten Treffen mit dem „Brennpunkt Syrien“ befassen wollen.

Wer Interesse hat teilzunehmen, ist eingeladen, sich bei mir zu melden: KONTAKT

 

 

Du zwischen Ich und Wir

Es geht darum, das Leben als Geschenk zu begreifen, das wir Menschen uns gegenseitig machen können. Und noch mehr: Nicht nur wir Menschen beschenken uns gegenseitig mit Leben, auch Pflanzen, Tiere und die erweiterte Umwelt beschenkt uns mit Leben
Auswertung des 16. Treffens vom 17.03.2012 Einladung zum Treffen am 21.04.2012

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Nietzsche, Hitler und die Deutschen – Fragen an die Sinnsuche von heute

Liebe Freundinnen, liebe Freunde des Forums integrierte Gesellschaft,

den Bericht zu diesem Treffen möchte ich sehr kurz halten.

Auf dem Programm dieses Treffens stand die Befassung mit dem Buch von Jochen Kirchhoff ‚Nietzsche, Hitler und die Deutschen. Die Perversion des Neuen Zeitalters. – Vom unerlösten Schatten des dritten Reiches.“ Das Buch wurde 1990 herausgegeben (Edition Dionysos, Berlin) – gerade passend zu der durch Perestroika eingeleiteten Zeitenwende, mit welcher der Begriff der Globalisierung – und nicht nur der Begriff, sondern auch ihre Realität aufkam.

Kurz will ich diesen Bericht halten, weil es keinen Sinn macht, dieses sehr verdichtete Buch durch Nacherzählung noch weiter verdichten zu wollen. Es sei hier nur angerissen, worum es geht, nämlich um den mythischen Hintergrund des Nationalsozialismus, um die fehlgeleitete Sinnsuche nach dem Schock des ersten Weltkriegs, die sich wiederholen könnte, wenn nicht verstanden wird, welchen Kräften die Menschen – über ökonomische Gründe hinaus – damals erlegen sind. Einer der Kerngedanken des Buches lautet: Wenn die Mythen nicht bewußt als Kräfte der Geschichte akzeptiert und als allgemeines Erbe der Menschheit verstanden werden, dann holen sie die Menschen unbewusst und hinterrücks ein und können mißbraucht werden.

Ich lasse es bei diesen beiden Sätzen – wer sich interessiert, möge das Buch lesen.

Passend dazu empfehle ich den Film „Schwarze Sonne“ von Rüdiger Sünners, durch den die historische und sehr intellektuelle Analyse Kirchoffs eine kongeniale Anschauung erhält.

Unsere Gespräche bewegten sich wesentlich um drei Aspekte:

Erstens um die erstaunliche Tatsache, daß die esoterische, bewußt mythische Kräfte benutzende Ausrichtung der nationalsozialistischen Bewegung seitens ihrer Gründer dem öffentlichen Bewußtsein heute nahezu entglitten ist. Das gilt auch für die Frage, was von den Bildern, die Nietzsche gestiftet hat, ins Denken und vor allem ins Handeln der Nazis übergeflossen ist. Hier gibt es einfach sehr viel in die Erinnerung und ins öffentliche Bewußtsein zu rufen, um einer Wiederholung einer solchen Entgleisung spirituellen Denkens entgegenwirken zu können.

Zweitens ging es um die Frage, ob der von Kirchhoff und Sünner beschriebene Prozeß als spezifisch deutscher verstanden werden muß oder ob er allgemeineren Charakter trug, so wie eine evtl. Widerholung heute ebenfalls allgemeineren Charakter trüge. Wir kamen zu der Sicht, daß es sich bei dem politischen Rückgriff auf Mythen, wenn sie für die nationale Identitätsbildung benutzt werden, keineswegs nur um einen deutschen, sondern um einen allgemeinen Vorgang handelt. Die Nazis fanden dafür jedoch, vorbereitet durch Denkstrukturen der deutschen Geschichte, einen besonders fruchtbaren Boden vor und haben dieses Instrument auf dieser Grundlage gezielt entwickelt. Darüber hinaus stellt sich die Frage, wie weit sie sich selbst in die von ihnen „nationaliserte“ Mythenwelt verstrickt haben.

Den dritten Schwerpunkt des Gespräches bildete das Problem der Identitätsfindung. Muß ich mir die „Zuchtwahl“ eines Nietzsche, die arischen Fantasien eines Hitler, den Mißbrauch altehrwürdiger Begriffe wie „Heimat“ uam. als Deutscher persönlich zurechnen lassen? Was heißt es, sich heute als Deutsche, als Deutscher zu definieren? Muß ich mich überhaupt national definieren, bzw. von außen definieren lassen? Wir kamen zu der Übereinkunft, daß jeder Mensch – will er oder nicht – mit einem familiären, ethischen, nationalen oder kulturellen Erbe auf die Welt kommt, dann jedoch vor der Frage steht, wie weit sie oder er sich davon bestimmen läßt oder sich davon befreit und zu einer selbst gewählten Identität voranschreitet. Selbst dann aber ist niemand vor Zuweisungen von außen frei und ist herausgefordert, sich dazu zu verhalten. Z.B. wird man den Begriff der „Heimat“ nicht ohne Erklärungen, ohne Distanzierungen gegenüber seinem Mißbrauch benutzen können, wenn man nicht mit diesem Mißbrauch identifiziert werden möchte. Betrachte ich die ererbte Identität nur als Last oder liegt in ihr auch eine Stütze, ein Wert, gar ein Reichtum? Kann die gegenseitige Akzeptanz der wechselseitigen Identitäten kann auch als Wert, als kulturelle Bereicherung verstanden und gepflegt werden? Ja, sie kann, da kann es kaum zwei Meinungen geben. Dafür bedarf es allerdings einer aktiven Bildungsarbeit, durch welche der Mensch den eigenen Wert als Mensch durch die Wertschätzung des von ihm verschiedenen, des Anderen zu verwirklichen lernt.

Damit waren wir bei der Notwendigkeit angekommen, uns Gedanken zur Entwicklung konkreter Bildungsarbeit zu machen. Das soll hier nicht weiter ausgebreitet werden. Nur soviel: Das „Forum integrierte Gesellschaft“ ist natürlich ein solcher Ansatz. Andere Ansätze werden von einzelnen Mitgliedern des Forums verfolgt. Es wird aber wohl darauf ankommen, noch mehr Wege des synergetischen Zusammenwirkens zu finden. Dies dürfte ein Thema sein, das für das Forum wie auch generell ganz vorn auf der Tagesordnung steht.

 

 

 

 

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