Treffen des „Forum integrierte Gesellschaft“: Was können wir uns heute unter einer integrierten Gesellschaft vorstellen? Das Gespräch verlief in einer sehr lebendigen Atmosphäre, nicht zuletzt Dank der Teilnahme einer stattlichen Anzahl junger Menschen, die das erste Mal dabei waren. Die unerlässliche Einführung der neu dazu Gekommenen führte vor allem dazu, noch einmal die Normen heraus zu arbeiten, in denen Judentum, Christentum und Islam sich gleichen, bzw. unterscheiden, worin sich darüber hinaus die monotheistischen Religionen anderen Religionen gleichen, bzw. sich unterscheiden. Danach konzentrierte sich die Runde auf die Frage, wie ein Gespräch aussehen kann, das die im Islam liegende Kritik an einer „gottlosen Welt“  aufgreift, die von  materiellen Interessen dominiert wird, das sich aber nicht in die Dogmatik, gar einen Dogmatismus der einen oder anderen religiösen Richtung zurückbewegt. Gibt es Möglichkeiten der „Übersetzung“ zwischen den unterschiedlichen Religionen und Ethiken, wie sind sie im Gespräch miteinander zu finden? Gibt es so etwas wie ein allgemeines ethisches Grundempfinden, das allen Menschen jenseits aller religiösen oder gar konfessionellen Unterschiede eigen ist – zumindest greifbar wäre, wenn sie sich darum  bemühten oder sich öffneten? Braucht es eine monotheistische Gottesvorstellung, um Werte wie Glaube, Liebe, Hoffnung – Menschenwürde und Freiheit zu entwickeln? Unterschiedliche Positionen wurden dazu geäußert: Nur ein Gott, der seiner Schöpfung gegenüberstehe, erlaube dem Menschen, sich frei zu ihm zu entscheiden, d.h., sich zu befreien. Wenn Gott in allem sei, sei eine solche freie Entscheidung zu ihm nicht möglich. Das provozierte die Frage: Können Buddhisten, können Taoisten also nicht frei werden, weil sie sich dem Kosmos, der Welt nicht gegenüber stellen, sondern sich als Teil davon erleben? Das war uns nicht vorstellbar – führte uns aber vor Augen, dass hier Fragen liegen, die nach Bearbeitung verlangen. Wie kommen wir zu einer „neuen Innerlichkeit“, fragte ein Teilnehmer, wie kommen wir dazu, eine in Konsum, in der Ökonomie versinkenden Welt, mit neuem Geist zu beleben, wenn wir sie nicht verlassen wollen, wie sie ist? Alle diese Fragen führten geradewegs zu der Sicht, dass ein „neuer Sinn in einer sinnentleerten Welt“ heute nur in der individuellen Suche, nicht in den Normen überkommener religiöser Vorstellungen gefunden werden kann, ja, nicht nur in der individuellen Suche, sondern eben in der Selbst- und Welterkentnis des einzelnen Menschen als Mensch jenseits der bisherigen religiösen Normen – und in der individuellen Begegnung miteinander. Das Bild dafür: Wir stehen alle rund um einen Berg, der von jedem Menschen aus einer anderen Perspektive gesehen wird – und tauschen uns darüber aus.

Soweit, so gut; das schien Konsens  – aber dann tauchte die Frage auf, was geschieht, wenn jemand zu diesem Gespräch nicht fähig oder bereit ist? Um diese Frage kreiste der letzte Teil des Gespräches und ich muss ehrlicherweise sagen, dass wir darauf keine verbindliche, keine alle befriedigende Antwort gefunden haben, die als Regel einfach anwendbar wäre. Gewalt als Mittel der Überzeugungsversuche sei auszuschließen, darüber herrschte Einigkeit. Rituale, Regeln, Gesetze sollen dem Schutz des Einzelnen in seinem Verhältnis zum anderen Einzelnen dienen, aber wo die gegenseitige Überzeugung, wo die Überredung, wo der Konsens, wo das für alle verbindliche Gesetz endet und wo Gewalt beginnt, darüber gingen die Meinungen doch sehr auseinander. Die Debatte um diese Frage zog sich – entlang nicht enden wollender Beispiele aus dem Alltag – weit in den Abend hin. Sie machte klar, dass jede Begegnung, gleich wie milde oder schroff,  gleich unter welchen Regeln oder Gesetzen sie stattfindet, nur konkret vor Ort in Erwägung der individuellen Ziele, Motive und Umstände gelöst werden kann. – Wir beendeten das Gespräch in dem Bewusstsein, dass wir an dieser Frage noch reichlich arbeiten müssen.

Für das nächste Forum allerdings wollen wir den Blick erst noch etwas weiten, indem wir uns der Frage zuwenden, die schon verschiedentlich vorher und auch in diesem Treffen wieder aufleuchtete. Die Frage lautet: Welches Bewusstsein wächst heute in China und über China hinaus in Asien heran? Mit dieser Frage wollen wir auch eine mögliche Einengung auf den Islam sprengen. Zum Treffen werden wir China-Erfahrene unter uns haben.  Schaut, wenn Ihr wollt, auch in das Büchlein:

Wenn Ihr zum Thema vorher etwas anregen oder herumschicken wollt, gebt mir Bescheid.

Wir haben das nächste Treffen angesetzt für:

18. 12. 2010, 16.00 Uhr in der Jurte.

(Rummelsburgerstr. 78., 22147 Hamburg, U1 bis Farmsen.)

Thema: Welches Bewusstsein wächst heute in China und über China hinaus in Asien heran?

Mögliche Vorbereitung: Kai Ehlers, „Asiens Sprung in die Gegenwart“, Pforte.

Bitte gebt Bescheid, ob Ihr kommen wollt. Bringt interessierte Freundinnen oder Freunde mit. Übernachtung ist möglich.

Ein bisschen zum Knabbern dabei zu haben, kann auch nicht schaden, aber nicht zu viel. Und bitte seid pünktlich.

Herzlich, Kai

P.S.

Wer diese Einladungen nicht bekommen möchte – Nachricht genügt. Danke.

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