Schafft zwei, drei viele Allmenden!

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Bericht vom 27. Treffen am 6.04.2013:

Liebe Freundinnen, liebe Freunde,

Wiederentdeckung der Allmende, kooperative Selbstorganisation zwischen Staat und Markt lautet das Thema, zu dem sich das Forum jetzt zum sechsten Mal zusammengefunden hat. Nach Untersuchung der Grundregeln der Allmende, nach Beschäftigung mit ihren Formen und ihrer Geschichte, nach Untersuchung der Beziehung von Allmende und Staat geht es in diesem Bericht um das Verhältnis von Allmende und Markt. Die Frage lautet: Stehen Allmende und Markt zueinander in einem Verhältnis von Entweder-Oder? Wäre eine Allmendisierung im Sinne der Entwicklung vieler selbstorganisierter Kooperationsorganismen gleichbedeutend mit einem Verschwinden des Marktes?

Die Untersuchung dieser Frage führt schon in den ersten Ansätzen in eine kaum zu überschauende Differenzierung der historischen und auch aktuellen vorhandenen Ebenen:

Von welchem Markt wollen wir sprechen? Gibt es einen Markt innerhalb einer Allmende? Oder sind Markt und Allmende per se zwei nebeneinander liegende Strukturen? Wenn Markt und Allmende per se zu unterscheiden sind, worin liegt dann der Unterschied? Allmende – nur eine Selbstversorgungsstruktur? Als was ist dann der Austausch von Produkten oder Leistungen innerhalb der Allmende zu bezeichnen? Wie grenzt er sich ab von einem Austausch zwischen der Allmende und dem sie umgebenden Umkreis? Zugespitzt gefragt: Ist Allmende mit Selbst- oder Eigenversorgung identisch?

Wenn man davon ausgeht, daß eine Allmende sich als selbstorganisierte kooperative Bewirtschaftung einer begrenzten Ressource definiert, dann wird sofort klar, daß sie nicht auf eine Struktur der Selbstversorgung oder der Eigenversorgung reduziert werden kann. Es können und werden in Allmenden Dinge oder Fähigkeiten produziert, die nach außen wirken und die nach außen weitergegeben, bei entsprechendem Entwicklungsstand auch weiter verkauft werden. Es können umgekehrt in einer Allmende Güter genutzt werden, die nicht in der Allmende hergestellt werden, ohne damit den Grundkonsens der kooperativen Selbstbewirtschaftung der jeweiligen Basisressource in Frage zu stellen oder auch nur zu berühren. Gemeinschaftsinteresse und Privatinteresse greifen organisch ineinander, ohne sich gegenseitig zu behindern, das Eine belebt im Gegenteil das andere. Kurz gesagt, wirkt Marktgeschehen im Sinne eines Austausches von Produkten zwischen Allmenden und außerhalb von Allmenden lebenden Menschen in den Allmende-Organismus hinein sowie Impulse und Produkte aus der Allmende nach außen, auf den Markt hinaus wirken.

Solche Überlagerungen konnte man gut in den Kolchosmärkten der Sowjetunion beobachten, in denen Überschüsse  aus der sog. familiären Zusatzwirtschaft zum Verkauf angeboten wurden. Auch wenn die Kolchosmärkte schon Elemente einer verstaatlichten Allmendekultur waren, konnte man an ihnen doch das Prinzip der Durchdringung von gemeinschaftlicher Bewirtschaftung einer bäuerlichen Ressource und privatem Interesse ihrer Mitglieder sehr gut erkennen. Neben dem Kolchosmarkt gab es den staatlich regulierten Markt, über den die Kolchosen oder Sowchosen ihre Gemeinschaftsgüter in den Austausch brachten.

Ohne hier in das Problem der Verstaatlichung hineingehen zu wollen, heißt das alles im Klartext: Allmende und Markt stehen ursächlich nicht in Konkurrenz zueinander, sondern greifen ineinander. Der Markt ist der organische Ort des  Austausches zwischen verschiedenen Allmenden wie auch nicht in Allmenden lebender Menschen.

Dies alles geschieht allerdings noch im Rahmen der Vermittlung von überschüssiger Vorratsproduktion und Deckung unmittelbaren Bedarfs durch den örtlichen oder regionalen Markt. Wie kommen wir aber von beinahe paradiesisch anmutenden Zuständen, in denen der Mensch noch unmittelbar mit seinem Produkt verbunden ist, zum heutigen Welt-Markt? Ist die Allmende auch da noch vermittelt oder wird sie beiseite geschoben?

Diese Frage führte in eine zweite Phase des Gesprächs, die sich je länger um so deutlicher anfühlte wie ein Gang durch das Kapital von Karl Marx. Hier ging es um den Übergang von der Selbstversorgung zur Fremdversorgung, von Handarbeit zur Manufaktur, von der Manufaktur zur industriellen Produktion, generell von der frühen Vorratswirtschaft zur Überflußproduktion, von der Überflußproduktion zur Selbstverwertung des Kapitals, von der Selbstverwertung des Kapitals zum Geldmarkt, vom Geldmarkt zur virtuellen Geldschöpfung…also um den Prozeß, in dem die ursprüngliche Bedeutung von Markt als dem Ort, an dem Waren und Leistungen (gegen Geld oder auch ohne)  getauscht werden, sich in das Gegenteil einer sog. Marktwirtschaft verkehrt, in welcher nicht mehr der Bedarf die Produktion bestimmt, sondern die Produktion sich ihren Bedarf und darüber hinausgehende künstliche Bedürfnisse schafft – und die örtlichen Märkte mit Fremdbelieferung erstickt.

Hier erlaube ich mir, die sehr ins Detail gehenden Erörterungen des Forums-Gespräches zu der Herausbildung der verschiedenen Marktstufen um den einen Kernpunkt herum zusammenzufassen, der sich am Ende herausschälte –  die Frage des Bedarfs.

Allmenden bilden sich ihrer Natur nach um den Bedarf herum. Angesichts der paradoxen Situation, daß eine hochentwickelte Produktivität heute nicht für die Deckung des Bedarfs, sondern der Bedarf für die Aufrechterhaltung der Produktion, exakter der Selbstverwertung des Kapitals und aktuell zur bloßen Absicherung des Kapitalmarktes dient, zerfällt der Bedarf, der vor Ort nicht mehr gedeckt wird in zwei widersprüchliche Pole: An dem einen Pol werden die traditionellen lokalen Wirtschaftsweisen durch die globalisierende Industrialisierung so zerstört, daß mehr und mehr Menschen in einen verzweifelten existentiellen Kampf um Teilhabe am gesamt-gesellschaftlichen Reichtum gerissen werden, am anderen Pol führt die Überflutung mit überflüssigen, ständigem Neuerungszwang unterliegenden Gütern dazu, daß ein Bedarf entsteht, sich dem Druck dieser Fremdversorgung zu entziehen. Salopp gesprochen entstehen zwei Bedarfstypen, die sich scheinbar gegenseitig ausschließen, die jedoch direkt miteinander verbunden sind: existenzieller Bedarf nach Teilhabe hier – und ebenso existenzieller Bedarf nach Ausstieg dort. Diese Polarisierung hat globalen Charakter im Nord-Süd-Gefälle, wiederholt sich aber auch in jedem einzelnen Land. Ursache des Bedarfs ist in beiden Fällen die Entfremdung von der Möglichkeit zu selbst organisierter Bedarfsdeckung und eigenaktiver produktiver, kreativer und selbstverantwortlicher Tätigkeit vor Ort.

Vor diesem Hintergrund hat die Wiederentdeckung der Allmende ihre Bedeutung. Sie ist der soziale Organismus, der aus der Wahrnehmung der individuellen Lebensinteressen, der langfristig zu sichernden Befriedigung des konkreten Bedarfs jedes einzelnen Menschen hervorgeht, der begreift, daß er/sie nur leben kann, wenn andere leben.

Für die folgende Zusammenkunft des „Forums integrierte Gesellschaft“ ergab sich aus dieser Einsicht die weiter führende Frage nach der Natur der Interessen und des Geistes, die hinter der Allmende stehen.

 

Wir laden Euch ein, bei der nächsten Runde dabei zu sein. Kontakt

Wir treffen uns am 4.5. 2013 wie üblich um 16.00 Uhr

In der Jurte in der Rummelsburgerstr. 78, U 1- Farmsen

Thema:  Welche Interessen und welcher Geist liegen der Allmende zugrunde?


Im Namen des Forums integrierte Gesellschaft, freundliche Grüße, Kai Ehlers

 

Mehr zur Allmende: siehe Link: Forum integrierte Gesellschaft