Schule des Labyrinthes
Nachbetrachtung zum dritten Seminar
in Osten an der Oste vom 24. – 26.04. 2015
Unter dem Thema „Labyrinth als Schlüssel der Lebensgestaltung.“
Hallo Freunde und Freundinnen des Labyrinthes,
und solche, die es werden können!
Das dritte Seminar der „Schule des Labyrinthes“ haben nun alle Beteiligten mit innerem Gewinn, wie es zu hören war und zugleich großem Bedauern hinter sich gebracht. Gewinn, weil sich alle einmal erneuert haben. Bedauern, weil das Labyrinth schon nach zweieinhalb Tagen wieder verlassen werden musste. Wieso ist schon wieder alles zu Ende? Dick stand diese Frage im Raum, als die Teilnehmenden sich – wenigstens für dieses Mal – voneinander verabschieden mussten, um wieder in ihre jeweiligen Alltäglichkeiten einzutauchen.
Aber das ist ja schon eine der labyrinthischen Wahrheiten: Nach dem tiefen Eindringen in die Mitte dieser Figur fällt es schwer zurückzukehren. Nach einer Vorbereitung am Freitagabend, an dem die Figur gezeichnet, und verstanden wurde, dass das Labyrinth kein Irrgarten, sondern im Gegenteil der zwar gewundene, aber klaren Gesetzmäßigkeiten folgende Weg durch den Irrgarten ist, nach einem Samstagmorgen, an dem die Figur des Labyrinthes draußen in gemeinsamer Aktion mit schönen Steinen gelegt, nach einem Samstagnachmittag, in dessen Verlauf in die Figur hineingegangen wurde, um dort den Ort zu suchen und vielleicht auch zu finden, wo man sich selbst und der Welt begegnet – nach all dem ist der Weg zurück in der Tat mühsam, noch mühsamer sich wieder draußen zu finden.
Hinein sei es viel einfacher gegangen als sie sich das vorgestellt hätten, bemerkten einige der Teilnehmenden erstaunt. Hinaus müssten sie noch üben. Aber nun die Frage: was haben die Teilnehmenden dieses dritten Seminares eigentlich erlebt? Was für ein Prozess ist da an einem Wochenende abgegangen? Was können die Teilnehmenden in ihrem Alltag damit anfangen?
Nun, jeder, der oder die an der Erforschung des Labyrinthes, an seinem Bau, an seiner Begehung und an den dazwischen stattfindenden Besprechungen beteiligt war, hat natürlich sein eigenes Erlebnis gehabt. Jeder ist durch sein oder ihr eigenes Labyrinth gegangen. Jeder Teilnehmende ist sich im Rhythmus der Windungen, der Pendel, der Wenden und des schubweisen Vordringens ins Innere der Figur am Ende selber begegnet, seinem Schatten oder auch seinem Licht oder auch beidem in beunruhigender Mischung. Jeder ist mit der Möglichkeit konfrontiert worden, über den Ort nachzudenken, den er oder sie in dieser Welt jetzt gerade oder auch generell einnimmt. Widerstände treten auf, Gefühle der Enge müssen verstanden werden, wenn man dem einen einzigen Weg durch Wenden, Pendel und Umkehrungen bis ins Zentrum der Figur folgt, wo es nicht weiter geht, sondern nur Umkehr möglich ist. Aber auch Wohlsein kommt auf; beruhigende, tröstliche Einsichten in die widersprüchliche Einheit der Dinge, des Lebens, der eigenen Person stellen sich ein.
Die Begegnung mit sich selbst und der eigenen Position in der Welt ist nicht immer leicht und auch nicht immer gut zu ertragen. Noch schwerer kann es sein, draußen bei der Rückkehr mit derselben Situation wieder konfrontiert zu sein, die man soeben glaubte hinter sich gelassen zu haben. Aber man kommt ja auch mit neuer Kraft aus dem Innern des Labyrinthes heraus, mit neuer Erkenntnis über sich selbst, über Rhythmen und Gesetzmäßigkeiten, nach denen sich die Widersprüche in der Welt miteinander bewegen und ineinander übergehen. Was du soeben von der einen Seite gesehen hast, erscheint dir einen Umlauf weiter von der anderen, was du eben noch von außen betrachtet hast, erlebst du nach ein paar weiteren Bögen von innen usw..
Und vor allem dies: du begreifst, dass der kürzeste Weg nicht immer der effektivste ist; du lernst einen Leitfaden kennen, entlang dessen Prozesse systematisch und doch in schöpferischer Beweglichkeit entwickelbar, Probleme auflösbar werden, ohne dass dabei schematische Verhärtungen entstehen.
Ein Teilnehmer des Seminars brachte den labyrinthischen Prozess auf den Begriff einer „lebendigen Dialektik“, die Intellektualität und Natürlichkeit, Reden und Tun, Individuum und Gemeinschaft u.a.m. einander nicht dualistisch und aggressiv gegenüber stelle, sondern in schöpferische Beziehungen zueinander bringe. Kurz, das Labyrinth wurde als Denk- und Gliederungsmethode ebenso erkannt wie als Initiationsfigur und Einweihungsweg, der zu einem ganzheitlichen Verständnis der Welt führt. Schwierigkeiten gab es natürlich auch: Sie traten darin zutage die Wandlungen- und Umstülpungen, die Rhythmik der Figur, ihre Verbindung von Symmetrie und Asymmetrie, also, die in der Figur des Labyrinthes wirkenden Gesetzmäßigkeiten der „lebendigen Dialektik“ konkreten biographischen Lebensabschnitten zuzuordnen. Zuordnungen ergeben sich nicht von selbst und treten nicht mit schematischer Verlässlichkeit auf. Das Labyrinth, wie intensiv seine Rhythmen, seine beständigen Wandlungen auch auf Körper, Geist und Seele wirken, ist doch letztlich nur ein Zeichen, nur ein Hilfsmittel, nur ein Schlüssel, ein Werkzeug, eine Krücke für das eigene Erkennen. Es gilt die abgewandelte biblische Wahrheit auch für diese Seminare: Das Labyrinth ist für den Menschen da und nicht der Mensch für das Labyrinth.
Schließlich sei noch erinnert: Dieses Seminar war, wie oben gesagt, das dritte, das im Rahmen der „Schule des Labyrinthes“ stattfand. Dem ging ein Einführungsseminar Anfang 2014 voraus, das sich auf die Vermittlung der Grundelemente der labyrinthischen Figur beschränkte. Es folgte ein thematisches Seminar unter dem Thema „Labyrinth und musikalische Improvisation“ im Herbst 2014, das den labyrinthischen Bewegungen des Hörens, Tönens und Musizierens nachging. Das Seminar „Labyrinth als Schlüssel zur Lebensgestaltung“ war jetzt ein weiterer thematischer Ansatz.
Für alle drei Seminare war eine einführende Aneignung der labyrinthischen Figur und Methode Voraussetzung des Gelingens. Für die Zukunft wird es sinnvoll sein, Grundlagenseminare, die ihren Schwerpunkt auf das Kennenlernen von Geschichte und Gesetzmäßigkeiten des Labyrinthes legen gesondert von solchen Seminare durchzuführen, die dem labyrinthischen Prinzip in gewissen Bereichen wie Musik, Biographie, Märchen oder auch besonderen Wirkungen des Labyrinthes nachgehen.
Ein entsprechendes Programm, das beides, Grundlagen- und thematische Seminare anbietet, werde ich für die „Schule des Labyrinthes demnächst vorlegen. Das könnt Ihr schon einmal vormerken. ()
Seid gegrüßt, Kai Ehlers www.kai-ehlers.de