Der russische Oppositionspolitiker Boris Nemzow wurde soeben nachts auf offener Straße gemeuchelt. Eine schändliche Tat! Ich verurteile sie ohne jede Einschränkung! Seiner Familie, seinen Freunden, allen, die durch den Mord schockiert sind, gehört mein uneingeschränktes Mitgefühl. Soweit bisher erkennbar, waren Leute am Werk, denen an einer Aufheizung der politischen Situation im Lande und in den Beziehungen zwischen Russland und dem Westen gelegen ist. Denkbar ist auch, dass Kräfte mit ihm abgerechnet haben, die er sich im Laufe seines geschäftlichen Lebens zu Feinden gemacht hat. Bisher sind alle Versionen offen.

Zugegeben, Boris Nemzow war auch nicht mein bester Freund. Seit er mit Beginn der Jelzin Herrschaft 1991 als radikaler Privatisierer in Nischni Nowgorod von sich reden machte, war er einer der Counterparts, mit denen sich neben Jegor Gaidar, Anatoly Tschubajs und anderen auseinandersetzen musste, wer die kriminelle Oligarchisierung zur Zeit der 90ger nicht gutheißen konnte. Stärker wirkte er in diesem Sinne dann noch als Vize-Ministerpräsident, immer noch unter Jelzin 1997/1998.

Unter Putin wurde Boris Nemzow zu einer provokativen Figur, die außer „Nieder mit Putin“ allerdings politisch keine Alternative anzubieten hatte. Seine oppositionellen Signale wirkten vor allem als grelle Fackel nach Westen. Zuletzt machte er sich zum Sprachrohr der Opposition gegen die vom Kreml betriebene Ukraine-Politik und damit zur Hoffnung von Menschen, die auf Putin-Change setzen.

Boris Nemzows Mörder, das ist vor diesem Hintergrund leicht zu erkennen,  setzen offensichtlich auf Pawlowsche Reflexe in der russischen und mehr noch in der westlichen Öffentlichkeit, Motto:  Wer Putin stört, wird von Putin geschlagen. Aber wollen wir uns zu Pawlowschen Hunden erniedrigen lassen? Könnte es nicht gut sein, dass es noch andere Motive geben könnte als die eines Putin, sich selbst in einer äußerst dümmlichen Weise ins Aus zu schießen?

Also, beobachten wir, analysieren wir, denken wir nach, bevor wir uns anheizen lassen. Es steht viel auf dem Spiel – wenn, wer auch immer – das Klima in Russland oder auch international weiter anheizt.

Kai Ehlers

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