Liebe Freundinnen, liebe Freunde des Forums integrierte Gesellschaft,
Auswertung des 19. Treffens vom 18. 08.2012
Was sind die USA – eine Demokratie oder eine kapitalistische Oligarchie? Welches Gewicht hat der gewählte Präsident in dieser sog. Präsidialdemokratie? Bestimmt er wirklich die Richtlinien der Politik? Welchen Charakter tragen die Wahlen – handelt es sich um freie politische Meinungsbildung oder um finanziell gesteuerte Manipulation?
Das waren die Fragen, mit denen unser Referent unter Rückgriff auf Kritiker wie Friedmann, Toqueville, Alain de Benoit das Thema eröffnete. Sie führten zu der ersten grundlegenden Feststellung, daß jede politische Beschäftigung mit den USA von der Erkenntnis ausgehen muß, daß sich die USA, basierend auf der missionarischen Tradition der englischen Einwanderer, speziell der Pilgrim Fathers, als Modell für eine bessere Welt versteht. „God´s own country“ zu sein, das dazu ausersehen ist, die übrige Welt mit seinem Verständnis von Freiheit, zu missionieren, ist die ideologische Grundmetapher amerikanischen Selbstverständnisses, wobei Freiheit bedeutet, uneingeschränkt Geld verdienen zu können.
Von hier aus bekommen alle anderen Fragen ihre Bezüge. Von hier aus beantwortet sich die Frage nach der Demokratie – ja, es handelt sich um eine kapitalistische Oligarchie. Von hier beantwortet sich die Frage nach dem Gewicht des Präsidenten – ja, er hat Gewicht, wenn er den Vorgaben der oligarchischen Clans folgt. Die Politik wird zwischen den Clans und deren privaten Hilfsorganisationen ausgetragen. Selbstverständlich gibt es auch demokratische Traditionen, gibt es die Wahlen, aber sie dienen der Erhaltung dieser Verhältnisse, wenn man inzwischen nicht sogar sagen muß, daß sie mißbraucht werden.
Von hier aus beantwortet sich auch die Frage, welchen Spielraum ein Obama seinerzeit gegen Bush hatte und jetzt gegen Romney hat. Bush II., wie ihn der Chefstrategie Brzezinsksi taufte, hatte das politische Kapital, das den USA nach dem Ende der Sowjetunion zugefallen war, das Clinton ordnete, das Bush I. mehr schlecht als recht noch verwaltete, wie Brzezinsi es nannte, politisch und moralisch verspielt, hatte die USA in die Isolation gebracht. Obamas Aufgabe war es, die Isolation mit neuen Bündnisangeboten zu öffnen – ohne die Politik im Kern zu ändern. Dazu konnte er sich auf starke innenpolitische Reformwünsche stützen – und sie verbrauchen. Real hat sich an der missionarischen US-Politik unter Obama nichts in geändert – im Gegenteil, sein „Yes we can“ hat der Ideologie von „God´s own country“ kurzfristig noch einmal einen neuen Schub gegeben. Mehr noch, in seiner Amtszeit – wohlgemerkt, als vorab ausgezeichneter Friedensnobelpreisträger! – ging die amerikanische Außenpolitik von verlustreichen Landkriegen zur massiven Steigerung des Einsatzes unbemannter Drohnen mit unerklärt vielen Toten über. Völkerrechtlich ist das nichts anderes als die Ablösung des Rechtes – und einer völkerverbindenden Ethik – durch Lynchjustiz von US-amerikanischen Gnaden. Auch innenpolitisch hat Obama nicht gehalten – und sei es auch, daß er nicht hat halten können – womit er angetreten ist, nämlich die Einführung einer allgemeinen Kranken- und Sozialversicherung zu schaffen.
Wer den gegenwärtigen Wahlkampf beobachtet, wird feststellen, daß es auch jetzt nicht um grundsätzliche Alternativen der zwischen einem „liberalen“ Obama und einen „konservativen“ Romney geht, vielmehr wetteifern beide miteinander, den sie tragenden Clans die aussichtsreichere Strategie zur Aufrechterhaltung der angeschlagenen US-Hegemonie anzudienen. Als beispielhaft dafür darf man Obamas Versuche sehen, sich die „Ausschaltung“ von Bin Laden – das heißt, eine weltöffentliche Lynchaktion über die technisch ferngelenkten Sonderkommandos direkt aus dem US-amerikanischen Präsidentenzimmer – als Sieg über den Terrorismus ans Revers zu heften. Beispielhaft ist auch seine soeben ausgesprochene Drohung, in Syrien eingreifen zu lassen, wenn Informationen bekannt würden, daß Assad beabsichtige, Chemiewaffen gegen die Aufständischen einzusetzen. – Dieses Lied wurde doch schon einmal ganz genau so gesungen! Und nachher war´s keiner gewesen!
Der US-Mythos zerfällt an seiner eigenen Maßlosigkeit – daran wird sich nichts ändern, auch wenn Obama noch einmal Präsident werden sollte. Aber je größer das Mißverhältnis zwischen schwindender tatsächlicher Wirtschaftskraft (im Verhältnis zu den Newcomern der ehemaligen 3. Welt, vor allem Chinas, verbunden mit Rußland) und immer weiter aufgerüsteter Militärmacht wird, um so gefährlicher wird auch der missionarische Wahn. Er geht in dem Maße zunehmend ins Irrationale über, wie er seine Basis gefährdet sieht.
Dies ist aus unserer Sicht die Situation, in der die US-Wahlen stattfinden; es ist gewissermaßen – zugegeben, sehr scharf gesprochen – die Wahl zwischen Pest und Cholera. Was die Welt bräuchte, wäre eine Medizin, die beides zu stoppen imstande wäre. Das wird die Wahl sicher nicht, im Gegenteil, sie wird die USA, so oder so, wieder aggressiver werden lasse.
An dieser sehr düsteren Perspektive ändert unserer Meinung nach auch „occupy“ leider wenig, weil diese Bewegung außer spontanen Protestimpulsen, was als Signal zum Widerstand und als Sand im Getriebe durchaus zu begrüßen ist, keine politische Perspektive eines anderen Amerika beinhaltet.
Wir haben also, salopp gesagt, von den US-Wahlen nicht viel Neues, jedenfalls nichts gutes Neues zu erwarten, bestenfalls ein Weiter so wie gegenwärtig.
Bei diesem Stand unserer Debatte fiel unser Entschluß, uns nächstes mal mit der Frage „wie wir wirklich leben wollen“, zu befassen, die der „Kongreß integrale Politik“ vom Ende Juli 2012 St. Arbogast/Österreich als Motto hatte. Veränderungen können letztlich nur von uns selbst ausgehen.
Also, wir laden ein zum Samstag, 15.09.2012, 16.00 Uhr
In die Jurte an der Rummelsburgerstr. Nr. 78 (U 1- Hamburg-Farmsen)
Zum Thema: „Wir wirklich leben wollen.“
Bringt Freunde, Freundinnen und Interessierte mit. Zu eng kann es nicht werden.
Eine Jurte hat mehr Platz als man ihr von außen her zutraut.
Bis dahin, herzlich,
Kai Ehlers
im Namen des Forums integrierte Gesellschaft