Aufgeklärter Islam? Und ausgerechnet in Russland? Absurd?
Aufgeklärter Islam sei ein Widerspruch in sich, meinen dessen Kritiker, solange der Koran von Muslimen als Gottes unmittelbares Wort verstanden werde, dem sich das soziale und politische Leben unterzuordnen habe. Von Russland sei ohnehin nicht gerade Aufklärung zu erwarten.
Einer der schärfsten Kritiker des Islam, der erklärte Atheist Ibn Waraq ruft gar zum „kalten Krieg“ gegen die die „totalitäre Ideologie“ des Islam auf.  Die alles entscheidende Frage heiße heute : Islamisierung der Welt oder Verweltlichung des Islam. In Waraqs Gefolge, wenn auch von ihm vermutlich nicht in dieser Weise beabsichtigt, tummeln sich Demagogen jeglicher Couleur, die Islam, Islamismus, Terrorismus, Nazismus, Bolschewismus und Stalinismus in einem Atmzug nennen, ohne Luft zum Denken zu holen.
Dies alles ist nur vor dem Hintergrund zu verstehen, dass selbst radikalste muslimische Reformtheologen wie der türkische Said Nursi, Zeitgenosse Atatürks, der noch heute als Wortführer eines aufgeklärten Islam gilt , von der Priorität des Koran ausgehen. Nursi kleidete seine Vision, dass ein aufgeklärter Glaube in Europa und Amerika die Oberhand gewinnen werde, in die Worte: “Genauso wie die Osmanen mit Europa schwanger waren und einen europäischen Staat gebaren,  so werden Europa und Amerika eines Tages den Islam zur Welt bringen.“  Dies sagte er, obwohl er sich aktiv gegen die Politisierung des Koran wandte, obwohl er der Vernunft und der aus ihr hervorgehenden modernen Zivilisation einen hohen Stellenwert einräumte.
Islam – das heißt auch bei Nursi, Unterwerfung unter den Koran als das nach wie vor gültige, unumstößliche und letzte Wort Gottes. Dem hat die Philosophie wie auch die Politik zu dienen. Alle heutige Erkenntnis und aller Fortschritt, wie neu sie auch scheinen, so Nursi, seien im Koran bereits angelegt. Und wie seinerzeit für Mohammed ist auch für Nursi der Koran die Mahnung zur Umkehr, ist die Aufforderung, abzulassen von der heute verbreiteten Verehrung des „goldenen Kalbes“ und sich stattdessen dem Willen Gottes zu unterwerfen, für das letzte Gericht vorzubereiten.
Und wie einst für Mohammed sind auch für Nursi heute Religion und Staat durch den Koran (Gottes Wort), den Hadith (das Leben Mohammeds) und die Scharia (die daraus entwickelten Regeln und Gesetze) untrennbar miteinander verbunden.
Dieses Verständnis des Islam trifft heute auf eine christlich-abendländisch dominierte „westliche Zivilisation“, die in der Folge des Christuswortes „Gebt Gott, was Gottes und dem Kaiser, was des Kaisers ist“ Welt und Gott, Wirtschaft und Ethik, Wissen und Glauben so weit voneinander getrennt hat, dass sie im Begriff ist, sich im plattesten Ökonomismus zu verlieren, in dem Konsum zur Ersatzreligion wird.
So entstehen in der aktuellen Begegnung von Islam und globalisierter Welt, obwohl Muslime durchaus an deren technischen Errungenschaften teilnehmen, Züge eines historischen dejá vue, in dem sich der religiöse Anspruch des Islam auf Erneuerung von Gottes Wort auf der einen und die „gottlose westliche Welt“ auf der anderen Seite gegenseitig zu lähmen drohen, von Schlimmerem nicht zu sprechen – wenn nicht differenziert wird, wenn nicht der gegenseitigen Durchdringung, nicht der bewussten und aktiven Wechselwirkung und daraus hervor gehenden möglichen Verwandlungen beider Seiten Raum gegeben wird.
Bei diesem Stand der Dinge ist der Blick nach Russland entgegen des ersten Anscheins sogar äusserst interessant: Russland war schon immer – neben Spanien – eine der größten Pufferzonen zwischen Islam und christlich abendländischer Welt. Rund zwanzig Millionen Menschen der Russischen Föderation – von ca. 120 Millionen seiner Bevölkerung sind auch heute Muslime. Dazu kommen die unmittelbaren Nachbarn Russlands im Süden: Türkei, Aserbeidschan, Irak, Iran, Pakistan, Afghanistan, die zentralasiatischen Staaten bis zu den muslimischen Uiguren in China und schließlich noch die Millionen kaukasischen und zentralasiatischen Gastarbeiter, die in der russischen Föderation Arbeit suchen. Das ergibt eine zwar vielfältige, widersprüchliche, aber in großem Maße durch den Islam geprägte russische Befindlichkeit, bis hin zu fundamentalistischen Anschlägen in der Moskauer Metro.
Aus all dem wird deutlich: Auch heute ist Russland Puffer zwischen Islam und christlich geprägter Welt, der christlich-abendländischen wie auch der christlich-orthodoxen. In Russland selbst gilt das in besonderem Maß für Kasan, die Hauptstadt der Republik Tatarstan an der mittleren Wolga, wo der Islam seit hunderten von Jahren als Produkt einer langen Auseinandersetzung zwischen dem christlich-orthodoxen Zarentum und den muslimischen Nachfolgern des großen Mongolensturms, den Tataren,  ein nicht wegzudenkener Bestandteil der russischen Kultur und Gesellschaft ist.
In Kasan gibt es heute einen Islam, der sich als aufgeklärtes, als säkularisiertes Modell versteht, welches zeige – so seine Vertreter, wie der Islam fruchtbar mit der heutigen globalisierten Welt leben könne. Forscht man nach dem Wesen dieser Koexistenz, wie ich es in den Jahren der Perestroika und dann wieder gezielt in den Jahren 2001 und 2002 in mehreren Reisen nach Kasan tat , dann trifft man auf den in West-Europa bisher weithin unbekannten Begriff des „Jadidismus“ für die Art des Islam in dieser Gegend. Der Begriff leitet sich aus dem tatarischen Wort „jadid“ her, was so viel heißt wie neu; den Gegensatz dazu bildet „kad“, althergebracht. Strömungen, die  einem traditionellen Islam das Wort reden, werden in Tatarstan dementsprechend unter dem Begriff „Kadismus“ zusammengefasst.
Bei Kasans regierenden Tataren, allen voran dem ehemaligen Präsidenten Schamijew , aber ebenso seinem Nachfolger Rustam Minnichanow genießt der Jadidismus den Rang einer Staatsideologie – ohne eine sein zu sollen.
Dr. Chakimow, seinerzeit einer der engsten Berater Schamijews, mit dem ich mehrere ausführliche Begegnungen haben konnte, spricht von einem aufgeklärten, einem reformierten, einem europäisch orientierten Islam. Die persönliche Beziehung zu Allah stehe vor den kollektiven Ritualen: „Im 18. Jahrhundert“ so Dr. Chakimow, „gab es hier eine Reformation des Islam.“. Er meint damit die Reformen seitens Katharia II., die deswegen in der tatarischen Bevölkerung bis heute zärtlich Baba, Großmütterchen, genannt werde.
Man könne den „Jadidismus“ natürlich nicht direkt mit denen des Lutheranismus vergleichen, schränkt Dr. Chakimow ein. Eine Reformation verkörpere sich in ihm aber zweifellos. „Unsere Wissenschaftler“, so Dr. Chakimow, „stellten damals – also nach Katharina – die Frage, warum der Osten gegenüber dem Westen zurückgeblieben sei. Die Antwort war, dass er gewissen Traditionen der Autorität gefolgt sei, auf arabisch ´taklid`; das eben hat den Islam geschwächt. Der ursprüngliche Islam ist dagegen auf kritisches Denken gerichtet. Jeder sollte nachdenken, jeder sollte selbst abwägen. Aber dann kam die Tradition auf, Autoritäten zu folgen, und der Islam wurde zu einer unumstößlichen Vorschrift.
Unsere Reformatoren sagten dann, man müsse sich an das kritische Denken wenden. Um den Koran zu lesen, muss der Mensch gebildet sein. Von daher folgt als Erstes, dass jeder Muslim eine gute Bildung haben muss. Also muss man neue Schulen bauen, nach europäischem Standart. Das war die erste Etappe. Das Zweite war, dass im tatarischen Islam, im Jaddidismus, die Religion eine persönliche Angelegenheit ist. Da ist Allah – und da bist du; zwischen euch ist kein Advokat. Da ist kein Mullah und kein Imam: Du alleine sprichst mit Allah. Du sagst guten Tag, er antwortet. Hier hat die Òbschtschina, die Gemeinde, nichts zu sagen. Also, der tatarische Islam ist eine persönliche Angelegenheit. Die Moschee ist natürlich ein Ort, wo man beten kann, aber vor allem ist sie ein Zentrum der Bildung. Ansonsten gehst du in die Moschee wann und wo du willst. Niemand kann mir sagen, wie ich mich zu verhalten habe – fünf mal zu Boden oder nicht fünf mal? Soll ich meinen Kopf beugen oder nicht? Das ist meine Sache. Das unterscheidet den Tataren stark von anderen moslemischen Völkern. Das war schon vor der sowjetischen Zeit. „Al Jadid“ ist die Bezeichnung für diese Reform: Andere Beziehung zu Frauen; Frauen sind den Männern in allem gleich; tolerante Beziehung zu anderen Religionen. Hauptsache du bist gläubig und tust gute Dinge. Allah ist für alle gut. In einem allerdings unterscheidet sich der Jadidismus vom Protestantismus: Durch den Protestantismus hat sich auch im Glauben selbst viel geändert, der Jadidismus kehrt nur einfach zum Koran zurück. Er wendet sich von der Prophetenvermittlung ab, der Autoritätsgläubigkeit. Für den Jadidismus ist die einzige Autorität der Koran selbst.“
Besonders zu beachten an dieser Aussage Dr. Chakimows – neben allem anderen höchst Interessanten – ist natürlich der letzte Satz, dass der Jaddidismus, wie er sagt, „nur einfach zum Koran zurück“ kehre. Örtliche muslimische Geistlichkeit, sowie örtliche muslimische Gelehrte, mit denen ich ebenfalls sprechen konnte, stimmten dieser Darstellung des „Jaddidismus“ zu. Sie betonten allerdings, darin um Differenzierung gegenüber Dr. Chakimow bemüht, dass der „Jaddidismus“ wohl „mehr der politische Ausdruck des Islam als die Religion selber“ sei und es im Kern natürlich, wenn von Islam die Rede sei, um den Koran gehe. Gleichzeitig sahen sie sich jedoch gezwungen, sich gegen Bewegungen abgrenzen, in denen zur „Reinheit“ des Islam, zur Bildung eines islamischen Gottesstaates auf Grundlage des Koran, des Hadith und der Scharia aufgerufen wird, wie sie im Kaukasus, also in Tschetschenien, in Dagestan oder auch in Zentralasien zu beobachten sind; versprengt auch in Tatarstan selbst.
Damit – so könnte es scheinen – stehen wir auch in Kasan wieder vor demselben Problem wie überall, denn dies ist klar; auch in Russland besteht der Islam aus den drei Teilen: Koran als Gottes unmittelbarem Wort, als letzte unumstößliche Verkündigung, Hadith als Sammlung der Berichte über das Leben Mohammeds, die Vorbildcharakter haben und Scharia, dem aus beidem folgenden gottgewollten Rechtssystem.
Umso größeres Gewicht bekommt die Tatsache, dass mir in Kasan noch ein viertes Element des Islam genannt wurde, welches, so erklärte man mir, üblicherweise vergessen werde, obwohl es eine riesige Bedeutung für die differenzierte Verbreitung des Islam IM Laufe der Geschichte habe, besonders auch für die Herausbildung des „Kasaner Modells“. Das Element heißt „Urf adak“,; das sei eine Einrichtung zu „abweichenden Rechten“, die sich aus der besonderen ethnischen, geschichtlichen und kulturellen Lage der jeweiligen Völker ergebe. Hieraus habe sich – bei Anerkennung des Koran, des Hadith und der Scharia – in der russischen Geschichte die besondere Form des tatarischen Islam entwickelt, der heute von Kasan aus über Russland und auch in andere muslimische Länder ausstrahle.
Kasan, muss hier noch einmal nachgetragen werden, ist nicht irgendein Ort in Russland; es ist der historische Knotenpunkt zwischen Asien und Europa, der sich zwischen asiatischer Invasion und europäischen Völkern, zwischen Christentum und Islam, Russen und Mongolen im Zentrum Russlands herausgebildet hat. In diesem Selbstverständnis nennt die Stadt sich heute die heimliche islamische, die „Dritte Hauptstadt Russlands“ neben Moskau und St. Petersburg.
In Kasan hat der Islam eine lange Geschichte der Anpassung und Individualisierung hinter sich, die ihn prädestiniert für eine Koexistenz mit anderen Religionen, insonderheit mit dem orthodoxen Christentum. Die Tataren sind neben den slawischen Russen heut die größte Bevölkerungsgruppe Russlands. Die Republik Tatarstan selbst hat ihren Namen von der Tatsache, dass tatarisch-stämmige und slawisch-stämmige Bevölkerung Russlands dort in einem Verhältnis von ungefähr 60:40 zusammenleben. (In der Angabe enthalten sind noch versprengte Anteile anderer aus Asien kommender Einwanderer.) Die Tataren als wichtigste nicht-slawische Bevölkerungsgruppe sind Nachkommen jener turkmongolischen Eroberer, die Mitte des 13. Jahrhunderts aus Asien nach West- und Südeuropa vordrangen. Ein Teil von ihnen gründete das Chanat Kasan an der Wolga. Nach der Eroberung Kasans durch Iwan IV. 1552 wurden die Tataren Teil des russischen Reiches und Kasan Ausgangspunkt der russischen Ostkolonisation.
Iwan IV wollte den Islam auslöschen, nachdem er Kasan hatte erobern lassen. Zweihundert Jahre danach legalisierte Katharina II den Islam, nachdem der Pugatschowsche Aufstand von 1773/5 ihr hatte deutlich werden lassen, dass ein weiterhin unterdrückter Islam eine zerstörerische Unruhequelle im Herzen Russlands sein würde. Der Aufstand war ja nicht nur ein Aufbegehren der Bauern, sondern zugleich der nicht-slawischen Völker des Reiches gegen das Moskauer Zentrum. Katharina suchte der Unruhe die Zähne zu ziehen, indem sie den Islam als Bildungselement in den russischen, christlich-orthodoxen Staat eingliederte. Auf diese Weise verschaffte sie sich zugleich freie Hand für die von ihr betriebene  Expansionspolitik gegenüber den muslimischen Völkern des Kaukasus und gegenüber der Türkei.
Ergebnis war die Herausbildung des auf Koexistenz und westliche Werte orientierten „Jaddidismus“ in Kasan, der von dort aus auf die übrigen nicht-slawischen Wolgavölker und auf die im Lande verstreuten Tataren ausstrahlte. Im Kaukasus dagegen schmiedete ein militanter Islam die Völker im Kriegsbündnis gegen Russland zusammen.
Die Oktober-Revolution von 1917 führte dann für alle Muslime Russlands gleichermaßen zu vorübergehender größerer Freiheit. In der Sowjetzeit war der Islam generell illegalisiert wie jede andere Religion.
Für den Tatarischen Islam erzwangen diese wechselnden Bedingungen schon in der Zarenzeit eine individuelle Religionsausübung und ließen damit die Voraussetzungen für die Säkularisierung entstehen, wie Dr. Chakimow sie beschreibt. Der staatlich verordnete Atheismus der Sowjetzeit gab dem noch einen gewaltigen weiteren Schub, welcher der Wirkung der französischen Revolution auf den christlichen Westen in Nichts nachstand, ja diese gewissermaßen duplizierte. Die gemeinsam erfahrene Repression ließ zudem eine Solidarität der Gläubigen gegen den Staat entstehen – gleich welcher Religionsgehörigkeit und welcher Konfession.
Heute stehen nicht nur die Tataren, sondern alle Menschen des neuen Russland vor der Frage, wie eine nach-sowjetische Ethik aussehen kann, wenn sie nicht einfach den aus dem Westen kommenden Konsumismus als Ersatzreligion annehmen wollen. Das gibt der von Ibn Waraq aufgeworfenen Frage: Verweltlichung des Islam oder Islamisierung der Welt eine Dynamik, die über die Restitution einer einzigen Religion, Konfession, Kirche oder Sekte ins offene Feld einer zeitgemäßen allgemeinen Ethik hinausführt.
Die Menschen, die sich heute als Muslime zum Kasaner Modell bekennen, sind daher weitgehend immun gegen die von Waraq befürchteten neuerlichen „totalitären“ Indoktrinationen. Sie suchen den individuellen Weg zum Glauben. Gezeichnet durch die Krise des Sozialismus, zugleich skeptisch gegenüber der einströmenden Kapitalisierung suchen sie über ihre ethische Neuorientierung hinaus auch nach neuen gesellschaftlichen Perspektiven.
Kasans „Jaddidisten“ verstehen sich als Impulsgeber für einen eurasischen, konkret auch russischen Föderalismus, Vorbild Europa. In dieser Haltung zu Religion und Gesellschaft stehen sie auch in aktiver Auseinandersetzung mit islamistischen Strömungen des Islam in Russland – in Tatarstan selbst, in Tschetschenien, im Kaukasus, außerdem in Zentralasien. Aktiv unterscheidet Kasans politische und geistliche Führung, mit welchen ausländischen Strömungen des Islam sie Kontakt hält, sich etwa bei Bau von Moscheen unterstützen lässt – mit Ägypten ja, mit Arabien, dem Heimatland des radikalen Wahabismus dagegen nicht.
Dies alles geschieht nicht zuletzt auch in organisierter wissenschaftlicher Arbeit , welche die heute mögliche Beziehung von Religion und Staat in Auseinandersetzung mit der Krise des Sozialismus wie auch des nach Russland einströmenden Kapitalismus, also der drohenden Dominanz der Ökonomie über die Kultur und auch fundamentalistischen Wiederbelungsversuchen Gottesstaatlicher Vorstellungen im Islam wie auch in anderen Religionen bewusst herausarbeitet.
Aus dem Zusammentreffen all dieser unterschiedlichen Entwicklungslinien ergibt sich eine sehr besondere Situation,  die alle Voraussetzungen dafür mitbringt, dass hier ein Tor für eine Entwicklung zu finden ist, die über die Konfrontation von Welt ODER Islam in eine Zukunft hinausführt, in der die Würde des Menschen nicht von der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe, auch keiner religiösen, abhängt, sondern als sein unverbrüchliches Lebensrecht anerkannt wird.
Heute leben die Menschen Kasans – und darüber hinaus Tatarstans – in einer offenen Mischkultur von Islam, Christentum und anderen Religionen sowie religiös nicht gebundener Menschen. Jede dritte Ehe in Tatarstan ist eine Mischehe. Das Selbstverständnis Kasans als offene, auf  Toleranz zwischen unterschiedlichen Glaubensrichtungen, insbesondere zwischen Christen und Muslimen orientierte Stadt dokumentiert sich in dem Doppelbild von Dom und Moschee, die sich im Zentrum des Kasaner Kremls einträchtig gegenüberstehen – wie Zwillingstürme, die an jene des World Trade Centers denken lassen, nur mit gänzlich anderer Botschaft. Das Doppelbild von Dom und Moschee ziert nahezu jede Postkarte der Stadt.  Eine Garantie für den Durchbruch eines neuen Geistes ist Kasans Modell des Zusammenlebens selbstverständlich trotz all dessen nicht. Es zeigt aber einen Weg, der gegangen werden kann.

Kai Ehlers
www.kai-ehlers.de

siehe zum Thema:
Themenheft „Modell Kasan“, über den Autor beziehbar

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