Anlässlich des 5. Mongolei-Festivals in Schlangenbad-Bärstadt

Gespräch mit Anette Stock

Ist eine Kombination aus Kapitalismus, Kommunismus und Sozialismus in der Praxis z. B. in der Mongolei, möglich? Nein, keine Kombination auch keine Synthese sondern eine Weiterentwicklung von dem, was Gesellschaft, bzw. soziales Leben, eigentlich sein kann. Das bedeutet, Man muß auf der einen Seite begreifen, dass der Sowjetismus als Krise zeigt, dass dieser Weg so nicht weiter beschritten werden kann, andererseits, das Reparaturkonzept Kapitalismus, was jetzt in die Sowjetunion bzw. Rußland hineintransportiert wird auch nicht funktioniert. Also Rußland wird nicht einfach kapitalistisch. Diese Art von Dualismus, da Sowjetismus, Sozialismus, hier Kapitalismus das war einmal, da haben wir eine neue Situation. Aber es wird nicht einfach eine Kombination geben. Die sowjetische Krise ist gewissermaßen exemplarisch für die Krise unserer heutigen industriellen Gesellschaft, des heutigen Entwicklungsmodells von industrieller Gesellschaft, als planbare Gesellschaft die wissenschaftlich technische Gesellschft als planbare Gesellschaft, das ist da in die Krise geraten. Und das nicht nur in der Sowjetunion sondern letztenendes setzt sich dies in unserer Gesellschaft fort. D.h.wenn wir unsere, die sogenannte westliche Gesellschaft anschauen sehen wir, dass wir eigentlich genau dieselben Probleme haben. Nämlich das dieser Entwurf der industriellen Gesellschaft, als Fortschritt, der immer weiter geradlinig fortgeschriebenen werden kann, so nicht funktionieren kann. Es muß also was anderes her, es müßen also andere Prinzipien her, wie man miteinander leben kann, wie man mit dem Kapital umgehen kann, das wir uns als Menschheit über die Jahrhunderte erarbeitet haben. Diese ganzen Fragen stehen einfach neu nachdem der Entwurf den die Sowjetunion gemacht hatte nicht funktioniert und der Kapitalismus nicht einfach da eingeführt werden kann Und warum kann der Kapitalismus dort nicht einfach so eingeführt werden? Weil es nicht funktioniert, es ist nicht die Antwort. Es ist so, man kann das sehen, dass die Menschen von dem Konsum der ihnen angeboten wird, geblendet sind. Das ist klar, sie wollen erst mal alle so schön leben wie wir, d. h. in Anführungsstrichen schön, und dann merken sie, entweder wenn sie hier her kommen als Gäste, oder wenn sie auch dann dort sind , mit dem Konsum, mit dem sie ständig überschüttet werden, dass das auf die Dauer nicht funktioniert, weil die Freiheiten, die man ihnen vorgaukelt nicht durch die Realität getragen werden, d. h. sie haben zwar jetzt die Freiheit alles zu kaufen, aber kein Geld. Also da stoppt es dann. Da stoppt der Kreislauf, es funktioniert nicht, es funktioniert nur für eine kleine Oberschicht, die eine sehr un-egalitäre Gesellschaft herstellen, und die einfachen normalen Menschen die das erleben, die merken so kann man nicht leben, das kann nicht die Zukunft sein. Die Prinzipien des Kapitalismus, bereichere dich selber auf Kosten anderer, und das möglichst schnell, wie sie jetzt in Rußland propagiert worden sind, werden eben nicht von allen Menschen akzeptiert. Sie haben eine andere Art zu leben. Hat das vielleicht etwas mit ihren Traditionen zu tun? Ja, das hat etwas ganz entschieden damit zu tun, dass ihre Traditionen sehr viel stärker sind als diese 70 Jahre Sowjetismus. Die Traditionen stammen aus der sehr wechselvollen rusischen Geschichte zwischen Asien und Europa, der Vielvölkerkultur, die kein einliniges Denken erlaubt und auch einlinige Wirklichkeiten nicht erlaubt usw, und wo große ethnische Zusammenhänge geblieben sind in einem großen Zusammenhang aber eben kleine ethnische Zusammenhänge in diesem Sinn. Und damit zusammen hängt wiederum ein kollektives Gemeinschaftsdenken, also das sich in dieser russischen Bevölkerung entwickelt hat. Man produziert, man lebt gemeinsam. Das war schon vor dem Sowjetismus in der Dorfgemeinschaft usw. so. Sind das dort Klangruppen? Nein, das sind keine Klangruppen, das sind ganz klassisch gesehen die russischen Dorfgemeinschaften, das sind Produktions-Arbeitsgemeinschaften von mehreren Leuten im Rahmen von einem oder drei bis vier Dörfern, wo man sich unter idieologischen Gesichtspunkten zusammenschliesst um dieses Gebiet gemeinschaftlich zu bewirtschaften. Also in der Landwirtschaft das war ganz klassisch so, dass man die Dörfer hatte mit Ländertausch.und über Jahrzehnte hin hatte eine Familie einen Hof, und alle 15 bis 20 Jahre wurde das Land neu umverteilt, so traditionell, je nachdem wieviele Esser dazu gekommen waren, wurde neu verteilt. Das geschah auf dem Marktplatz, das wurde ausdiskutiert manchmal auch mit Fäusten, das ging nicht immer ganz friedlich vor sich, aber es wurde ausdiskutiert, es war also Ur-Demokratie, und unsere alten Sozialisten, also Marx und Engels usw sind ihrerseits gefragt worden, kann das ein direkter Weg zum Kommunismus sein? Daraufhin haben sie 10 Jahre lang geschwiegen, um dann zu sagen, also wenn in Westeuropa eine proletarische Revolution stattfände, und sie also eine neue stattlich gesellschaftliche Wirklichkeit aufbauen könnte, dann könnte das in Russland vielleicht eine Möglichkeit sein, das Stadium des Kapitalismus in Zusammenhang mit dem Westen zu überwinden/überspringen. So haben sie geantwortet, könnte, könnte, könnte, wenn… Also sie gaben eine richtige Sphinx-Antwort. Aber es zeigt natürlich, dass auch die beiden begriffen haben, das diese Gemeinschaftstradition ihre besondere Qualität hat, also diese Russische, vor dem Sowjetismus wohlgemerkt. Das ist ein ganz entscheidender Punkt.. Was halten Sie von den Behauptungen einiger Leute, die sagen, der Kommunismus sei ein von gewissen Leuten initiiertes politisches Experiment auf russischem Gebiet gewesen? Ich verstehe die Frage, ich denke mir, es ist das unmittelbare authentische Interesse, des Kapitals, gewesen und auch heute, überall alles zur Ware zu machen, was man zu Ware machen kann. Da muß kein Oberlenker stehen, das ist ein anarchischer Prozeß, der findet statt. Ein selbst induzierter Prozeß, das ist ja eben das Merkmal des Kapitalismus, dass er eben anarchisch ist in seiner Grundstruktur. Dass Konkurrent gegen Konkurrent steht und Kapitalist gegen Kapitalist, und da wo der eine Kapitalist gewinnt, tritt er eben den Anderen und der tritt dann weiter nach unten,usw. usw. usw., also das ist ein anarchischer Prozeß. Und da..hm.. Andererseits ist es so, dass die Russen manchmal so reden, „mit uns hat man ein Experiment gemacht“…die da, also die haben hier ausprobiert“, usw., aber das ist eher auf einer mythischen Ebene. Wenn man es richtig als Soziologe analysiert, ist es ganz deutlich ein wirtschaftlicher anarchischer Prozeß, so wie Sie das eben gesagt haben. Und wenn man jetzt die heutige Situation anschaut, ist das ja auch wieder sehr interessant, dass sagen wir mal als die Sowjetunion in die Krise kam, so Ende der 1980er, Ende 81, 82, 83, und so ruch- bar wurde, das die Alte, die Autochthonie, die Alten-Herrschaft nicht mehr funktionierte. Als Breschnew dann starb, und dann ein Sekretär den nächsten ablöste, also irgendwie merkte man das geht nicht mehr so weiter, da hat der Westen gelauert, hat drauf gelauert, dass die Krise endlich ausbricht und hat nachgeholfen in Afghanistan, der US-amerikanische Alt-Stratege Zbigniew Brzezinski, Sicherheitsberater des ehemaligen US-Präsidenten Jimmy Carter z. B. spricht von der Afghanistan -Falle in die man die Sowjetunion hineingelockt habe, im Wissen, dass sie sich nach 70 Jahren ihrer Entwicklung in einer kritischen Situation befindet. Und die alten Parteisekretäre waren so verknöchert, dass sie auf diese Provokation hereingefallen sind, und haben sich nach Afghanistan, in diesen Krieg hineinziehen lassen. Und es war klar, dass sie ihn nicht gewinnen können, da hat der Brzezinski damals zu seinem Carter gesagt, „das wird Ihr Vietnam, wir haben was aus Vietnam gelernt“, damals hatten sie noch was gelernt, „… und das wird Ihr Vietnam…“. Und da sollten sie rein, und so wars dann auch, Afghanistan wurde die Falle, an der die Sowjetunion dann auch tatsächlich auseinandergebrochen ist. Das heisst, natürlich macht man in dem Rahmen Politik, trotzdem ist selbst diese Politik noch ein anarchischer Prozess, da ist kein großer Strippenzieher über der Politik, würde ich sagen letztenendes. Wie verhält sich das nochmal mit den Gruppierungen im Land? Sie sagten, dass die Leute sich historisch innerhalb von Dorfgemeinschaften organisierten. Schaun Sie, die Frage ist nicht so einfach zu beantworten, weil, da gibt es natürlich Sprünge. In der Vor-Sowjetischen Geschichte, haben die Zaren im 19 ten Jahrhundert mehrmals versucht diese Gemeinschaftsstrukturen zu zerschlagen, Obscina heisst das, d. h. das Land befand sich im Kollektivbesitz (obscina) der Dorfgemeinde (mir), und auch der Kolchos fußte auf der obscina. Also eben diese Gemeinschaftsstrukturen wurden zu zerschlagen versucht, weil auch Rußland in den Prozess der Industrialisierung kam, am Ende des vor-vorigen Jahrhunderts. Und das war ein sehr rasanter Prozess, und sie meinten, dass diese Gemeinschaftsstrukturen, in denen ein sehr selbstgenügsames Leben geführt wurde, wo nur gearbeitet wurde wenn es nötig war, mehr nicht, dass die der Industriealisierung im Wege stünden, und standen sie auch. Dies geschah noch vor der Planwirtschaft und vor jeder Revolution. Diese Art von dörflicher Subsistenzwirtschaft und Dorfgemeinschaft, die war nicht dazu angetan, die nun gerade herannahende Industriealisierung zu befördern. Und diese Bauern, die damals dort so gelebt haben dachten, was soll uns das denn eigentlich alles. Es war nur ein kleiner Teil der russischen Gesellschaft, der diese Industriealisierung sehr stark gefördert hat. Insofern haben schon die letzten Zaren, also Nikolai um 19 Hundert versucht die Obscina, also diese Gemeinschaftsstrukturen, zu liquidieren , und ihr habt vielleicht mal von dem Stolipin gehört, Minister unter dem letzten Zaren, der hat versucht als Ministerpräsident dann diese ganze traditionelle Gemeinschaftsstruktur der Gesellschaft per Gewalt aufzulösen. Aus diesem Grund spricht man bis heute auch immer noch von dem Stolipin`schen Kragen. Das ist der Strick, an dem Tausende von Bauern gehangen haben, die nicht aus den Gemeinschaftsstrukturen rauswollten, die nicht Privatbauern werden wollten, und die nicht in die Industrie wollten. Der Gedanke war bei Stolipin, also unter dem letzten Zaren, wir lösen diese Gemeinschaften auf, der eine Teil wird Privatbauern, und der Rest geht in die Industrie als Massenarbeiter. Das war der Grundgedanke. Vor der Sowjetischen Revolution, und das war ein Grund für die Revolution, weil die Bauern gemerkt haben, es ging ihnen an den Hals, man würde ihnen ihr Land wegnehmen. Und deshalb konnte Lenin später sagen, jeder Bauer ein Stück Land. Das war eine Parole. Frieden und Land. Das hat etwas damit zu tun was ich eben erzählt habe. Und die Sowjetische Revolution bestand dann unter anderem darin, dass eben den Bauern die Gemeinschaftstrukturen wiederhergestellt wurden. In diesem Fall also unter sowjetischer Führung, also in der Sowjet-Form, und jeder Bauer sein Land bekam, in der Form der Gemeinschafts-produktion, und da drin sein kleines Häuschen. Das war also grob die Situation, und in dieser Form der Staatsgemeinschaft, aber auch der selbstgebildeten Kollektivgemeinschaft, Sovchose und Kolchose, hat sich das dann über 70 Jahre entwickelt. So ungefähr. Es ist sehr schwer dies so einfach zu beantworten Wie hat sich das jetzt bis heute verändert? Das sind die Strukturen, so wie sie entstanden sind. Das sind die Bedingungen, unter denen sich die Sowjetunion während der letzten 70 Jahre entwickeln konnte. Dazu muss man sagen, dass diese gemeinschaftlichen Grundstrukturen auch auf die Industrie übertragen wurden, dann in der Sowjetunion, d.h. auch die Betriebe sind eben als Kollektive organisiert worden, und die ganze Arbeit ist um die Betriebe herum organsisiert worden. Das ganze Leben, es ist ein betriebs-zentriertes soziales Geschehen, wo der Betrieb X erstens die Arbeit kollektiv organisiert, aber zweitens auch das ganze private soziale Leben, alles, die ganze Infrastruktur, Strasse, Kindergärten, bis hin zum Begräbnis usw usw alles um diesen einen Betrieb. Also ländlich zum einen die Kolchose oder Sovchose, oder sei es städtisch, irgendein Industriebetrieb, der also für seine 20 Tausend, dann Wohnungen und Datschen und Pensionen gestellt hat, das ging alles über den Betriebsfond. Hatten die Menschen dort Mit-spracherechte? Die Leute hatten darin Mit-spracherechte. Es gab darin Betriebsräte, die waren natürlich parteiorientiert, d. h., also Mitsprache schon, im Rahmen der bestehenden Verhältnisse eben. Das ist aber eine sehr sehr schwierige Diskussion. OK… Und heute ist das so, das ist alles so gewesen, als die Perestroika begann. Bzw., dann als 1990/91 Jelzin mit seinem Privatisierungsprogramm kam, da hat es folgende Konfrontation gegeben, Jelzin und seine in Harvard ausgebildeten Leute, also Gaidard, erster Ministerpräsident Russlands usw.die haben ein Programm vorgelegt, dass fast 100-prozentig vom IWF (Internationaler Währungs Fond)abgeschrieben worden ist. Einer IWF-Untersuchung die in den Jahren 88/89 über die sowjetische Wirtschaft gemacht worden ist. Und in diesem IWF-Buch bzw. diesem IWF-Schinken hiess es, ungefähr also, die Sowjetunion ist überqualifiziert, sie ist überorganisiert, dass muss alles runtergefahren werden. Man muss mit ungefähr 20% Arbeitslosen rechnen…usw. usw., und dergleichen Dinge mehr. Unglaubliche Dinge haben sie da also von sich gegeben, aber der entscheidende Punkt war, diese kollektive Organisation des Lebens ist eine Fortschrittsbremse. Warum, weil die Menschen sich in diesem Kollektiv auf einem bestimmten Niveau gehalten haben, und mehr wollten sie nicht. Sie hatten was sie brauchten. Und es war nicht um andere Leute reich zu machen. Ja. Warum mehr arbeiten? Man arbeitet in Russland soviel wie man braucht und dann ist Sense. Deswegen gelten die Russen bei uns als faul, sie sind aber gar nicht faul, sie arbeiten nur periodisch da wo es nötig ist. Und das heisst, da gab es also die Konfrontation dass dann Jelzin und Gaidard so argumentiert haben.. sie haben also die Analyse des IWF übernommen, und sie haben dann gesagt, dass wichtigste in der Privatisierung, die wir jetzt vorhaben, ist, dass die Betriebe ent-kollektiviert werden. Ent-kollektiviert hieß in dem Programm, dass sie dann aufgeschrieben haben, dass die Betriebe in private Besitzverhältnisse, also Aktien-verhältnisse usw. überführt werden, und da muss dafür gesorgt sein, dass Anteile von Betriebsangehörigen und Direktor nicht mehr als 49 % erreichen. D. h. das Fremdkapital muss die Mehrheit haben. Das war geplant. Passiert ist etwas ganz anderes, passiert ist, dass einige grosse Betriebe unter kriminellen Umständen für nichts verschleudert worden sind. Das sind die sog. Oligarchen, die entstanden sind, Kolokowski und Beresowski und wie sie alle heissen, diese ganzen Leute und auf der anderen Seite, die weniger lukrativen Betriebe und vor allem kommunale Betriebe sind bei den Kollektiven geblieben. Warum? Weil die keiner haben wollte. Diese Betriebe hat man den Leuten überlassen, die darin arbeiteten, auf das sie sich selbst ernähren und dass sie den Betrieb selbst erhalten, weil sonst wären diese Betriebe kaputt gegangen. Und die haben sich dann zusammen geschlossen und dann hatten sie wieder ihren Betireb. Es ist aber dann auf einem Niveau gelaufen, dass sie zum Teil über Jahre marode Betriebe auf ihre eigenen Kosten halten mussten. Das ist ein irrer Vorgang. Und heute hast du so eine Situation, dass Putin, nachdem das nun 10 Jahre lang so gelaufen ist, einen Kurs eingeschlagen hat, dass er gesagt hat, also das geht so nicht, wir wollen zwar eine starke modernisierte Industrie haben, aber diese Industrie soll in vernünftigen Strukturen laufen, also auch in Strukturen, die dem Staat nützen. Deswegen hat er einen Chodorkowski z. B. verhaftet. Also das ist eindeutig politischer Prozess, also den Ölmagnaten Michail Chodorkowski, hat ihn also in seine Schranken weisen lassen. Darüber über Rechtsstaatlichkeit zu diskutieren halte ich für völlig albern, hier geht es um etwas ganz anderes. Hier geht es darum dass Chodorkowski den Griff auf die gesamten Ölressourcen Russlands hatte, und drauf und dran war an US-amerikanische Konzerne zu verkaufen, und das hätte bedeutet, dass Russlands Grundressourcen in den Händen der Amerikaner wären. Und da gab es nur eins, ihn stoppen, also aus der Staatraison heraus. Ob das nun moralisch richtig ist, das ist eine ganz andere Frage, darüber rede ich im Moment nicht. So einer, und auch Beresowski, und wie sie alle heissen wurden also gestoppt, und sie haben sich im Prinzip auf diesem Niveau eingeordnet. Auf der anderen Seite ist es so, dass viele kleine Betriebe in den Händen ihrer Arbeiter/Produzenten sind. …Es ist ein sehr gemischter Prozess, wenn sie zusammen mit dem Direktor 51 oder 52 % haben. Also die Direktoren sind auch nicht immer die Feinsten. Dann sind zwar alle die, die im Betrieb mitarbeiten in Besitz der Mehrheit der Aktien, aber häufig hast du Arschlöcher…der Direktor hat dann das Sagen und die anderen haben noch ein paar Anteile… Welche Strategien wenden dort die Leute an? Können sie ihre eigene Postition von außen betrachten? Ja, es gibt also auch in diesem Bereich diese Strukturen wo also der Direktor privatisiert hat, wo er also 51% als Direktor hält und der Rest ist auf die Belegschaft aufgeteilt. Und da gibt es sehr unterschiedliche Situationen. Ich kenne da ein Beispiel, in NovoSibirsk , da ist eine ehemalige Sovchose, es sind also neun Dörfer, da hat der Direktor 51% , jetzt durch die Privatisierung, die er hält, wie er dazu gekommen ist, weiß keiner so recht aber so ist es halt jetzt eben, und die restlichen 49 % sind auf die Belegschaft verteilt, die nennen sich geschlossene Aktiengesellschaft, da geht kein Fremdkapital rein, nur eigenes. Und das ist eine Konstruktion, die ist von der Form her eindeutig, autoritär ist nicht richtig, aber Autoritäts bezogen. Also auf diesen Patriarchen bezogen. Guter Direktor=Guter Betrieb. Wenn der Direktor aber ein Arschloch ist, oder sein Sohn z. B. dann vielleicht in die Rolle käme, dann wäre dieselbe Konstruktion schlecht. Da er aber ein guter Direktor ist, bedeutet dass, diese Konstruktion, dass er zu mir sagt, ich bin nämlich dagewesen, ich habe ihn gefragt usw., dass er also zu mir sagt, ich werde doch nicht etwas tun das mir selber oder meinem Betrieb schadet, so etwas mache ich nicht. Ich tue alles Beste für meinen Betrieb und für meine Leute und so leben wir zusammen. Also die leben bestens und alle sind total zufrieden, und sie haben Mitbestimmungsrechte, da gibt es einen Sowjet, also einen Betriebsrat, und den Anteilseigner, die gemeinsam entscheiden. Er trifft keine Entscheidung alleine, er berät das alles mit den anderen, aber es läuft über den Weg der Aktienbeteiligung. Aber die anderen, die da woanders arbeiten, die haben diese Struktur vor Augen und sagen, solange das so läuft, sind sie zufrieden. So läuft das, es gibt da keine Mitbeteiligungs-modelle im Sinne von Demokratie oder sowas, das ist da alles nicht so, das läuft da ganz anders. Das ist ein positives Modell sozusagen, da gibt es aber noch andere Modelle die sind noch gewissermassen positiver. Wo also der Direktor keine 51% hat sondern wo man gemeinsam gleiche Anteile hat, auch geschlossene Aktiengesellschaften. Solange geschlossene Aktiengesellschaften bestehen, hat man eine Chance, den Einfluss des Kapitals von aussen rauszuhalten, solange hat man die Chance einigermassen selbst zu bestimmen. Es sei denn, der Direktor bestimmt. Es sei den der Direktor bestimmt, aber das ist nur eine Voraussetzung, die Realität ist häufig sehr viel härter, weil dann versucht wird von aussen einzukaufen, Bedingungen zu setzen usw usw es ist ein richtig schwerere Kampf. Gewaltsame Übernahmen, Übernahme-Kämpfe usw usw….Finanz-Gewalt oder auch bürokratische Gewalt. Es kann also auch sein, dass eine Gemeinschaft, die so funktioniert, dann auf bürokratische Probleme stösst , die ihnen von der Umgebung, also von der Provinz-administration in Verbindung mit .., die also in dem Gebiet da tätig sind, Hindernisse in den Weg gelegt werden. Und die sind auch nicht von Pappe, d. h. also es ist eine richtig schwere Auseinandersetzung, die gegenwärtig in Russland geführt wird um die Frage, wohin geht es eigentlich. Und arbeiten Sie selbst in Ihrer Initiative gemeinsam mit politischen Analysten an Prognosen und der entsprechenden Entwicklung von Strategien? Schwierige Frage..es gibt ganz viele Leute, die Russland-Soziologie betreiben, die meisten, die ich im Laufe der 20 Jahre jetzt an mir habe vorbeiziehen lassen…müssen, sind solche Leute, die diesen Privatisierungskurs nachhaltig und ohne Einschränkung unterstützt haben, und das alles toll fanden. Und die der Meinung sind, das diese alten Strukturen, diese alten Selbstorganisation- bzw. Selbstversorgungsstrukturen, also überhaupt diese Gemeinschaftstrukturen, alle beseitigt gehören, also genau in dem Sinne von Gaidard argumentiert haben. Seit Gaidard aufgetreten ist eine ganze Phalanx von deutschen, europäischen Soziologen, die also nur diesen ganzen Mist immer geschrieben haben. Waren sie vielleicht zu stark von den Institutionen beinflusst? Nö, das ist einfach eine Kopffrage, das ist die Denke hierzulande. Hierzulande besteht die Überzeugung, dass wir das beste aller Systeme haben. Es gibt aber auch andere Stimmen, wie z. B. Pierre Bourdieu. Ja sicher, die gibt es. Gibt es aus ihrer Sicht auf die spezielle Situation in die Mongolei Parallelen zu anderen Global-Villages auf der Welt? Das was jetzt in der Mongolei passiert, das ist zuvor in Südamerika passiert. Das Kapital geht jetzt in der Mongolei genauso vor, wie vorher in Südamerika oder in Afrika. Es ist interessant zu sehen, es sind immer dieselben Strukturen und Vorgänge, aber das ist nicht einer der am Draht zieht, es ist ein authentischer Prozess der Verwahrung der Welt, der Ranschaffung von Ressourcen und dann die Fertigwaren zurücktransportieren. In etwa so wie es Weber`s Theorie beschreibt? Der Mensch in seinem systemischen Eingebunden-Sein in Sachzwänge, ohne die grosse Möglichkeit einer individuellen Einflussnahme? Ja, der einzelne Mensch glaubt Entscheidungen treffen zu können, und befindet sich aber in einem ganzen Konzert von Entscheidungen, die sich hinter seinem Rücken, so hat es auch Marx formuliert, die sich hinter seinem Rücken verwirklichen. Bewegen Sie sich nicht in einer Art der priviligierten Schlüsselposition, an einer Schnittstelle, die es Ihnen erlaubt mit gewissen theoretischen Ansätzen auch praktisch zu operieren…? Das ist richtig, denkerisch bin ich an dieser Stelle, praktisch habe ich keinen Einfluss, das muss man auch ganz klar sehen, d. h. wir mit unserer kleinen Initiative hier, wir sind ein Pfiff im Wind. Es ist so, und es gibt viele solcher Initiativen, die so im Wind stehen, und versuchen irgendwas zu tun, und da kann man nochmal eine andere Ebene einschlagen. Und sagen aha, ja ok, daraus ergibt sich vielleicht etwas. Aber der entscheidende Punkt an dieser Stelle ist aus meiner Sicht, nachdem ich mich lange mit diesen Fragen herumgeschlagen habe, eindeutig das Denken, das richtige Denken an dieser Stelle. Das heisst, indem ich also diese Fragen, die Sie mir jetzt stellen durchdringe, und wir dies hier gemeinsam machen, das ist das Entscheidende, was als Impuls in die jetzige Situation eingehen muss. Weil gegenüber der Macht des Kapitals und vor allem des militärisch gestützten Kapitals, noch dazu, also US-Situation, sind wir konkret erstmal machtlos. Die einzige Chance die wir haben ist an Bewusstsein zu arbeiten, und für den Tag, wann immer der sein mag, an dem sich eine Chance bietet, hier, dort oder auch insgesamt, wirklich parat zu sein, d. h. daran arbeiten wir eigentlich. Das ist meine Arbeitsauffassung. Also in dieser vorausschauenden Art Situationen für Menschen zu ermöglichen sich ihre Authentizität zu erhalten und zu bewahren und dann zu handeln, in der richtigen Situation. Also auch Ideelle und praktische Räume erschaffen? Wie bewerten Sie darin den Faktor der Dynamik. Also wenn wir davon ausgehen, dass es sich hier um enorm rasche Prozesse handelt, in denen Energie sich materialisiert und wieder zerfällt? Wie würden Sie sich, physikalisch gesehen darin wahrnehmen? Ja, das ist ein permanenter Prozess in dem wir drin stehen, physikalisch gesehen sind wir das kleine Flämmchen, dass dazu führt, dass die Luft ein bisschen heisser wird. Oder, wir sind das Salz in der Suppe, oder weiss der Geier. Wie immer, der Impuls kommt aus der Minderheit. Das ist ganz eindeutig, die Mehrheit, der grosse Fluss ist heute eine privatisierende, und profitisierende Kapitalisierung, Globalisierung. Das ist der Gesamtfluss, der heute stattfindet, wir sind noch mittendrin, es hat erst angefangen. Sehen Sie sich selber darin als neutral? Ihr Dazwischen-Sein? Sie sind doch eigentlich hier der Transformator/Katalysator, der beide Seiten verstehen und einschätzen kann, oder? Ja natürlich, das bin ich, ich bin als solcher tätig, und nicht nur das, ich kann das noch mal konkret machen. Ich habe eine lange linke Geschichte. Bis 1982-83 war ich Redakteur auch in einer linken Zeitung hier bei uns aktiv, und auch in der AKW-Bewegung, und weiss der Geier alles was da gelaufen ist bei uns. Und dann bin ich von da aus in die Sowjetunion rüber, seit 20 Jahren bin ich da also untersuchend tätig und habe erstmal dieses Deutschland hinter mir gelassen. Hab mich hier gar nicht mehr eingemischt, hab meine Bücher gemacht, hab recherchiert, also ich hatte sehr viel zu tun ich konnte mich hier nicht gleichzeitig einmischen. So, jetzt komme ich aber durch die ganzen Geschichten die wir hier jetzt besprechen nach 20 Jahren an den Punkt an, dass ich sage, Donnerwetter, das ist ein Prozess, und was sich da sehe, das gilt auch hier, und ich komme mit der Einsicht in diesen Transformationsprozess, komme ich nun nach 20 Jahren zurück und mische mich jetzt auch hier wieder ein. Aber anders wahrscheinlich? Aber anders, logischerweise, das erste was ich in Russland in der Sowjetunion lernen musste war, es gibt kein links und kein rechts, es gibt nur ein mittendrin. 2 Teil Thema Finanzgewalt Buchempfehlung: Grundeinkommen als Sprungbrett in eine integrierte Gesellschaft, von Kai Ehlers im Pforte Verlag erschienen. Wenn man die Strukturen auf der einen Seite kennenlernt und die Strukturen in der eigenen Gesellschaft gut kennt, wird es dann möglich dadurch eine sinnvolle kommunikatie Situation für beide Seiten zu gestalten? Ich sehe in der Sowjetunion gewisse Gemeinschaftstrukturen, da sehe ich dieses Element der Selbstversorgung als grundlegendes Element, nicht als ausweglos, sondern da ist viel dran, worüber man nachdenken kann, und das in die Zukunft weist, das auch über den jetzigen Zusammenbruch hinausgeht. Und umgekehrt, bei uns ist es so, dass ich mich natürlich frage, also wie ist das eigentlich mit dem Kapitalismus, hat unsere Gesellschaft tatsächlich die Prinzipien der Französischen Revolution verwirklicht, also Freiheit, Gleicheit, Solidarität, oder nicht, oder werden diese Prinzipien heute vielleicht ins Gegenteil verkehrt? Wenn man z B. die Freiheit im Irak auf den Bajonetten und auf den Panzern dahin bringen möchte, dann ist das ja nicht mehr dasselbe, wie die sogenannten Europäischen Werte, die werden da ja praktisch ins Gegenteil verkehrt, da muss man also genau sortieren. Und indem ich die beiden Seiten nun sehe, und sehe auch wie sie interagieren miteinander, wie also unsere Leute jetzt auftreten, und meinen sie haben die Wahrheit gepachtet und müssten das alles nach dahin transportieren und die anderen wehren sich dagegen und sagen nein, so nicht. Also in diesem ganzen Prozess bin ich ja aufgefordert eine Position aufgrund meiner Erfahrungen und Erkenntnisse, die ich jetzt gewonnen habe, zu beziehen, und das tue ich. Wo lokalisieren Sie Ihre eigene Positionierung hinsichtlich Ihres strategischen Vorgehens? Sehen Sie sich als Europäer oder Deutscher? Einerseits ist mir das ziemlich egal, andererseits muss man ja einen Ort angeben wo man sich befindet, und das mache ich immer. Wenn ich Bücher schreibe, wenn ich Veranstaltungen mache, dann sage ich immer, ich argumentiere von diesem Ort aus: d. h. ich bin als Deutscher unterwegs in Russland, und ich bin auch als Europäer, als Deutscher, der sich in der EU befindet unterwegs. Und das gibt dann ja nochmal eine andere Ebene. Genau. Und nun nochmal ganz konkret zu dieser Frage, bis zum Kosovo-Einsatz hin bin ich von meinen russischen Freunden immer gelobt worden, da haben sie gesagt “Du bist aber ein Deutscher“, und „du transportierst hier das neue Deutschland, das ist ja schon beinahe Kommunismus bei euch“, usw. „das ist ja alles Freiheit, Gleichheit , Brüderlichkeit und Solidarität, wie das bei euch so stattfindet“, also diese Illusion von diesem Deutschland, und ich wurde als Botschafter dieser Illusion begrüsst, oder auch dieser Werte, und nach dem Kosovo-Einsatz, ganz klar, „Wie konntest du das zulassen?“, haben sie zu mir gesagt, „wie konntest du sowas zulassen, dass die den Amerikanern helfen Jugoslawien zu zerstören?“ Woran glauben Sie liegt es, dass Sie dort als so starker Pol wahrgenommen wurden? Weil ich selbst so aufgetreten bin. Ich bin mit dem Impuls des Nachkriegsdeutschland unterwegs gewesen. Also erst mal politisch hier in unserem eigenen Land, nie mehr Krieg, nie mehr Faschismus, das war meine politische Tätigkeit lange Jahre. Und mit diesem Impuls bin ich auch da rüber gegangen, nie wieder Krieg nie wieder Faschismus, und dieses Bild von Deutschland, also diese deutsche Botschaft. Und auch die deutsche Situation in der sich das ökologische Denken sich am schnellsten und am weitesten entwickelt, auch das alles, das habe ich mitgenommen, und da war ich für sie einfach der Botschafter dieses hoffnungsvollen neuen Deutschland, also in den Gesprächen die ich dort geführt habe. In diesen Gesprächen, indem sie diese Art der Inhalte dort verbalisiert haben? Ja, ich habe das da reingetragen, habe gesagt, was macht ihr hier, aha, ihr Tschuwaschen, z. B eine an der Wolga lebende ethnische Einheit, ihr wollt nationale Wiedergeburt, das ist in Ordnung, und warum ist das in Ordnung, diese Gespräche haben wir da geführt, und wo ist die Grenze, wo bin ich nicht einverstanden, wo wird aus Nationaler Wiedergeburt Nationalismus, hab ich auch ganz klar gesagt, bin ich nicht einverstanden, und ich bin auch nicht einverstanden, dass ihr einen neuen Zaren kriegt, ich finde das also so und so richtig, also wir haben diese Gespräche geführt, so war ich unterwegs, ich war nicht einfach als Soziologe unterwegs, sondern ich bin als Person unterwegs gewesen, so hat sich das ergeben. Was sagen Sie zu den spezifischen sozio-politischen anarchischen Regulationsmustern, gibt es da Parallellen zu z. B. Ethnien im subsaharansichen Raum, die in relativ kleinen akäphalen (Führungslos; ohne Kopf) Verbänden über das Gebiet verteilt leben, die aber im Falle dass Gefahr oder Bedrohung von Aussen droht, dazu fähig sind, sich jederzeit sofort zusammenzuschliessen um einen Widerstand zu bilden und sich konkret zur Wehr zu setzen. Würden Sie sagen, dass Sie nun selbst durch ihre intellektuelle Arbeit und Ihr theoretisches Wissen wenn Sie in der Mongolei in aktuelle Situationen gehen, sich in bestimmten Gruppen eine Weile lang positionieren, und dadurch dass Sie Strategien diskutieren oder zum Thema machen vielleicht kurzfristig so eine Art funktionalen „Kopf“ bilden, und dann wieder gehen? Also das ist wahrscheinlich so, ich liebe das nicht sehr, aber es ist wahrscheinlich so, es ergibt sich eben einfach durch die Tätigkeit. Aber ich kann auch das wieder konkret beantworten, ich habe dieses Buch da gemacht, in der Weise, mit den Gedanken, die wir hier eben besprochen haben, dann hat sich um mich herum, im Prozess während dieses auch Buch entstand eine Gruppe gebildet, das Forum für eine integrierte Gesellschaft. Und in diesem Forum diskutieren wir jetzt ein Symposion, planen wir für Anfang nächsten Jahres, wo wir aus den verschiedensten Gebieten der Gesellschaft ganz unterschiedliche Menschen zusammenrufen wollen, also einmal GemeinschaftsvertreterInnen, aus aktiven Gemeinschaften, die einen neuen Lebensentwurf versuchen, aber auch konzeptionelle Denker, Frau Abendroth, z. B. als Matriarchatsforscherin, oder diese oder diesen oder jene, also verschiedene Leute, also eine Mischung zwischen Leuten, die praktisch Alternativen leben und auch denken, und solchen die konzeptionell so etwas entwickeln, und wir wollen das miteinander, das ist meine Vorstelleung, wir wollen das miteinander versuchen, ob wir was zustande kriegen und zwar aus den verschiedensten Lagern, bis hin, also das Thema lautet: Gemeinschaften zwischen Grundeinkommen und Regionalpolitik. An der Stelle nochmal zum Punkt der Dynamik. Frage: Das sind ja Prozesse der Theorie und Praxis darin wird ständig vor und zurück agiert. Nehmen wir nun einmal die Jurte als einen mobilen Lebensort, was im Rahmen des Semi-Nomadentums impliziert, dass hier eine andere Situation von Räumlichkeit gegeben ist. Die Nomaden wandern, also es gibt für sie keine Grenzen. Und hier bei uns sind wir es gewohnt die Situation der Immobilität, Statik, dadurch aber dann auch sozio-ökonomisches Eingebunden-Sein in die gesellschaftlichen Bedingungen. Wenn Sie also von Transformations-Prozessen sprechen, und Sie erwähnten Ihr Projekt mit den Holzhütten..Wo sehen Sie sich innerhalb dieses Spektrums? Wenn wir also auf der einen Seite den Pol: Jurte, Mobilität, und auf der anderen Seite den Pol: Backsteinhaus, Immobilität, haben. Stehen dann irgendwo als ein Dazwischen die Holzhütten? Ich denke nicht, dass man das so sagen kann. Wie ist Ihre Sicht auf die Mobilität bzw. Sesshaftigkeit in Bezug auf den Raum? Ein Übergang hin zur zentralisierten Organisation der Bevölkerung, so wie in den Städten? Ich sehe es so, dass Nomadentum und Sesshaftigkeit, wie Ying und Yang nur zwei Pole sind , bzw. zwei Seiten sind, und so wie in Ying ein Pünktchen Yang ist, so verhält es sich auch umgekehrt, es sind keine polaren Gegensätze, die sich gegenseitig ausschliessen, sondern es sind Übergänge. Und da hat man, wenn man jetzt in die sesshafte Kultur hineinsieht, auch viele nomadische Elemente. Es lohnt sich darüber nachzudenken, was in der sesshaften Kultur alles nomadisch ist. Im Russischen ist es konkret so, dass diese Holzhütten eigentlich fast etwas nomadisches hatten, also es wurde heute hier urbar gemacht, also Brandrodung und morgen, bzw. nach der ersten oder zweiten Generation, zog man dann schon weiter. Aber das ist schon erweitertes Nomadentum bzw. eingegrenztes Nomadentum, je nachdem wie man es sieht. Es ist eine Form der Zwischen-Städte? Aber die Holzhäuser selbst, sind natürlich für den Zeitraum für den sie gebaut werden stationär. Da muss man auch nicht darüber hinwegsehen. Und umgekehrt ist es so, als ich in der Mongolei war, ich war ja bisher viermal dort, und habe auch mit den Leuten gelebt, auch in der Stadt, nicht nur auf dem Land. Es gibt glaube ich keine Kultur, die so streng geregelt ist, wie die Nomadische Kultur. Was heisst hier Mobilität, nix da… Ja, ich hatte das auch auf den grösseren Zusammenhang bezogen. Genau. Konkret ist eine Jurte genauestens festgelegt. Frauenseite, Männerseite, das, das, dies, das gehört dahin, wann sie wo zu stehen hat, wo sie offen zu sein hat usw. usw. bis hin in die sozialen Strukturen. Also eine Ritualistik, die so scharf ist, dass ich so nicht leben möchte, ganz klar, dass sage ich meinen Freunden auch. Auf der anderen Seite ist es im grossen Zusammenhang so, sie ziehen den Herden hinterher, und die Mobilität ist ganz anderer Art, als diese etwas unbedarften West-Europäer sich dies hier häufig vorstellen. Richtig, denn sie sind ja oft auch von den Tieren abhängig. Ja. Das ist gar keine Mobilität, das ist Abhängigkeit. Die Mobilität liegt auf einer ganz anderen Ebene. Und ist es nicht unheimlich spannend, das zusammnzufügen, dazwischen zu stehen, und sowohl die eine, als auch die andere Dimension gleichzeitg mitzuerleben? In der Tat ist das sehr spannend. Man entdeckt in sich selber diese Elemente, also das sesshafte in mir und das nomadische in mir, und wie das miteinander wechselwirkt, und dann ist man in Bewegung. Schlagwörter: Modernisierung, Mongolei, Tradition, Transformation Weder Kommentare noch Trackbacks sind für diesen Artikel freigeschaltet. Diesen Artikel im Backend bearbeiten…. Kommentare sind für diesen Artikel deaktiviert. Suche: Aktuelle Bücher: Russland – Herzschlag einer Weltmacht Russland Rolle im globalen Kulturwandel. Grundeinkommen für alle – Sprungbrett in eine integrierte Gesellschaft Alternativen in der gegenwärtigen Kulturkrise Asiens Sprung in die Gegenwart Die Entwicklung eines Kulturraums \\\“Inneres Asien\\\“. 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