Neuerdings werden Stimmen laut, die Friedensbewegung vergesse Saddam Hussein zu kritisieren. Überhaupt sei ihr die irakische Bevölkerung offenbar gleichgültig, sonst müsse sie sich für eine gewaltsame Beseitigung des Diktators Hussein einsetzen.

Der Politologe Iring Fetscher schrieb dieser Tage einen Artikel in der „Frankfurter Rundschau“ unter der Überschrift „Nie wieder Appeasement“. Darin vergleicht er die Politik der Alliierten gegenüber Hitler mit der Politik gegenüber Saddam Hussein und folgert, solch einen Fehler dürfe die Weltgemeinschaft nie wieder machen. Weniger ausgebildete Personen, zum Beispiel Stimmen auf meiner Website, werfen Saddam Hussein, Hitler, Stalin, Kim Jong Il gleich ganz in einen Topf, um das Eingreifen der USA im IRAK zu begründen.

Dem ist zunächst zu antworten: Selbstverständlich sind Diktatoren Diktatoren – und müssen entmachtet werden. Da gibt es keine zwei Meinungen unter Menschen, die nicht gerade zu den Nutznießern der Diktaturen gehören.

Das ist die eine, alles umfassende Ebene. Auf der sind alle Katzen grau. Aber schon bei dieser Betrachtung ergeben sich ernste Zweifel an der Richtigkeit der US-Linie:

Erstens wenden die USA das Prinzip, dass Diktatoren mit Gewalt durch demokratische Verhältnisse ersetzt werden müssen, keineswegs durchgehend an, sondern nur dort, wo es ihren Interessen dient. Die Aufzählung dieser Fälle wäre lang. Ich spare sie mir an dieser Stelle.

Zweitens ist sehr zu bezweifeln, ob die gewaltsame Beseitigung Saddam Husseins von außen zu einer Demokratisierung führt. Eher wahrscheinlich ist ein autoritäres Protektorat unter US-Herrschaft, das die widerstrebenden Interessengruppen des irakischen Raums nach dem Sturz der gewaltsamen Klammer Husseins mit militärischer Gewalt zusammen zu halten versucht.

Drittens müsste, wenn man sich für eine allgemeine Demokratisierung und Gleichberechtigung der Völker und Menschen einsetzt, ja wohl auch das Herrschaftsmonopol der USA in Frage stellen; mindestens ihr tödliches Waffenarsenal unter UN-Kontrolle gestellt oder gar vernichtet werden (Chemiewaffen, Atomwaffen, E-Bomben usw.)

Darüber hinaus sind bekanntlich nur nachts alle Katzen grau. Bei Licht besehen gibt es doch gewaltige Unterschiede zwischen den Diktatoren. Hitler war ein imperialer Aggressor mit Anspruch auf Weltherrschaft, er hatte die Macht, die Welt zu bedrohen. Hussein ist an Hitler gemessen ein kolonialer Zwerg. Die angebliche Bedrohung der USA durch Hussein ist ein glattes Märchen. Weiter als 150 Kilometer reichen Saddams Raketen nicht, schlimmsten Falles zehn oder zwanzig Kilometer darüber hinaus. Um den Schutz der Nachbarn des IRAK geht es ohnehin nicht: Um die im Gleichgewicht der gegenseitigen Bedrohung zu halten, vor allem den Einfluss des Iran einzudämmen, hat die USA Saddam Hussein ja erst zum bezahlten Wachhund der Golfregion gemacht.

Die beiden einzigen Möglichkeiten, wie der IRAK die USA oder auch Europa bedrohen könnte, wäre die Verknappung oder Nicht-Lieferung von Öl und die Unterstützung des internationalen Terrorismus.

Dazu ist zu sagen: Öl können sich die Industriestaaten notfalls auch aus anderen Quellen besorgen. Im übrigen wäre die richtige Politik die Förderung alternativer Energiequellen – nicht ein Krieg ums ÖL, der möglicherweise die begehrten Ressourcen auch noch zerstört.

Was den Terrorismus betrifft, so ist unbestreitbar, dass in ihm eine ernste Bedrohung der hoch verwundbaren industriellen Gesellschaften liegt. Eine Zerschlagung der gegenwärtigen irakischen Ordnung, die damit einhergehende Destabilisierung des arabischen Raums und die Auswirkungen auf den gesamten islamisch in Raum in Afrika, Arabien und Asien wird jedoch die terroristischen Energien eher steigern als abbauen. Sie wird Teile der jetzigen irakischen Elite in den Untergrund treiben, sie wird den Zorn derer steigern, die sich von amerikanischer; generell westlicher Vorherrschaft lösen wollen und sich stattdessen mit einer noch stärkeren Präsenz dieser Herrschaft konfrontiert sehen.

Kurz gesagt, die Vergleiche Saddam Husseins mit Hitler, so moralisch und scheinbar einleuchtend sie auch daherkommen, weil sie ja beide Diktatoren sind, stellen die tatsächlichen Vorgänge auf den Kopf.

Noch abstruser sind Vergleiche mit der UdSSR, die immerhin bei aller imperialen Politik, der Hauptgegner Hitlers im 2. Weltkrieg war. Am ehesten kann man Vergleiche zu Korea ziehen, aber selbst für Kim Jong Il gelten andere Bedingungen als für Saddam Hussein. Er kann immerhin mit dem Einsatz von Atombomben drohen. Nein, es geht im IRAK-Konflikt nicht um eine drohende Eroberung der USA durch den IRAK, sondern des IRAK durch die USA.

Die militärische Invasion macht die Entwicklung demokratischer Verhältnisse im IRAK nicht leichter, sondern erschwert sie, wenn man unter Demokratie und Menschenrechten nicht ein amerikanisches Protektorat, sondern die Entwicklung wirtschaftlicher und politischer Unabhängigkeit der irakischen Bevölkerung von kolonialer und imperialer Bevormundung versteht.

© kai ehlers

www.kai-ehlers.de

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