Konkrete Beschlüsse über eine kaukasische Krisen-Versammlung, über russische Truppenabzüge aus Tschetschenien, Rücknahme von NATO-Posten in Aserbeidschan, Georgien oder der Ukraine, gar über die Einrichtung einer UN-Schutz- oder Entwicklungszone in Tschetschenien wird man vergeblich auf dem Kommuniqué der deutsch-russischen Verhandlungen suchen.
Und doch ist die Schleswig-Holsteinischen Ministerpräsidentin Heide Simonis zu verstehen, die sich überrascht von Putins Offenheit zeigte. Putins demonstrativ erklärte Bereitschaft, die „Berliner Vorschläge für ein deutsch-russisches Dialogprojekt zur Stabilisierung des Kaukasus“ als Grundlage für eine gemeinsame Kaukasus-Politik zu übernehmen, insbesondere dass tschetschenische Problem sowie die Entwicklung in der Ukraine gemeinsam angehen zu wollen, ist ein Signal, das aufhorchen lässt.
Aufhorchen werden vor allem die USA, von denen die Krisenherde im Kaukasus in letzter Zeit – um es vorsichtig auszudrücken – zunehmend benutzt werden, eine anti-putinsche Linie durchzusetzen, deren Ziel offensichtlich ist, Russland auf einen Lieferanten von Öl, Gas und anderen Ressourcen zu reduzieren und dies möglichst zu Preisen, die sie diktieren,. Der zunehmend außer russischer Kontrolle geratende Krieg in Tschetschenien, die „Revolution“ in Georgien, danach in der Ukraine, die unüberhörbaren Drohungen, dass auch in Weißrussland keine Diktatur geduldet werden dürfe, schließlich der Versuch, der USA, die Yukos-Affäre zu einer Angelegenheit amerikanischer Gerichtsbarkeit zu erklären, alle diese Vorgänge haben die russische Führung offenbar davon überzeugt, dass sie sich Bündnispartner in Europa muss. Wer liegt da näher als Deutschland? Deutschland hängt zu 40% von russischen Gas-Lieferungen ab; die Versorgungslinien führen von Azerbeidschan durch Tschetschenien und durch die Ukraine. Deutschland will privilegierte Pipelines nach Norden in die Ostsee zusammen mit Russland bauen. Die deutsche Wirtschaft verspricht sich von Russland den expandierenden Markt, der ihr zuhause wegschrumpft. Diese Aufzählung lässt sich fortsetzen. Vor diesem Hintergrund kommt Putins Offenheit überraschend, ist aber nur folgerichtig, wenn er der weiteren US-Umklammerung entkommen möchte. Man darf gespannt sein, welche Antwort dazu aus Washington kommt. Dass eine kommt, und zwar kräftig, dürfte sicher sein.
Kai Ehlers