Überraschend, ohne vorhergehende Kritik an dem amtierenden Ministerpräsidenten Michail Fradkow, trat in der letzten Woche Russlands Regierung zurück. Russlands Präsident Putin ernannte umgehend Viktor Subkow zum neuen Ministerpräsidenten; die Duma stimmte der Ernennung innerhalb von zwei Tagen mit großer Mehrheit zu. Subkow selbst kündigte an, er werde sich hauptsächlich dem Kampf gegen Korruption wie der „Stärkung der sozialen Sphäre“ widmen. Einige Minister des früheren Kabinetts unter ihnen der Wirtschaftsliberale German Gref müssen mit Ablösungen rechnen.

Soweit so klar – und so unspektakulär könnte man sagen; jedenfalls entbehrte dieser Vorgang offenbar des Stoffes für die in letzter Zeit üblichen wilden Kritiken an Wladimir Putin, innerhalb wie auch außerhalb des Landes. Lediglich die Kommunistische Partei beklagte eine mangelnde demokratische Kultur, die sich darin zeige, dass die Duma dem Wechsel in der Regierungsspitze ohne jegliche politische Debatte zugestimmt habe.
Im Gegenteil, russische wie auch nicht-russische Kommentare sind sich darin einig, dass Wladimir Putin ein optimaler Schachzug gelungen sei, um den im Herbst 2007 und Frühjahr 2008 bevorstehenden Machtübergang ruhig zu gestalten. Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ mag sogar nicht ausschließen, dass der Westen Putin für sein erfolgreiches Management der Nachfolge nach dem Motto, Stabilität habe Vorrang, am Ende sogar loben werde.

Diese Sicht, die auch dem allgemeinen Tenor der russischen Kommentare entspricht, stützt sich vor allem anderen auf die bisherige Tätigkeit des neuen Regierungschefs als Leiter der Finanzaufsichtsbehörde, deren wesentliche Aufgabe in den letzten Jahren darin bestand, die russischen Finanzflüsse wieder unter Kontrolle des Staates zu bringen, indem Kapitalflucht und Geldwäsche gestoppt und die Zahlung von Steuern erzwungen wurde. Man erinnere sich an Michail Chodorkowski. Subkow, wird vermutet, verfüge aus seiner Tätigkeit über genügend Wissen, um mögliche Störenfriede während und nach den Wahlen ruhig zu halten.
Auch diese Sicht entbehrt nicht einer gewissen Realität, denn aus den zurückliegenden Wahlkämpfen zu Duma- wie zu Präsidentenwahlen, aber auch aus Regionalwahlen ist bekannt, welche Rolle sog. „Kompromate“ für das Ausschalten von Konkurrenten, missliebigen Kandidaten oder auch ganzen Organisationen in Russland bisher gespielt haben. Daran waren sowohl Regierung wie auch die Kandidaten selbst beteiligt. Mit Subkow an der Spitze verfügt die Regierung nun über das Monopol an „Komprimaten.“

Das könnte einer Stabilisierung oben durchaus dienlich sein. Über diese offensichtlichen Tatsachen hinaus weiß jedoch niemand etwas Genaues; und so wird umso freier über den „Putin Plan der Machtübergabe“ spekuliert: Die einen glauben, Putin habe auf diese Weise den bisher als „Kronprinzen“ gehandelten, erst kürzlich beide zu stellvertretenden Ministerpräsidenten ernannten, Sergej Iwanow und Sergej Medwedew einen „Dämpfer verpasst“, insofern sie nun durch das Hinzutreten von Subkow als möglicher weiterer Kandidat in die Reihe zurückgedrängt worden seien. Andere sehen vor allem Sergei Iwanow gestärkt. Das werde unter anderem daraus klar, dass Subkow als einen der Programmpunkte, für die er einstehen werde, auch die Stärkung der Rüstungsindustrie genannt habe, mehr noch aber durch die Politik der Stärke, die Putin in letzter Zeit bis hin zur Detonation einer „Vacuumbombe“ kurz vor dem Regierungswechsel demonstriert habe.

Dritte frischen die in letzter Zeit etwas farblos gewordene Spekulation wieder auf, dass Putin eine weitere Amtszeit anstrebe, nur jetzt nicht mehr direkt durch eine Verfassungsänderung vor den Wahlen, sondern durch die Inthronisierung eines Übergangskandidaten. Als ‚Präsident im Rentenalter’ könne der jetzt 66jährige Subkow in angemessener Zeit nach der Wahl abdanken und den Platz für ein Come-back Putins frei machen. Die russische Verfassung, die nur zwei Amtzeiten hintereinander erlaube, werde dann nicht mehr verletzt. Iwanow, Medwjedew und mögliche weitere Kandidaten werden in diese Sicht gleich mit eingeschlossen.

Eine Variante ist so gut möglich wie die anderen; entscheidend ist aber wohl nicht, ob ein Übergang von Putin zu Putin oder doch zu einem anderen Namen geschafft wird, sondern ob es Russland gelingt aus der Phase der putinschen Restauration in eine Entwicklung überzugehen, in der Russlands neu gewonnene Stärke sich in einer den Menschen zugewandten Sozialpolitik fortsetzt. Für diesen Schritt ist eine ruhige, zumindest formaldemokratisch korrekte Ablösung Putins bei den anstehenden Wahlen die unausweichliche Bedingung, unabhängig davon, ob, wo und wie er selbst in der Politik bleibt oder nicht.

Kai Ehlers
www.kai-ehlers.de

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