Wieder einmal will man uns einnebeln: Dem Demokratisierungsprozess in der Ukraine stehe nur noch Russlands Unterstützung für die nicht anerkannten Republiken Donezk und Lugansk entgegen. Eine Befriedung Syriens und damit ein Ende des Terrors wie auch der Flüchtlingsbewegungen würden nur durch Russlands Festhalten an Präsident Baschar el-Assad verhindert.

Tatsache ist: Der Ukrainische Präsident Poroschenko war jüngst erst dann bereit, ein Antidiskriminierungsgesetz ins Parlament einzubringen und nicht aus dem Lager des herrschenden Oligarchenclans stammende Personen als Mitglieder in die Anti-Korruptions-Kommission aufzunehmen, nachdem ihm der EU-Kommissionspräsident Juncker ultimativ erklärt hatte, die Ukraine werde die anstehenden Kredit-Tranchen nicht erhalten, wenn Poroschenko sich nicht endlich zu sichtbaren Zugeständnissen bequeme.
Inzwischen wurde gezahlt und Poroschenko kann erklären, nach den drei Wahlen – denen des Präsidenten im Mai 2014, denen des Parlamentes im Oktober des gleichen Jahres, den soeben im Oktober 2015 erfolgten Kommunalwahlen und nach der Einrichtung einer Verfassungskommission, die die Dezentralisierung des Landes in die Wege leiten werde, sei die Ukraine nun endgültig auf dem Wege zur Demokratie.

Richtig ist, dass die Wahlergebnisse der Jahre 2014/15 eine steil abfallende Linie der Akzeptanz für die nach dem Umbruch im Februar 2014 angetretene nationalistische Regierung erkennen lassen. Sie sind begleitet von einem zunehmenden Zerwürfnis der regierenden nationalistischen Koalition. Ministerpräsident Jazenjuk wagte mit seiner abgewirtschafteten Partei nicht einmal mehr zu den Kommunalwahlen im Oktober anzutreten; der Osten der Kiewer Ukraine outete sich mit starken Stimmanteilen für den „Oppositionsblock“ deutlich gegen Staatspräsident Poroschenko; die Bevölkerung von Donezk und Lugansk war überhaupt nicht beteiligt an den Wahlen, weder an dieser noch an denen zuvor. Dort bereitet man eigene Wahlen vor. Die einberufene Verfassungskommission, das Kernstück der projektierten Reform, die die zukünftigen Beziehungen zwischen Zentrum und Regionen regeln soll, entschied mit Blick auf eine mögliche Teilnahme dieser Gebiete an den Beratungen, dass mit „Verbrechern“ nicht zu verhandeln sei.

Kurz, die Frage des Status der Separatistengebiete ist nicht entschieden und damit kann der Konflikt bis zum Krieg jederzeit wieder aufgekocht werden. Deshalb, so die deutsche Bundesregierung mit unbezwinglicher Logik, könnten die Sanktionen gegen Russland auch nicht aufgehoben werden, solange Russland die Separatisten unterstütze. Und deshalb, ebenso konsequent, lud Poroschenko soeben wieder NATO-Truppen ins Land ein. Es kann dieser Konflikt also jederzeit, wenn nötig auch zusammen mit anderen vergleichbaren „eingefrorenen Konflikten“ wieder angeheizt werden.

 

Mehrfache Schleier über Syrien

Über Syrien wird der Nebel in gleicher Weise verbreitet. Angeblich steht nur der „Schlächter“ Bashar al-Assad, gestützt durch Russland und den Iran einer Befriedung und Demokratisierung des Landes im Wege. In zweiter Linie wird das Land noch als Schlachtfeld religiöser Fanatiker beschrieben, denen mit westlichen Werten nicht beizukommen sei, angefangen bei den großen Gegnern der Schiiten und Sunniten über die diversen terroristischen Gruppen von Al Kaida bis hin zum „(Anti)-Islamischen Staat“. Angesichts dieser Lage sehe die Bevölkerung nur noch den Ausweg der Flucht in den aufgeklärten Westen. Das alles zusammen habe den Einsatz für einen „Regime change“ unvermeidlich gemacht und mache ihn auch jetzt noch unumgänglich.

Die Realität stellt sich anders dar. Ein nicht beiseite zu schiebendes Zeugnis zur Lage des Landes vor den ersten Aufständen in Deraa im März 2011 hinterließ Peter Scholl-Latour in seinem letzten Buch, das nach seinem Tode soeben erschien: Er schreibt im Vergleich zum umgebenden Chaos der sogenannten Arabellion und ihren desaströsen Folgen: „In Syrien lagen die Dinge ganz anders. Die USA – im Verbund mit Saudi-Arabien und Israel – hatten nicht die ersten Protestdemonstrationen von Deraa gegen die Diktatur Bashar al-Assads und seiner alawitisch dominierten Baath-Partei abgewartet, um die Grundlagen des Staates zu unterwühlen. Schon lange vorher hatte eine hemmungslose Kampagne, eine systematische Hetze in den amerikanischen und europäischen Medien gegen diese Arabische Republik eingesetzt, die – bei aller Brutalität, die auch sie zu praktizieren pflegt – das einzige säkulare Staatswesen im gesamten arabischen Raum darstellt. Verglichen mit den Vorzugsverbündeten des Westens – seien es nun Saudia-Arabien, Quatar, die Vereinigten Emirate oder Kuwait – , bot die Hauptstadt Damaskus ein Bild religiöser Toleranz und eines fast westlichen Lebensstils, seit Bashar el-Assad das Erbe seines unerbittlichen Vaters Hafez el-Assad angetreten hatte.

Irgendwo, an geheimen Kommandostellen, in diskreten Fabriken der Desinformation, die von angelsächsischen Meinungsmanipulatoren meisterhaft bedient wurden, war die Losung ausgegangen, dass Syrien sich den amerikanischen Vorstellungen einer trügerischen Neuordnung im Nahen und Mittleren Osten zu unterwerfen habe. … Jedenfalls wurde schon lange vor Ausbruch der lokalen Revolten in Deraa und Homs die unermüdliche Forderung nach Vernichtung des Regimes von Damaskus erhoben. Als ich mich im Dezember 2011 in Damaskus aufhielt, war dort von den Kämpfen noch nichts zu spüren …“

 

Dreh- und Angelpunkt Syrien

Was hinter den „meisterhaften Losungen“ „geheimer Kommandostellen“ steht, lässt Scholl-Latour allerdings offen. Auch in den allgemeinen medialen Verlautbarungen hört man wenig davon. Eine Andeutung sei deshalb hier gegeben, die in den Hintergrund führen kann, aber unbedingt weiter zu beleuchten sein wird: Syrien wird heute als Dreh- und Angelpunkt zukünftiger Öl- und vor allem Gasversorgung gehandelt, seit nur wenige Jahre nach der Jahrtausendwende neue vielversprechende Gasvorkommen vor der syrischen Mittelmeerküste, sowie Öl-felder auf den Golanhöhen gefunden wurden. Die Angaben zu den Jahreszahlen der Funde und zu den Größen der Felder schwanken allerdings, was noch einmal deutlich macht, dass hier erheblicher Klärungsbedarf besteht.

Spätestens seit 2009 bemühte sich die Regierung von Quatar mit Assad eine Vereinbarung über den Bau einer Pipeline zustande zu bekommen, über welche die riesigen, bis dahin jedoch schlecht erschlossenen Gas-Vorkommen im Persischen Golf über die arabische Halbinsel nach Norden, über Syrien und die Türkei bis an die von der EU um die Jahrhundertwende als Konkurrenzprojekt zur russischen South-Stream gebaute und bisher mangels Zufuhr brachliegende Nabucco-Pipeline geführt werden könnten. Assad lehnte den Antrag 2011 ab. Stattdessen schloss er 2013, offenbar in Voraussicht auf eine syrische Ausbeutung der mittelmeerischen Gasfelder, mit dem Iran einen Vertrag über den Bau einer Pipeline aus den iranischen Gasfeldern durch Syrien ans Mittelmeer. Fatal bei all dem, dass sowohl Quatar als auch Iran auf das unter dem Persischen Golf liegende Gasfeld Anspruch erheben.

Assads Entschluss war brandheiß, wenn auch verständlich – denn statt nur Transitgebühren zu kassieren, würde Syrien mit einem solchen Projekt selbst Lieferant und Nutznieder von Transitgebühren zugleich. Verständlich ist allerdings auch, dass die Regierung von Quatar über die Absage Assads und seine Hinwendung an den Iran mehr als verstimmt war, zumal diese Konstellation, über die unmittelbare wirtschaftliche Konkurrenz hinaus in den konfessionellen Dauerkrieg zwischen dem wahabitisch-sunnitischen Islam Quatars wie auch Saudiarabiens und dem schiitischen Iran einfließt.

Spätestens seit 2013 betätigen sich Quatar und Saudi-Arabien als Finanziers und Ausrüster für die Opposition gegen Assad. Von Quatar sollen bisher drei Milliarden Dollar in die „Opposition“ geflossen sein. Wieviel es tatsächlich sind, wieviel die Saudis und darüber hinaus auch noch die USA investiert haben, muss zurzeit Schätzungen überlassen bleiben. Genaue Angaben entziehen sich der Bezifferung. Leider gibt im Nahen Osten bisher keine Victoria Nuland.

Doch findet immerhin der vielfach umrätselte Abbruch der früheren „Freundschaft“ zwischen Assad und dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoĝan hier seine einfache Erklärung: Ginge mit der Realisierung des syrisch-iranischen Pipelineprojektes der Türkei doch das einträgliche Transitgeschäft plus der Möglichkeit verloren, als Transitland Druck auf die EU auszuüben.

 

Der geopolitische Rahmen

Was weiter geschah, nachdem diese Vertragslage geschaffen wurde, ist nur noch im geopolitischen Licht verständlich. Vergegenwärtigen wir uns zunächst noch einmal die heutige Grundsituation, die durch die drei großen Transformationsströme beschrieben werden kann, die gegenwärtig um den Globus gehen: die nachsowjetische Neuaufteilung der Welt, die Krise des Nationalstaats sowie die grundsätzliche Frage, wie wir in Zukunft leben wollen, wenn nicht unter dem verbrauchten Entweder-Oder von Sozialismus ODER Kapitalismus.

Wo diese drei Grundströmungen sich überlagern, bilden sie wechselnde Konfliktknoten, die – nachdem sie aufgebrochen und benutzt wurden – in der Regel ungelöst als ganz oder halb eingefrorene latente Konflikte zurückbleiben: Vorgestern Moldawien, Georgien, gestern die Ukraine, heute Syrien und der gesamte „Halbmond“, um nur die letzten zu nennen, morgen vielleicht der Nordpol, zu dessen Nutzung die Startlöcher bereits von allen Seiten gegraben werden.

Durch die wichtigsten Konflikte hindurch, so verschieden sie sich auch darstellen, zieht sich zurzeit e i n e Konstante wie ein schwarzer Faden: Die Eindämmung Russlands als möglichem Rivalen der sich immer noch als einzige Weltmacht verstehenden USA. Der mögliche Konflikt mit China, Indien und anderen Staaten, die sich mit Russland verbinden könnten, lauert im Hintergrund.
Warum Russland? Man kann es nicht oft genug wiederholen: Weil Russland das einzige Land ist, das sich in seiner Geschichte bis heute der Kontrolle und der damit verbundenen Ausbeutung seiner Ressourcen durch koloniale Zugriffe seitens des Westens entzogen hat – und dies auch bisher wieder geschafft hat.

 

Immer die gleiche Methode

Begrenzen wir unsere Betrachtung jedoch auf die Ukraine und auf Syrien. Das Vorgehen ist im Kern jeweils das gleiche; die Kernbotschaft lautet:

• Ohne die Ukraine kann Russland kein Imperium mehr werden.
• Ohne sein Bündnis mit Syrien kann Russland den Export seiner Ressourcen nur noch zur Hälfte realisieren.

Für beide Vorgänge existieren nachzulesende Strategien, an die hier in aller Kürze erinnert werden muss:

• Für die Ukraine: Die seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion 1990/91 vom „Sieger“ USA unmissverständlich, auch öffentlich formulierte Absicht, die Ukraine aus dem russischen Einflussbereich herauszubrechen, um die US-Weltherrschaft abzusichern. Am deutlichsten von Zbigniew Brzezinski in seinen diversen Büchern gebetsmühlenartig wiederholt. Im Kiewer „Regime Change“ von 2013/14 wurde diese Strategie taktisch realisiert.

• Für Syrien: Das nach „9/11“ 2001, von den neo-konservativen Kräften hinter George W. Bush vorgelegte „Project for a new american Century”, das – Souveränität von Nationalstaaten hin oder her – auf eine schrittweise Unterwerfung der Staaten des mesopotamischen Raumes unter US-Energie-Interessen zielte. Diese Politik wurde von den Initiatoren des Projektes als „Krieg gegen den Terrorismus“ kaschiert, gelegentlich auch als „Vierter Weltkrieg“ bezeichnet (wobei der „Kalte Krieg“ als dritter gezählt wurde). Der letzte Abschnitt dieses Krieges sollte die Übernahme Syriens sein.

Schon zu der Zeit der Projektierung dieser Strategien – sowohl 1990/91 als auch noch 2001 – wurde in Darstellungen von internationalen Energieexpertisen eine „strategische Ellipse“ gezeichnet. Strategische Ellipse

Sie umfasste den größten Anteil der zu jener Zeit bekannten Öl- und Gas-Reserven vom nördlichen und mittleren Russland hinunter bis an die Südküste der arabischen Halbinsel. In dieser Ellipse waren die russischen Vorkommen im Norden und die des südlichen mesopotamisch-arabischen Raumes gleichgewichtig vertreten. Durch die neuen Funde und möglichen Aktivierungen bisher ungenutzter Felder von Öl- im mesopotamisch-arabischen Raum, vor allem von Gas, das angesichts klamm werdender Öl-Versorgung zur Zeit als Energiequelle der Zukunft gilt, hat der südliche Teil dieser Ellipse, ein Gewicht erreicht, das die russischen Ressourcen weit übersteigen könnte.

Würde das bisher ungenutzte Gas von Quatar direkt in die Nabuco-Linie eingespeist, führte das zwangsläufig dazu, Russland nach dem Verlust der Ukraine auch als Ressourcen-Lieferant zu kastrieren, und zwar lebensbedrohlich, weil damit der gesamte von Russland ausgehende und das zentral-asiatische Hinterland einbeziehende Südstrom wegbrechen müsste, der auf Zulieferungen nach Europa angelegt ist. Dieser Verlust wäre durch Umstellungen der Lieferung nach China, Indien oder in andere asiatische Staaten nicht so schnell zu kompensieren.

Umgekehrt musste die Entscheidung Assads für ein gemeinsames Projekt mit dem Iran zu erbitterter Feindschaft seitens Quatars und der Saudis gegenüber Syrien führen – und selbstverständlich auch Maßnahmen der mit ihnen verbündeten US-Amerikaner auf sich ziehen, die sich Hoffnung gemacht hatten, Russland auf diese Weise endlich niederringen zu können.

Man erinnere sich, dass just 2013 der US-Außenminister John Kerry drauf und dran war Syrien den Krieg zu erklären. Anlass war der Einsatz von Chemiewaffen im syrischen Gemetzel, für das umgehend Assad verantwortlich gemacht wurde, wiewohl eindeutige Beweise dafür bis heute nicht vorliegen. Eine Eskalation wurde allein durch Russlands Eingreifen verhindert, das Assad dazu bewegte, seine Chemiewaffenbestände unter internationaler Kontrolle vernichten zu lassen.

Die Hoffnung, Russland wenigstens umgehen zu können, hegten und hegen übrigens auch die Politiker der EU, deren Anliegen bereits seit mehr als einem Jahrzehnt darin besteht, die von ihnen beklagte Öl-, vor allem aber Gas-Abhängigkeit von Russland zu „diversifizieren“, um ihrer zu diesem Zweck gebauten, aber bisher brach liegenden Nabuco-Pipeline endlich Lieferungen zuführen zu können. Unter den aktuellen geopolitischen Spannungslinien ist dieses Interesse der EU-Politiker noch gewachsen.
Man darf davon ausgehen, dass der Konflikt um die projektierten Pipelines und die zukünftige Nutzung der Erdgasfelder noch nicht zuende ausgetragen ist.

 

Putins offensive Abwehr

Unter den skizzierten Voraussetzungen kann Russlands Politik in der Frage der Ukraine, ebenso wie in der Syriens, einschließlich des jetzt aufgenommenen Bombardements der „demokratischen Regimegegner“ Assads nur als eine offensive Verteidigung bewertet werden. Wobei hervorzuheben ist, dass die russischen Einsätze unter Beachtung der syrischen Souveränität, konkret, in Absprache mit dem gewählten Staatsoberhaupt Syriens stattfinden.

Aber bitte, keine Verwechslung! Mit Blick auf die eingangs genannten Grundprobleme unserer Zeit – Neuaufteilung der Welt, Krise des Nationalstaates, wie wollen wir leben? – muss klar gesagt werden: Putin ist nicht Russland, Russlands zukünftige Potenzen gehen weit über Putin hinaus. Putin ist auch kein Sozialist; er ist kein Demokrat und kein Anti-Kapitalist. Er ist auch kein Förderer der Weltrevolution, der die kapitalistische Produktionsweise als tiefste Ursache der heutigen Expansionskonflikte und der anschwellenden Migrationsbewegungen, die aus den ausgebeuteten Staaten auf der Südhalbkugel des Globus in die Industriezentren drängen, etwa grundsätzlich in Frage stellte. Eine Umkehrung der Migration in neue Siedlungsbewegungen in den Herkunftsländern der Migranten ist nur mit einer grundsätzlich anderen Industriepolitik zu bewirken, die den durch die kapitalistische Produktionsweise verursachten Expansionismus zugunsten der Entwicklung und Förderung lokaler und regionaler Wirtschaften beendet.

Dies alles ist nicht Putins Programm. Das zu erkennen genügt ein Blick auf seinen Umgang mit den rätedemokratischen Träumen von Selbstbestimmung und Autonomie der Republiken Donezk und Lugansk, vom Aufbau eines autonomen „Noworossija“ im Osten der Ukraine, die er alle – vorsichtig gesprochen – nach kurzfristiger opportunistischer Unterstützung hat abblitzen lassen. Zu erkennen ist sein Programm auch an der von ihm geführten Sozialpolitik, mit der er Basisrechte der abhängig arbeitenden Bevölkerung eingeschränkt und die Klassengesellschaft in Russland wieder eingeführt hat. Dass die Kritik daran verhalten bleibt, liegt allein daran, dass die Bevölkerung ihn, all dessen ungeachtet, als Verteidiger ihrer Heimat gegen Kolonisierungsversuche von außen schätzt.

Putin ist ein neo-liberaler Modernisierer, der Russland als souveränen Großstaat wieder herstellen will. Was ihn sowohl als Innen- wie auch als Außenpolitiker dabei auszeichnet, ist seine Fähigkeit zu einer Politik, die aus der Schwäche heraus zur Konsensbildung führt. Aus dieser Position heraus hat er die russischen Oligarchen seit seinem Antritt 1999/2000 in die Verantwortung für das neue Russland eingebunden. Außenpolitisch agiert er aus einer Kooperation der Schwachen heraus, mit der er den immer einsamer agierenden Starken, also, die sich nach wie vor als Weltpolizist verstehende USA in die Schranken zu weisen beginnt. Anders gesagt: Unter den Schwachen, die gegenwärtig gegen die kriegstreiberische Dominanz der USA für eine kooperative Weltordnung souveräner Staaten antreten, ist Russland durch die von Putin vertretene Politik die führende Kraft, die auf das orientiert, was er selbst eine „globale Sicherheitsarchitektur“ nennt – nicht mehr, nicht weniger.

Dies in den gegenwärtigen Konflikten zu erkennen und herauszustellen, verlangt eine Haltung der kritischen Solidarität, die Putin als de-eskalierende Kraft wahrnimmt, ohne ihn als möglichen Friedensnobelpreisträger zu heroisieren, wie das seinerzeit mit seinem Gegenspieler Obama geschah.

Kai Ehlers, www.kai-ehlers.de