Sechzehn Staaten Asiens und Nordafrikas trafen sich zum ersten Gipfel einer „Konferenz für Zusammenarbeit und vertrauensbildende Maßnahmen in Asien“ (CICA) am 4. Juni in Alma Ata: Aserbeidschan, Afghanistan, Ägypten, Israel, Indien, Iran, Kasachstan, Kirgisien, China, Mongolei, Pakistan, Palästina, Russland, Tadschikistan, Türkei und Usbekistan. Ein stattliche Liste.
Nur ein paar Tage, später, am Wochenende des 8./9. Mai versammeln sich in St. Petersburg die Vertreter von fünf zentralasiatischen Staaten der Schanghaier Kooperation – Russland, China, Usbekistan, Kasachstan, Kirgisien und Tadschikistan – zur Unterzeichnung einer Schanghaier Charta, welche die bisher lose Kooperation auf eine vertragsrechtliche Basis stellen soll. Präsident Putin bezeichnete dies der chinesischen Zeitung „Guangming Ribao“ gegenüber als ein historisches Ereignis von größter Bedeutung. Sie sei, so Aussenminister Iwanow, das konkrete exekutive Pendant zur Beratungsrunde von Alma Ata und offen für weitere Partner, die aus den Beratungen die Bereitschaft zu konkreter Kooperation gewönnen.
Wenige Wochen zuvor, am 13. Mai, noch vor der Reise G.W. Bushs nach Europa, war der „Aussen- und Verteidungsministerrat der Teilnehmerstaaten über die kollektive Sicherheit der GUS“ zu einer Aktualisierung des Bündnisses in Moskau zusammengekommen. Man beschloss die Durchführung von Manövern der schon früher gebildeten gemeinsamen „Schnellen Aufmarschtruppen“ (KSAT). Sie sollen in Kirgisien zusammen mit dem Anti-Terrorzentrum durchgeführt werden.
Während westliche Medien von den Treffen nur zu berichten wissen, dass sie sich dem weltweiten Kampf gegen Terrorismus und damit den weltpolitischen Vorgaben der USA angeschlossen hätten, liegen all diese und noch weitere bilaterale oder nachgeordnete Aktivitäten doch voll und ganz auf der Linie der euroasiatischen Orientierung russischer Politik, mit der Wladimir Putin Anfang 2000 angetreten ist.
Russland sei ein „besonderer Knoten der Integration, der Asien, Europa und Amerika miteinander verbindet“, hatte er selbst seinerzeit erklärt und es müsse seine Politik dementsprechend ausrichten.
Mit diesen Worten lässt Putin sich auch widerspruchslos von der neugegründeten Partei „Euroasia“ und ihrer seit anderthalb Jahren unter den Fittichen des Präsidialamtes herangewachsenen nationalistischen „Euroasiatischen Bewegung“ zitieren.
Im außenpolitischen Konzept (Volle komplizierte Bezeichnung: „Konzept für die Aussenpolitik der russischen Föderation, vom russischen Staatspräsidenten Wladimir Putin am 28. Juli 2000 gebilligt“), das noch heute der Weltöffentlichkeit per Internet als gültige Doktrin angeboten wird, ist neben der Betonung der Wichtigkeit der Beziehungen Russlands zu Europa und zu den USA folgendes zur Asienpolitik zu lesen:
„Asien genießt eine beständig wachsende Bedeutung im Kontext der gesamten Außenpolitik der Russischen Föderation, die durch die direkte Zugehörigkeit Russlands zu dieser sich dynamisch entwickelnden Region bedingt ist und durch die Notwendigkeit eines wirtschaftlichen Aufschwungs in Sibirien und dem fernen Osten. Nachdruck wird gelegt werden auf die Teilnahme Russlands an den Hauptintegrationsstrukturen der asiatisch-pazifischen Region – dem Forum für Asiatisch-Pazifische Wirtschaftszusammenarbeit (APEC), dem Regionalen Sicherheitsforum des Verbandes Südostasiatischer Nationen (ASEAN) und den fünf von Schanghai (Russland, China, Kasachstan, Kirgistan und Tadschikistan), die auf Initiative Russlands und mit seiner aktiven Rolle geschaffen worden sind.“
Als Aufgaben werden ua. formuliert: freundschaftliche Beziehungen zu China und Indien als Elemente weltweiter Stabilität; Unterzeichnung eines Teststoppvertrages durch Indien und Pakistan; intensive Beziehungen zu Japan, Südostasien und zum Iran. Die allgemeine Verbesserung der Lage in Asien sei von fundamentaler Bedeutung für Russland. Und schon damals wird der Export von Terrorismus und Extremismus aus Afghanistan als „ernste Bedrohung der Südgrenze der GUS und Russlands“ bezeichnet und „Lösungen“ angekündigt. Von einem bloßen Einschwenken auf eine US-Linie nach dem 11.09.2001 kann vor diesem Hintergrund nicht die Rede sein.
Im Vorfeld und während der Tagung von Alma Ata beantwortete Präsident Putin zudem die Frage von „Guangming Ribao“, ob sich seit dem Besuch G.W. Bushs in der russisch-chinesischen Partnerschaft etwas verändert habe, auch aktuell. Er glaube, dass die Situation, die sich gegenwärtig in der Welt herausgebildet habe, Russland und China „die Notwendigkeit der Vertiefung bilateraler Kontakte und ihre Ergebung auf das Niveau der strategischen Partnerschaft gerade diktierte.“ Als die Zeitung den russischen Präsidenten dafür lobt, dass er an die Stelle der „Achse des Bösen“ den Begriff einer „Achse der Stabilität“ in die internationale Diskussion eingeführt habe, antwortet Wladimir Putin, indem er zugleich auf die Kontinuität der multipolaren Orientierung seiner Politik verweist: „Ich denke, dass die `Achse der Stabilität´ eben solche führenden Länder der Welt, wie die Volksrepublik China, westeuropäische Länder und die Vereinigten Staaten bilden können.“
Und damit es gar kein Missverständnis gibt, versichert Wladimir Putin noch einmal:
„Selbst auf Grund unserer geopolitischen Lage (ein Teil des russischen Territoriums befindet sich im Osten, ein Teil – in Europa) betrieben wir immer eine ausgewogene Außenpolitik. Und in diesem Sinne bleibt die Außenpolitik Russlands traditionell. Wir beabsichtigen auch in der Zukunft unsere Beziehungen sowohl mit dem Osten, als auch mit dem Westen zu entwickeln. Und hier sind unsere Beziehungen zur Volksrepublik China von erstrangiger Bedeutung.“
Dem ist nur noch hinzuzufügen, dass die Konferenz von Alma Ata, auch wenn der pakistanische Präsident Pervez Musharaw und der indische Premier Atal Behari Vajpayee trotz Vermittlung Chinas und Russlands nicht miteinander reden wollten, dennoch ein politisches Faktum ist, das der Aufnahme Russlands als 20. Mitglied in einen NATO-Kooperations-Rat in seiner Bedeutung für die Entwicklung einer neuen stabilen Weltordnung in Nichts nachsteht.

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