Die öffentlich bekannt gewordenen Ergebnisse der soeben abgeschlossenen Staatsbesuche des russischen wie des chinesischen Präsidenten in Deutschland sind schnell zusammengefasst: Wladimir Putin verließ Deutschland in der Gewissheit, Russlands Schulden um mehrere Millionen verringert zu haben. Mit 500 Millionen Euro, die Russland an Deutschland zahlen wird, statt der bisher geforderten 6,4 Milliarden Transferrubel, berechnet als 6,5 Millairden Dollar, wurde dieses leidige Thema abgelegt. Dazu wurden langfristige wirtschaftliche Vereinbarungen in der Höhe von 150 Millionen Euro getroffen. Im übrigen mühte man sich, möglichst wenig Themen zu berühren, die das Bild einer deutsch-russischen Freundschaft trüben könnten. Im TV demonstrierten Gerhard Schröder und Wladimir Putin eine deutsch-russische Freundschaft von geradezu penetranter Intimität. Da war die Frage des Moderators nach den Vorgängen in Tschetschenien nur noch Staffage für Wladimir Putins Rechtfertigung des Krieges als anti-terroristischer Freundschaftsdienst für den Westen und den Weltfrieden.
Mit Jiang Zemin waren die Inszenierungen etwas schwieriger. Er musste mit aktiven Protesten von Amnesty, von tibetischen und uigurischen Exilorganisationen und Kritik wegen der Verfolgung der Falun Gong Anhänger rechnen. Die Bundesregierung indes wusste ihm diese Proteste vom Leibe zu halten. Aber auch er konnte im Ergebnis mit satten Ergebnissen weiterreisen – nicht nur der Verlängerung der Vertrages mit dem VW-Werk in Wolfsburg, sondern auch weiteren langfristigen Wirtschaftsverträgen.
Business as usual, könnte man denken und es bei dem Ärger über die freche Mischung aus Geheimverhandlungen und öffentlicher Kumpelei belassen. Es werden in dieser Mischung aber Elemente erkennbar, die aufhorchen lassen: Eine „strategische Freundschaft“ mit seinem Freund Putin beschwor Gerhard Schröder und die enorme strategische Bedeutung des Wirtschaftsraums Russland. Der so angesprochene Putin erinnerte gar an „Rapallo“. Worauf bezieht man sich da? Rapallo war doch das Bündnis zwischen dem Kriegsverlierer Weimar und dem Kriegsverlierer Deutschland, mit dem sie sich gegenseitig aus der Isolation durch die damaligen Siegermächte halfen. Gegen wen schließt man sich jetzt zusammen?
Für Jiang Zemin war Deutschland zwar die erste Station, aber erst die weiteren Stationen seiner Reise offenbaren den ganzen strategischen Sinn dieses Besuches: Sie heißen Libyen, Tunesien, Nigeria, Iran. Alle diese Länder finden sich entweder direkt auf Amerikas Liste der Schurkenstaaten oder stehen doch zumindest dem globalen Hegemonie-Anspruch der USA entgegen. Im Falle Iraks stimmen die Deutschen und ihr chinesischer Gast darin überein, dass die Rechte eines souveränen Staates nicht angetastet werden dürfen. Darin sind sie auch mit Wladimir Putin einig. Offensichtlich wird die Spitze dieser Politik, wenn Jiang Zemin der Bundesregierung verspricht, sich bei der UNO für eine Aufnahme Deutschlands in den Sicherheitsrat einzusetzen.: Deutschland als Widerpart eines amerikanischen Globalanspruches – diese Politik Berlins wird den übrigen Europäern vielleicht, den US-Amerikanern aber ganz sicher nicht gefallen.
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