Thesen für ein Seminar in Sankelmark
vom 6. – 8. 10. 2000
1. Das Ende der Sowjetunion ist gleichbedeutend mit dem Ende der bipolaren Weltordnung, welche die Welt seit 1917 in zwei Systemlager teilte.
2. Die Aufhebung der Systemteilung ist ein Wachstumsprozess, der die Grenzen der Systemteilung von innen heraus sprengte. Das gilt für die Sowjetunion selbst, deren Regionen eine eigene Entwicklungsdynamik entfalteten und es gilt für Gebiete der sog. 3. Welt, die sich im Schutz des System-Patts entwickeln konnten.
3. Mit der Auflösung der bipolaren Weltordnung treten die bisherigen Sub-Zentren aus den Schutzräumen zwischen den Blöcken in die freie Konkurrenz des Weltmarktes hinaus. Diese Entwicklung bezeichnet man heute gemeinhin als Globalisierung.
4. Ergebnis ist eine vorübergehende Anarchisierung der internationalen Beziehungen und ein Kampf um die Neuaufteilung der Welt, der an exemplarischen Konflikten wie Kossovo, wie Tschetschenien ausgetragen wird.
5. Wichtigste Konfliktlinie im Kampf um die Neuaufteilung der Welt, die sich zur Zeit abzeichnet, ist die zwischen China als der kommenden asiatischen Führungsmacht und den USA, die heute den Anspruch auf Weltherrschaft stellen, nachdem sie aus dem kalten Krieg der Systeme als Sieger hervorgegangen sind.
6. Europa, speziell Deutschland, wird im Zuge dieser Entwicklung tendenziell auf den dritten, die bisherige Großmacht Russland auf den vierten Platz der Weltmächte verwiesen. Für beide, Europa wie Russland, besteht die Gefahr, zukünftig auf ein Bollwerk zwischen den großen Kontrahenten China und USA reduziert zu werden.
7. Europäischer Politik, speziell deutscher, fällt somit die historische Rolle zu, eine erneute Polarisierung der Welt, dieses mal entlang der chinesischen und der amerikanischen Interessen, östlicher und westlicher Kultur durch Herausbildung eines dritten Pols im Gleichgewicht zu halten. Darin treffen sich russische und europäische, insonderheit deutsche und russische Interessen..
8. Zu dem Kräftedreieck China, USA, Russland-Europa kommt als zukünftige Potenz noch die orientalisch-arabische, die indische, die afrikanische, die australisch-neuseeländische und die südamerikanische Welt, die sich aber noch in unterschiedlichen Graden der Abhängigkeit von den drei großen Macht- und Wirtschaftszentren befinden.
9. Die Gesamtentwicklung drängt auf eine multizentrale globale Ordnung. Ihre Protagonisten sind aber weder die USA, die verbal als Hüter globaler Demokratie auftreten, noch China, das propagandistisch aggressiv für eine multipolare Welt eintritt. Die multizentrale Ordnung wird gegen die Interessen dieser beiden Supermächte, der gegenwärtigen und der kommenden, von den übrigen Völkern und Ländern des Globus, gruppiert um die alten Mächte Russland und Europa durchgesetzt werden.
Kai Ehlers. Publizist, www.kai-ehlers.de, info@kai-ehlers.de
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