Aussprache: Alle russischen Namen und Begriffe sind in phonetischer Umschreibung wiedergeben.
Anmerkung zu den O-Tönen:
Die Länge der O-Töne ist exakt angegeben. Zähleinheit ist 5.sec. pro Zeile plus 5 Sec. für die Auf- und 5 Sec. für die Ausblendung. Die Töne sind so geschnitten, dass Anfang und Ende in der Regel für jeweils mindestens 5 Sec. den (fett) angegebenen Textanfängen oder Textenden entsprechen. Evtl. Schnittstellen ( in denen Text und Ton nicht wortidentisch sind) liegen in der Mitte der Töne. Abweichungen von diesem Schema habe ich besonders angegeben.
Anmerkung
zu den Verbindungen zwischen den O-Tönen:
Alle Töne haben eine Ende zum Hochziehen – bei den längeren Gesprächspassagen mit mehreren O-Ton-Fortsetzungen könnte es aber auch reichen, einfach auszublenden und zum nächsten Ton überzugehen.
Freundliche Grüße
Kai Ehlers
www.kai-ehlers.de
Islam in Russland
Die Selbstmordkommandos in Tschetschenien schrecken die Welt auf. Wie reagieren die russischen Völker? Ist der militante Islam die Antwort auf die gescheiterten westorientierten Reformen? Entwickelt sich eine Kulturfront mitten in Russland? Wer an die mittlere Wolga fährt, nach Kasan, in die Hauptstadt der tatarischen Republik und von dort weiter nach Osten ins Innere bis in die Industriestadt Nabereschnye Tschelni an der Kama, einem Nebenfluss der Wolga, könnte dort, im Herzen Russlands, einen solchen Eindruck bekommen.
In einer mehr als 500.000 Menschen umfassenden Industrie-Agglomeration von beklemmender Plattenbautristesse, die einst von der Produktion der berühmten sowjetischen Lastwagen Marke „KAMA“ lebte, heute aber an katastrophaler Arbeitslosigkeit leidet, verbindet ein „tatarisches Zentrum“ den Kampf um kulturelle Eigenständigkeit und Souveränität der Republik Tatarstans mit dem, auch militanten, Einsatz für die Wiedergeburt und Ausbreitung des Islam in Russland.
O-Ton 1: Frauen in der Koranschule 26,8
Regie: O-Ton langsam kommen lassen, kurz frei stehen lassen, abblenden, unterlegen
Erzähler:
Lachen, „Strastje“, „Isutschajem Islam….
Freimütig wird dem Gast die Koranschule vorgestellt, in der gerade eine Gruppe Frauen unterrichtet wird. „Wir lernen den Islam“, sagt die Lehrerin. „Es beginnt mir lautem Lesen und Gebeten; Moral lernen wir auch, wie man sich richtig verhält.“
… sebja vesti.“
O-Ton 2: Koranschule, Forts. 559
Regie: O-Ton langsam kommen lassen, kurz frei stehen lassen, abblenden, unterlegen, bei 0.50 zwischendurch hochziehen, abblenden, weiter unterlegen, nach (zweitem) Erzähler zum Stichwort „spassibo“, abblenden
Erzähler:
Sie unterrichte nur Frauen, erklärt die Lehrerin weiter. Männer blieben für sich, Kinder ebenso. „Wir hören hier zu und schreiben mit, zuhause lernen wir es auswendig“, sagt eine der Frauen. „Wir geben uns Mühe, alles richtig zu lernen, denn wenn wir es verfälschen, werden wir von Gott bestraft.“ Eine andere Frau zeigt ein Heft. „Da hinein schreiben wir alles“, sagt sie, „es ist für die Hausaufgaben“, „Es ist wie in der Schule“, lachen die Frauen.
Regie: Beim Lachen zwischendurch hochziehen
Erzähler:
„Früher war ja alles verboten“, sagen die Frauen. Jetzt könne man endlich wieder lernen. „Wir sind sehr glücklich darüber.“, meint eine, „So stehen wir endlich wieder rein vor Gott.“
Mit guten Wünschen verabschieden sie uns.
…spassibo
Erzähler:
Rafis Kaschapow, der Vorsitzende des Zentrums, ein agiler Mittdreißiger, bemüht sich anschließend, uns die Aufgaben des Zentrums zu erklären, nachdem er zuvor eine halbe Stunde lang sein Notizbuch durchtelefoniert hat, um Gesprächspartner für die ausländischen Gäste ins Zentrum zu bitten:
O-Ton 3: Rafis Kaschapow, tatarisches Zentrum 34,4
Regie: O-Ton langsam kommen lassen, kurz frei stehen lassen, abblenden, unterlegen, am Schluss wieder hochziehen
Übersetzer:
„Nasche zel i sadatsche…
„Unser Ziel und unsere Aufgabe ist die wirtschaftliche und politische Unabhängigkeit von der russischen Föderation. Das wird sich in nächster Zeit nicht realisieren lassen, denn wenn wir hart vorgehen würden, könnte das Krieg bedeuten. Deshalb gehen wir den zivilisierten Weg, mag sein vierzig, mag sein dreißig, mag sein sogar nur zwanzig Jahre. Wir wollen eine freie tatarische Republik.“
…tatarskuju Respubliku.“
Erzähler:
In dieser Republik, setzt er gleich noch hinzu – der nächsten Frage zuvorkommend – sollen orthodoxe Christen, Katholiken, ebenso wie verschiedene Ethnien gleichberechtigt miteinander leben wie in anderen entwickelten Ländern.
Der Zusatz war wichtig, denn die Plakate, die im Zentrum aufgehängt sind, ebenso wie die Fotos, die er seinen Gästen zeigt, haben vor allem zwei Themen: die Unterstützung des tschetschenischen Volkes und den Kampf um die eigene Identität in einem freien Tatarstan. Der Kampf gegen die russische Kolonisation, die Rafis Kaschapow von der Eroberung Kasans durch Igor den IV., den sog. Schrecklichen im Jahre 1552 an datiert, und die Stärkung des Islam scheinen darin eine untrennbare Einheit zu sein, jedenfalls überwiegen Moscheen als Motive auf den Plakaten und Berichte vo Treffen mit „Islamischen Brüdern“ in den Erzählungen Rafis Kaschapows. Einmal im Jahr organisiert das Zentrum zudem landesweite Aktivitäten zum Gedenken an den Tag der Eroberung Kasans durch Moskau, ebenso wie mindestens einmal im Jahr einen Hilfskonvoi für Tschetschenien, humanitär, wie Rafis betont. Dabei zeigt er allerdings nicht nur Bilder von den Konvois, sondern voller Stolz auch solche, auf denen er mit den tschetschenischen Warlords zu sehen ist. Sogar Fotos der umstrittenen weiblichen Scharfschützen zeigt er vor.
Ist tatarische Identität für ihn also doch identisch mit muslimischer? Auf diese Frage antwortet Rafis Kaschapow:
O-Ton 4: Rafis Kaschapow, Forts. 1,10
Regie: O-Ton langsam kommen lassen, kurz frei stehen lassen, abblenden, unterlegen, am Schluss wieder hochziehen.
Übersetzer:
„Nu, dglja nas…
„Nun für uns Tataren ist es verletzend, dass aus Baschkortastan, aus Tatarstan, aus den verschiedensten Regionen der russischen Föderation, wo heute Muslime leben – das sind zur Zeit mehr als rund 20 Millionen, vielleicht nicht sehr gläubig, aber doch immerhin, dazu noch die Usbeken, die Tadschiken, die Kirgisen, die Aserbeidschaner, Dagestaner, auch wenn sie andere Glaubensrichtungen vertreten – also für uns ist es verletzend, dass sich alle diese Bürger an Kriegshandlungen, an der Vernichtung von Muslimen beteiligen, während die orthodoxen Priester sie für die Verteidigung des heimatlichen Bodens segnen. Das ist natürlich eine Verhöhnung der Muslime. Zugleich wendet man sich, auch hier bei uns in Nabereschnye, an Eltern von Soldaten, denen man Orden verleiht für den Mord an Muslimen. Das geht vielen hier natürlich gegen die Natur, die deswegen klagen. Im Moment mag das Volk das noch ertragen, aber auf Dauer kann alles Mögliche geschehen.“
…sweki slutschi.“
Erzähler:
Von der islamischen Geistlichkeit erwartet der kämpferische Vorsitzende allerdings nichts. Die Zeit Jelzins, erklärt er, sei eine Zeit der Regeneration der islamischen und der tatar-turkischen Kultur an der Wolga und in anderen Teilen Russlands gewesen. Sogar von einer freien Republik Wolga-Ural habe man geträumt, welche die von turk-tatarischen Völkern besiedelten Gebiete zwischen Wolga und Ural zusammenfasse. Mit der Übernahme der Macht durch Wladimir Putin gehe diese Zeit zuende. Jetzt drohe sich der alte Zustand wieder herzustellen, der seit der Anerkennung des Islam durch Katarina II. 1767 bis in die Sowjetzeit hinein bestanden habe, nämlich die Unterordnung der muslimische Geistlichkeit unter die Interessen des Zaren oder später der Partei. Allein die Tschetschenen hätten sich ihren Widerstandsgeist bewahrt und seien noch bereit, den „Heiligen Krieg“ auszurufen. Deswegen werde an ihrem Beispiel der Widerstand der übrigen 20 Millionen Muslime eingeschüchtert und deswegen sei es nötig, ihnen zu helfen.
O-Ton 5: Rafis Kaschapow, Forts. 0,22
Regie: O-Ton langsam kommen lassen, kurz frei stehen lassen, abblenden, unterlegen, am Schluss wieder hochziehen.
Übersetzer:
„Idjot dawlennije…
„Es wird Druck ausgeübt von Seiten der russischen Föderation, denn je mehr Selbstbewusstsein die Völker entwickeln, je stärker die Tendenzen zur Wiedergeburt – angefangen im Kaukasus, aber auch an der Wolga bei den Tataren, Utmurten, Mari, Tschuwaschen, Baschkiren – umso eher fällt das russische Imperium auseinander.“
…russiski imperii.“
Erzähler:
Das Spektrum der Menschen, die Rafis Kaschapows Telefonaten Folge leisten und für ein Gespräch mit den Ausländern ins Zentrum kommen, ist überwältigend – es reicht vom bekannten Kulturfilmer der Region über den Gewerkschaftssekretär bis hin zu Historikern, die mit der Aufarbeitung der in den russischen Geschichtsbüchern vergessenen Geschichte des Wolgaraumes befasst sind. Das ist die Geschichte der Hunnen, deren Nachkommen hier über sieben Jahrhunderte das Reich der Wolgabolgaren beherrschten; das sind die Mongolen-Tataren, die dieses Reich der Bolgaren zerschlugen, als sie nach Westen vordrangen, und daraus das Khanat Kasan machten, bis Iwan IV. es 1552 eroberte. Es ist eine Zeit der wechselnden nicht-christlichen religiösen Orientierungen. Die Mongolen brachten den Islam, Ivan IV. eroberte Kasan im Namen des Christentums. Heute existieren an der mittleren Wolga Christentum, Islam und naturreligiöse Bekenntnisse nebeneinander.
Als letzten in der langen Reihe kündigt Rafis Kaschapow schließlich lachend einen „Wahabiten“ an. Es erscheint ein junger Mann mit einem mächtigen Vollbart nach Art der tschetschenischen Warlords. Er selbst stellt sich als Scheich Adin vor, Vorsitzender des islamischen Zentrums von Nabereschnye Tschelni. Gefragt, was er von der Charakterisierung als „Wahabit“ halte, antwortet er:
O-Ton 6: „Wahabit“ Scheich Adin 1,21
Regie: O-Ton kurz stehen lassen, abblenden, unterlegen, beim 0,39 (Lachen) kurz hochziehen, danach abblenden
Übersetzer:
„Nu, snaetje…
„Nun, wissen Sie, in der letzten Zeit hat dieses Wort eine negative Bedeutung in Russland bekommen. Obwohl ohne jede Untersuchung, werden die politischen Ereignisse im terroristischen Spektrum doch irgendwie einem Wahabismus zugeordnet. Aber niemand kann erklären, was ein Wahabit ist. Man benennt einige äußere Faktoren, langer Bart zum Beispiel; wenn man es aber nur am Bart festmacht, dann sind die Vorstände der orthodoxen Kirche wohl auch Wahabiten!“
Regie: Zum Lachen bei 0,39 zwischendurch aufblenden
Übersetzer: Forts.
Niemand hat bisher erklärt, was eigentlich der Wahabismus ist, der sich jetzt angeblich in Russland ausbreite. Ich lasse mal Saudi-Arabien mit der Ideologie Abdulla Wahabs außen vor. Auf der Ideologie Abdulla Wahabs ist der ganze Saudi-Arabische Staat aufgebaut, aber das ist rein örtlich. Die Schattierungen in Russland jedoch betreffen ein weites Spektrum unterschiedlicher Leute. Ich zum Beispiel bin einfach nur ein Mohammedaner, der findet, dass es an der Zeit ist, den Höchsten zu verehren. Aber schon solche Menschen werden als Radikale, als Fundamentalisten usw. betrachtet.“
…Fundamentalistom i protsche.“
Erzähler:
„Sie werden verfolgt“, fährt er fort, „und unter Druck gesetzt.“ Die Regierung versuche, den Islam in ein Reservat abzudrängen. „Aber der Islam“, so Scheich Adin, „das ist Leben.“
Der Islam ist in Tatarstan und an der Wolga verankert, das ist für Scheich Adin keine Frage. Aber Islam und Tatarstan sind für ihn nicht identisch. Der Islam sei unabhängig von der nationalen Zugehörigkeit. Worauf es ankomme, sei, nach den Gesetzen Allahs zu leben. Was er darunter verstehe?
O-Ton 7: Scheich Adin, Forts. 1,16
Regie: Ton kurz stehen lassen, abblenden, unterlegen, hochziehen
Übersetzer:
„Jesdestwenna tschelowjek…
F: Natürlich muss der Mensch nach Idealen streben. Der Mensch hat ja immer nach dem idealen Leben gestrebt und nach dem idealen Staat, nach idealen Gemeinschaftsstrukturen. Früher gab es viele Philosophen. Auch Christus ist im Prinzip ein Gesandter Allahs; wir erkennen ihn als Gesandten Allahs an, der seine Gesetze gebracht hat. Vor ihm gab es sehr viele andere, zum Beispiel auch Moses. Aber der letzte Gesandte Allahs ist Mohammed. Mit Mohammed beschloss Allah seine Offenbarung. Der Koran ist das abschließende heilige Buch und bis zum heutigen Tag gibt es kein weiteres Buch von Allah. Alles was heute an Büchern erscheint wie die vom Typ Himalaja, Brahmanismus, Hinduismus usw., alles das ist schon auf dieser letzten Offenbarung begründet; das ist alles schon nicht mehr direkt von Allah. Es ist aber klar geschrieben, dass der Koran die endgültige Überlieferung Allahs ist, weil es dort keine Abweichungen gibt. Alle anderen Bücher enthalten schon Abweichungen durch die Menschen und all das.“
…at tschelowjeka ot wsjewo.“
Erzähler:
Die Reinheit des Islam wiederherzustellen, ist das Ziel Scheich Adins. Dieses Ziel müsse ein Muslim mit allen Kräften anstreben. Ob er das selbst als Fundamentalismus verstehe?
O-Ton 8: Scheich Adin, Forts. 0,53
Regie: Ton kurz stehen lassen, abblenden, unterlegen, hochziehen
Übersetzer:
„Ja nje snaju…
„Ich weiß nicht, was man unter dem Wort Fundamentalismus verstehen soll. Ich verstehe darunter, dass ein jedes Gebäude, das man bauen möchte, mit dem Fundament beginnt. Unser Fundament ist der Koran und die Sunna, das heißt, die uns überlieferten Aussprüche und Lebensgewohnheiten des Propheten Mohammed, die als Richtschnur des islamischen Lebens gelten. Selbstverständlich sagen wir, dass es nötig ist, zum Echten zurückzukehren, frei von den späteren Zusätzen, die jedes islamische Volk, jeder islamische Staat mit seinen Gewohnheiten hinzufügte. Das muss man alles aus dem Islam hinaussäubern und wenn die Menschheit diesen Weg geht, die ideale Gesellschaft aufbauen.“
…postroit idealno obschestwo.“
Erzähler:
Illusionen macht Scheich Adin sich allerdings nicht. Eine Vereinigung der Moslems für dieses Ziel werde es nicht geben, meint er, nicht in der Welt und nicht in Russland:
O-Ton 9: Scheich Adin 0,33
Regie: Kurz stehen lassen, abblenden, unterlegen, hochziehen
Übersetzer:
“Nun, my staraimsja….
„Wir bemühen uns natürlich irgendwie; man muss darüber nachdenken. Aber verstehen Sie, schon der Prophet hat vorausgesagt, dass Juda sich in 71 Sekten spalten wird, die Christen in 72 und die Muslime in noch mehr, nämlich 73. Das ist also schon Bestimmung und deshalb wird es nie geschehen, dass die Muslime sich in einer Gemeinde vereinigen.“
…adnu Ummu kakuju.“
Erzähler:
Auch in Russland nicht, setzt er hinzu. Dafür sei die Angst und das Misstrauen zwischen den Menschen zu groß. Wichtig aber sei, sich gegenseitig zu helfen.
Ob das auch für Tschetschenien gelte?
O-Ton 10: Scheich Adin; Forts. 0,53
Regie: Kurz stehen lassen, abblenden, unterlegen, hochziehen
Übersetzer:
„Selbstverständlich! Ich würde sogar sagen: Die Hilfe kann unterschiedlich aussehen – mit dem eigenen Leben, wie es viele von hier gemacht haben, die dort hingefahren sind, um auf der Seite der Tschetschenen zu kämpfen. Das waren vornehmlich Muslims – uneigennützig, ohne Geld, Kämpfer für Allah.
Dann gab es auch finanzielle Hilfe und es gab diejenigen, die sich einfach dem Strom der finanziellen Hilfsgüter für die Opfer in Tschetschenien anschlossen. Unter ihnen Rafis Kaschapow, der Leiter des Tatarischen Zentrums. Der war mehrere Male in Tschetschenien mit humanitärer Hilfe.“
…gumitarnom pomotschom.“
Erzähler:
Viele junge Männer, die hinunterfuhren, kam aus dem Umkreis des Komitees, erklärt Scheich Adin, von ihnen fuhr keiner für humanitäre Hilfe:
O-Ton 11: Scheich Adin, Forts. 0,52
Regie: kurz stehen lassen, abblenden, unterlegen, hochziehen
Übersetzer:
„Vosnawnom i maladjosch nasche..
„Unsere jungen Leute kämpfen dort vor allem. Das entscheidet jeder für sich selbst und begibt sich auch selbst dort hin. Viele sind bis heute dort. Es gibt auch Gefallene, obwohl wir im Islam ja nicht von Gefallenen sprechen: Die ihr Leben für Allah verlieren – die nennen wir Schahid. Sie sind etwas Besonderes, man begräbt sie nicht so wie andere. Es heißt, dass sie gleich aufsteigen. Sie stehen höher als alle anderen Muslime.“
Erzähler:
Aber auch wenn sie sich persönlich entschieden, setzt Scheich Adin noch hinzu, unterstütze das Komitee diese jungen Männer natürlich: Schließlich erfüllten sie den Willen Allahs
… olje Allacha.“
Erzähler:
All dies aber scheint Scheich Adin noch nicht ausreichend. Gut ausgehen könne der Krieg nur, meint er, wenn er insgesamt im Namen Allahs geführt werde. Bisher sei er aber ein rein kolonialer gewesen, der um Unabhängigkeit von Moskau geführt wurde:
O-Ton 12: Scheich Adin, Ende 0,18
Regie: Ton kurz stehen lassen, abblenden, unterlegen, hochziehen
Übersetzer:
„No, tam vot imena…
„Die eigene Mission hat das tschetschenische Volk noch gar nicht erkannt, sonst hätten schon nach dem ersten Krieg, der ihnen doch den Sieg brachte, die Gesetze Allahs eingeführt. Aber das ist leider nicht gelungen.“
310 …nje polutschilos.“
Erzähler:
In Kasan, der Hauptstadt der Republik Tatarstan will man von solchen radikalen Tönen nichts hören.
O-Ton 13: Innenstadt von Kasan 0,40
Regie: O-Ton langsam kommen lassen, kurz stehen lassen, abblenden, unterlegen, hochziehen
Erzähler:
„Eine Dummheit sei dieser Krieg“ meint dieser junge Passant in der Innenstadt. „Ausdruck mangelnder Bildung.“ Man müsse sich um seine eigenen Dinge kümmern. „In Tatarstan gibt es keine Basis für Nationalismus und religiösen Extremismus“, erklären ein paar Studenten. „Wir leben hier in gemischter Ehe“, lacht dieses Paar. „Da weiß man gar nicht mehr, was woher kommt.“ Im Übrigen haben sie ihre privaten Sorgen.
…spassiba, Auto, Musik
Erzähler:
Auch im tatarischen Zentrum, das es hier in Kasan ebenfalls gibt, schlägt man leisere Töne an als in Nabereschnye Tschelni. Ja, Freiwillige für Tschetschenien gebe es, bestätigt Ildus Sadikow, Präsident des Zentrums:
O-Ton 14: I. Sadikow, Tatarisches Zentrum, Kasan 0,41,5
Regie: O-Ton kurz stehen lassen, abblenden, unterlegen, hochziehen
Übersetzer:
„No, eta nje na…
„Aber das ist nicht auf staatlicher Ebene, das ist der Wunsch von Einzelnen, die – sei es aus religiösen, sei es aus moralischen Gründen – ihren muslimischen Brüdern helfen wollen. Unsere Organisation ist dagegen! Wir sind gegen jede Gewalt! Wir setzen unsere Kraft dafür ein, entsprechend der internationalen Rechte und denen der Verfassung zu handeln. Man darf uns allerdings auch nicht zwingen Gewalt einzusetzen – sagen wir so.
…tak gawarim.“
Erzähler:
Schon im ersten Krieg 1994 – 96 habe das Zentrum die Regierung Tatarstans aufgefordert, keine Rekruten für den Krieg zu stellen, erklärt Ildus Sadikow. Schließlich habe das tatarische Parlament ein entsprechendes Gesetz beschlossen. Jetzt im zweiten Krieg habe Moskau den Präsidenten Tatarstans, Schamijew aber gezwungen, die Verordnung zurückzunehmen, sodass jetzt muslimische Rekruten auf muslimische Tschetschenen schießen müssten. Das könne nicht ohne Folgen für die innere Situation Tatarstans bleiben, denn selbstverständlich spiele der, wie Ildus Sadikow sich ausdrückt, islamische Faktor eine bedeutende Rolle für Tatarstan:
O-Ton 15: Ildus Sadikow, Forts. 1,30
Regie: O-Ton kurz stehen lassen, abblenden, unterlegen, hochziehen
Übersetzer:
„W Islamje, kak wy snaetje..„
„Im Islam, wie Sie wissen, betrachten sich die Muslime als Brüder. Der Islam ist eine friedliche Religion. Zumindest der hanafizische Islam unserer Region fördert die friedliche Beziehung zwischen den Völkern. Wir haben kein Feindbild von anderen Nationen, obwohl die Russen uns bekriegt haben. Aber wir sind duldsamer als unsere Eroberer. Was die Beziehung zwischen Tatarstan und anderen muslimischen Staaten betrifft wie Kasachstan, Usbekistan, Azerbeidschan, sogar Tschetschenien, so sind wir natürlich durch den Islam miteinander verbunden. Wir sind Anhänger des Islam! Aber ich betone noch einmal, wir sind Anhänger des friedlichen Zusammenlebens mit anderen Völkern.
Leider gibt es Leute, die sehr wenig vom Islam verstehen und ihn für ihre Ziele benutzen; ich meine den Wahabismus. Durch die Aktionen der Wahabiten in Dagestan wurden die Beziehungen zum Islam insgesamt belastet. Allerdings muss man sagen: In Saudi-Arabien gibt es auch Wahabiten, der ganze Staat ist wahabitisch, aber niemand in Russland kommt – bisher – auf die Idee, sie zu bombardieren. So gesehen hat sich das russische Zentrum also ein neues Feindbild geschaffen; es findet eine bewusste Verzerrung des Islam durch die Regierungspropaganda statt. “
… propaganda i agitatii.“
Erzähler:
Die Gründe dafür, so Ildus Sadikow, seien nicht religiöser, sondern wirtschaftlicher Natur. Das Feindbild Islam eigne sich ausgezeichnet, um den Zugriff auf die Gebiete mit großen Öl- und sonstigen Naturstoffreserven zu rechtfertigen. Interesse daran hätten nicht nur Russland, sondern auch die USA und andere imperiale und koloniale Mächte.
Noch klarer wird die Zurückhaltung im „Geistlichen Zentrum des Islam“. Das ist das höchste religiöse Organ und zugleich die Verwaltungsspitze des Islam Tatarstans. Über 1000 Moscheen, Kulturstätten und Schulen sind in diesem Zentrum durch den von ihnen gewählten obersten Mufti vertreten. Waljulla Yaghub, des Muftis Assistent, ein beleibter junger Geistlicher in schwarzer Robe, distanziert sich namens des Zentrums mit sanfter, fast unhörbarer Stimme, aber definitiv von dem, was in Russland Wahabismus genannt wird. Dies sei nicht mehr als ein Ausdruck der Unkenntnis des Islam nach den langen Jahren seines Verbotes, erklärt er:
O-Ton 16: Waljulla Yaghub,
Geistliches Zentrum des Islam in Kasan. 1,20
Regie: O-Ton kurz stehen lassen, abblenden, unterlegen, hochziehen
Übersetzer:
„Nu, schto kassajetsja…
„Der Wahabismus ist eine Strömung des Islam, in der Sprache von heute gesprochen, eine Sekte, die ihre theologisches Besonderheiten hat. Im Prinzip stellt sie selbst keine besondere Bedrohung dar. Jetzt breitet sie sich besonders auf dem Gebiet der früheren Sowjetunion aus, wo Religion überhaupt siebzig Jahre lang verboten war und wo die dort lebenden Muslime von ihrer Religion sehr wenig wissen. So stoßen die Rezepturen des Wahabismus auf das Unwissen vom Islam, so führt seine Ideologie zu einer Primitivisierung, das heißt zu einer Disziplinierung des Islam, was Extreme und Gewalttätigkeiten hervorbringt. Im Prinzip gibt es überall wahabitische Tendenzen, aber dort, wo der Islam nicht so heruntergekommen ist, gibt es keinerlei Exzesse. Im Kaukasus gibt es aber besondere Bedingungen, die dem Wahabismus Aufmerksamkeit verschaffen. In unserer Republik hat er praktisch kaum Einfluss. Seine Ideen verbreiten sich natürlich, aber außer in engen Gruppen junger Leute, vielleicht einige Dutzend, gibt es keine Anhänger.“
…adeptow njet.“
518… adeptow njet.“
Erzähler:
Auf Nabereschnyre Tschelni hingewiesen, von wo aus doch sogar Freiwillige für den heiligen Krieg angeworben würden, antwortet Waljulla Yaghub:
O-Ton 17: Waljulla Yaghub, Forts. 1,10
Regie: O-Ton kurz stehen lassen, abblenden, unterlegen, hochziehen
Übersetzer:
„Jest, no ich otschen mala…
„Gibt es, aber sehr wenige und vor allem in der Stadt Nabereschnije Tschelni. Das ist eine künstliche, eine riesige Stadt. Sie wurde für die Produktion der KAMA-Laster praktisch aus dem Wald geschlagen. Dort versammelten sich Menschen, vor allem junge Menschen, die der KOMSOMOL, der kommunistische Jugendverband dorthin organisiert hatte. Da gibt es keine ältere Generation. Es kamen nur die Komsomolzen. Sie bekamen Kinder, so leben dort heute nur junge Leute. In Kasan, wo die Strukturen nicht zerstört sind, gibt es unter den jungen Leuten praktisch keine Wahabiten. In Nabereschneje Tschellni gibt es sie. Aber die Gründe sind nicht vornehmlich religiös, sie liegen in den sozialen Strukturen, in dem Verfall der Generationsbeziehungen, der sozialen Harmonie. Es steht alles sehr scharf: AIDS, Prostitution, dort ist natürlich auch der Wahabismus.“
… tosche tam jest.“
Erzähler:
Noch mehr als zuvor schon der Vorsitzende des Kasaner tatarischen Zentrums bemüht sich auch Waljulla Yaghub darum, die Bereitschaft des Islam zu Koexistenz hervorzuheben und dem Eindruck einer entstehenden Front zwischen Islam und der christlichen Welt entgegenzutreten. Auf die Frage, worin sich das „Geistliche Zentrum des Islam“ vom Patriarchat der russischen Kirche unterscheide, antwortet er:
O-Ton 18: Waljulla Yaghub, Forts. 0,40
Regie: Ton kurz stehen lassen, abblenden, unterlegen, hochziehen
Übersetzer:
„Nu, demokratitschni patriarchat…
„Nun, es ist ein demokratisches Patriarchat. Bei uns ist die ganze Hierarchie gewählt: die Imams in den Moschen werden von den Gläubigen gewählt, in den Regionen die Mufti, die allgemeine republikweite Versammlung der regionalen Muftis wählt den obersten Mufti. 1998 wart bei uns die letzte Versammlung. Es gab sechs Kandidaten, aus deren Reihe der jetzige oberste Mufti in geheimer Wahl bestimmt wurde – also alles analog, aber alles in demokratischer Weise.“
…demokratitschnom putjom.“
Erzähler:
Kooperation mit dem Staat, Kooperation mit der christlich orthodoxen Geistlichkeit, Koexistenz des tatarisch-islamischen Teils der Bevölkerung mit dem christlichen, das sind die Maximen, von denen das „Geistliche Zentrum des Islam in Kasan“ sich leiten lasse, erklärt Waljulla Yaghub. Zur Begründung greift auch er tief in die nationale Geschichte: Seit dem vierzehnten Jahrhundert lebten Russen und Tataren miteinander, das heiße im Kern, Christen und Muslime; mit der russischen Kirche habe man zudem die gleiche Leidensgeschichte während der Sowjetzeit; der Zusammenbruch des sowjetischen Regimes hinterlasse ein geistiges und moralisches Vakuum, bei dessen Auffüllung der Staat auf die Hilfe der Geistlichkeit, muslimischer wie christlicher angewiesen sei; die Bevölkerung habe es gelernt, sich gegenseitig zu akzeptieren, ja, christliche und islamische Kultur hätten sich zu einer eigenen tatarischen Kultur miteinander verbunden. Deshalb, so der Mufti, gebe es für die Tataren keinen anderen Weg als russische Moslems zu sein.
Auf die Frage, ob er diese Art des Zusammenlebens als Modell verstehe, antwortet Waljulla Yaghub:
O-Ton 19: Waljulla Yaghub, Forts. 1,43
Regie: O-Ton kurz stehen lassen, abblenden, unterlegen, hochziehen
Übersetzer:
„My otschen chatim, schtoby…
„Wir hätten es sehr gern, dass unser Beispiel ein Modell wäre oder irgendwie ein Vorbild, weil – wie Sie richtig bemerken – eine solche Erfahrung einzigartig ist. Wir kennen die spanische Erfahrung, wo die Mohammedaner nicht mit den Christen leben konnten und vernichtet wurde. In Russland versuchte man ebenfalls uns zu vernichten, das ist zweifellos klar, im Laufe von zwei, drei Jahrhunderten. Aber am Ende des 18. Jahrhunderts unter Katharina II., sie war ja übrigens Deutsche, wurde der Islam legalisiert. Vor Katherina II. war es verboten, Moscheen zu bauen, sie wurden immer wieder zerstört. Sie wurden aus Holz gebaut, dann kamen russische Soldaten und brannten sie ab. Über dreihundert Jahre war der Islam verboten. Aber seit Katharina II., der wir sehr dankbar sind und die in unserer Folklore sogar Großmütterchen genannt wird, den Islam, legalisierte, ihm eine geistliche Verwaltung hab, den Mufti zum Kopf der islamischen Hierarchie in Russland ernannte, haben wir sehr interessante Erfahrungen im Zusammenleben gesammelt. Das kann man vielleicht als Muster für alle anderen Länder nutzen, wo Mohammedaner und Christen aneinandergrenzen, wo diese beiden Zivilisationen sich treffen.“
…wot eta dwe Zivilisazii.“
Erzähler:
Schön wäre es, in der Tat! In der Theorie stimmen damit auch die Hitzköpfe aus Nabereschnye Tschelni überein. Aber selbst dieser auf Kooperation und Koexistenz bedachte Mufti kann nicht verschweigen, dass das Modell Tatarstan keineswegs gänzlich verwirklicht und erst recht nicht verbindlich für ganz Russland ist. Auf gesamtrussischer Ebene hat die russisch-orthodoxe Kirche faktisch die Stelle einer Staatskirche eingenommen, für den Islam gilt das nicht. Von einer Gleichberechtigung zwischen russischem Islam und russisch-orthodoxer Kirche kann keine Rede sein:
Diese Tatsache bewegt Waljullla Yaghub zu dem Zugeständnis:
O-Ton 20: Walyulla Yaghub, Forts. 1,23
Regie: Ton kurz stehen lassen, abblenden, unterlegen, hochziehen
Übersetzer:
„I wot eta nas otschen…
„Das ist etwas, was uns sehr beunruhigt und wir setzen uns dafür ein, dass nicht zu imperialen Methoden zurückgekehrt wird, dass die orthodoxe Kirche sich nicht zur Staatskirche entwickelt, sich nicht, sagen wir, in russischen Verwaltungsbezirken in extremer Ablehung zu den Moscheen entwickelt. Wir kennen solche Vorfälle in Murmansk, wo der Bau von Moscheen mit Bulldozern verhindert wurde. Das ist unakzeptabel! In Wolgograd wurde der Bau einer Moschee verboten. In der Nähe Moskaus gibt es Städte, wo nach von zwanzig Jahren noch keine Erlaubnis für den Bau von Moscheen erteilt wurde. Das gibt es alles. Aber in unserer Republik gehen wir ganz klar diesen Weg nicht. Und in unserer Republik wird das Vermögen nicht ungerecht aufgeteilt, sondern gleichermaßen beiden Seiten zugeteilt. Wir setzen uns selbstverständlich dafür ein, dass die Russische Föderation in nächster Zeit nicht den Weg des Isolationismus gehen wird, sondern sich an die Vorbilder der allgemeinen europäischen Werte hält.“ …obsche ewropeski zenosti.“
Erzähler:
Diese Kritik gilt dem neuen russischen Präsidenten Wladimir Putin, dessen tschetschenischer Krieg im „Geistlichen Zentrum des Islam von Kasan“ ungeachtet seiner Verurteilung der Exzesse der tschetschenischen Warlords auch als Krieg gegen eine muslimische Bevölkerung verstanden wird:
O-Ton 21: Waljulla Yaghub, Forts. 0,53
Regie: O-Ton kurz stehen lassen, abblenden, unterlegen, hochziehen
Übersetzen:
„Nu, my konjeschna protif…
„Wir sind natürlich gegen solche Methoden. Und wir haben im Namen des `Geistlichen Zentrums´ protestiert. Wir halten diese gewaltsame Vorgehensweise nicht für richtig, nicht diese doppelten Maßstäbe: Was die Banditen betrifft, die gibt es nicht nur in Tschetschenien. Banditen gibt es auch in St. Petersburg; wir nennen sie die kriminelle Hauptstadt Russlands. Dort agiert eine organisierte kriminelle Gesellschaft. Warum wird dann St. Petersburg von niemanden bombardiert und nicht in Dresden verwandelt? Dieser doppelte Maßstab der Politiker ist eine Tragödie für das tschetschenische Volk und es wäre Heuchelei zu sagen, dass man die Tschetschenen nicht auch deswegen bombardiert, weil sie Mohammedaner sind.“ ..potamuschto ani Muselmani….(nuschelt)…eta tosche jest.“
Erzähler:
Die Sprache des Terrors hat, wie man hört, auch in die Rede der Gemäßigten Einzug gehalten. Eine einheitliche Islamische Front gegen Wladimir Putin oder gar gegen den Westen werde es aber nicht geben, schließt Waljulla Yaghub. Zu groß seien die Differenzen zwischen den verschiedenen Strömungen des Islam:
O-Ton 22: Waljulla Yaghub, Forts.
2000/4 , Band 6, S. B, 014
Regie: O-Ton kurz stehen lassen, abblenden, unterlegen, hochziehen,
Übersetzer:
„Wy snaetje…
„Die islamische Konfession ist ihrer Natur nach demokratisch, wie ich gesagt habe, ihre ganze Hierarchie ist eine wählbare. Einer der Gründe dafür ist vermutlich die unbezweifelbare Zersplitterung des Islam. Sogar im Rahmen Russlands sind wir zur Zeit nicht in der Lage uns zu vereinigen. Bei uns existieren mehrere höhere Muftis und unter ihnen solche, die sich gegenseitig als Feinde hassen. Gott sei Dank können wir uns im Rahmen der Republik vereinigen! In der sowjetischen Zeit gab es zwei Lehranstalten, in denen Lehrpersonal ausgebildet wurde, das mittlere Institut in Buchara und das taschkentische Islamische Institut, beide in Usbekistan. Deshalb kommt also die ganze höhere Geistlichkeit des Islam aus der früheren UdSSR; sie sind Klassenkameraden, kann man sagen, sie kommen alle aus einer Alma Mater. Auf persönlicher Ebene gibt es daher Beziehungen, aber nur da. Arbeitskontakte gibt trotzdem es leider überhaupt nicht.“
… sawsjem njet.“
Erzähler:
Für den Kaukasus gilt das Gleiche. Der südliche kaukasische Islam zerfällt in vier sunnitische Richtungen. Tataren und Baschkiren gehören zur Hannafizischen Richtung, die nördlichen Kaukasier sind Sufisten. Die theologischen Unterschiede zwischen ihnen sind so groß, dass sich enge Kontakte zwischen ihnen verbieten. Verbindungen und Treffen finden auch hier auf persönlicher Ebene statt.
Eine Ausweitung des „heiligen Krieges“ aus den tschetschenischen Bergen auf ganz Russland, auf Europa oder gar auf den gesamten Westen, heißt das, ist schon deswegen eine blanke Fiktion. Dazu kommt, dass auch in Tschetschenien nicht nur Muslime leben; andererseits ist Russland ist in seinem Kernbestand an der Wolga zur Hälfte muslimisch, Russlands Südflanke von wird von muslimischen Nachbarn gebildet. Eine Entmischung nach konfessionellen Zugehörigkeiten ist nicht möglich. Deshalb gibt es, um die Worte Waljulla Yaghubs aus Kasan zu variieren, für Russland keinen anderen Weg als das tatarische Modell zu akzeptieren und damit ein Zeichen für die mögliche Koexistenz zwischen Christen und Muslimen zu setzen.